Gut essen

Liebe zu Verrückten

Das Podium: Timm Jelitschek, Renaldo Scola, Sophie Obermüller, Kathleen Ellmeier, Harro Colshorn, Kerstin Trümper-Kumaus. Foto: MZ

Was ist gutes Essen? Was ist nötig, um nachhaltig und verantwortungsvoll, aber eben auch ökonomisch zu wirtschaften, um gutes Essen zu produzieren? Zu diesen Fragen hatte die Gemeinwohl-Ökonomie Regionalgruppe Mangfalltal Experten in die WeyHalla eingeladen.

Am 14. Tag des Klimafrühlings Oberland, an dem der Landkreis Miesbach mit 36 Beiträgen beteiligt ist, gab es zwei Veranstaltungen in der Region und beide hatten etwas mit Landwirtschaft zu tun.

Kerstin Trümper-Kumaus und Timm Jelitschek wollen mit der Belebung der Regionalgruppe Mangfalltal die Vision der Gemeinwohl-Ökonomie auf die Straße bringen. Nachdem Christian Felber, Pionier der GWÖ aus Österreich vor drei Jahren im Landkreis begeisterte Zuhörer fand, ließ Corona die Begeisterung für das Konzept erlahmen.

Lesetipp: Christian Felber und die Visionen der Zukunft

Jetzt aber soll es wieder aufleben, die Gemeinde Gmund macht es vor und will als Kommune eine GWÖ-Bilanz erstellen, freute sich Timm Jelitschek mitteilen zu können. Die neu ins Leben gerufene Regionalgruppe hatte vier Experten für ökologische Lebensmittelerzeugung eingeladen.

Pionier für gutes Essen

Seit über 40 Jahren bereits ist Harro Colshorn ein Pionier der organisch-biologischen Gärtnerei und Direktvermarktung, schon lange GWÖ zertifiziert und ehrenamtlich als Vorstand bei der GWÖ Bayern tätig. Sein stetiges Anliegen ist es, dass Politik die geeigneten Rahmenbedingungen schafft, dass es für biologisch produzierte Produkte Kostenvorteile gibt. Das ständige Ungleichgewicht ist ihm ein Dorn im Auge. „Wir wirtschaften nicht im gerechten Wettbewerb“, sagte er. Billige Lebensmittel führen zu Folgekosten, ob zu gesundheitlichen Schäden oder zur Belastung des Trinkwassers. „Das müssen wir alle zahlen, wir aber tragen zu diesen Schäden nichts bei.“

Gutes Essen
Biogärtner Harro Colshorn. Foto: MZ

Sophie Obermüller ist Vorstandsvorsitzende der Naturkäserei TegernseerLand eG. Ihr Grundimpuls für die Gründung des Unternehmens sei es gewesen, „dass jammern und streiten nicht erfüllend ist“. Der Milchmarkt sei verrückt und so müsse man handeln. „Unsere Böden haben ein Burn-Out“, sagte sie, überall würden zudem Flächen versiegelt und Lebensmittel weggeworfen. Mit der Verarbeitung der heimischen Milch wirke man dieser Situation entgegen.

Auch Renaldo Scola möchte etwas für die Zukunft tun. Seine Frau Diana und er gaben ihre guten Jobs in der Industrie auf und gründeten mit LAVLI einen regionalen alternativen Lebensmittelhandel, der auf der Solidarität zwischen Erzeuger und Verbraucher beruht. Er wünscht sich „mehr Wertschätzung für Lebensmittel und Landwirtschaft und dass wir respektvoll mit den Ressourcen umgehen“.

Gutes Essen
Sophie Obermüller und Kathleen Ellmeier. Foto: MZ

Kathleen Ellmaier ist bei der Ökomodellregion Miesbacher Oberland tätig. Warum sie sich dafür engagiere? „Aus Liebe zu den Verrückten, wenn sich jemand was traut.“ Sie wolle verrückte Ideen unterstützen, damit was weitergeht. Und davon gebe es einige in der Region.

Und was braucht es für gutes Essen?

Man müsse schon dem Nachwuchs vor Ort die Zusammenhänge vermitteln, meinte Sophie Obermüller. Kinder seien offen für die Themen. Im Wege aber stünde die Bequemlichkeit der Menschen. „Wissen führt nicht zur Verhaltensänderung“, hat Harro Colshorn erfahren, man brauche positive Vorbilder, die zeigen, dass die biologische Landwirtschaft erfüllend sei. „Wir brauchen Erzählungen vom guten Leben“, forderte er.

Ob denn die Menschheit mit biologischem Landbau ernährbar sei?

„Ja“, rief der ÖDP-Kreisvorsitzende Olaf Fries aus dem Publikum und meinte: „Der Hausgarten ist die effizienteste Art der Bebauung“, denn man komme ohne die Kosten von Spritzmitteln und Düngung aus. „Permakultur ist unschlagbar“, ergänzte Renaldo Scola. Die Frage sei, ob man die Kurve kriege oder den Karren an die Wand fahre. „Wir sitzen alle im selben Boot und jeder schiebt dem anderen den schwarzen Peter zu.“ Der Schlüssel sei, dass jeder persönliche Nachteile zugunsten guter Lebensmittel in Kauf nehmen müsse.

Gutes Essen
Renaldo Scola. Foto: MZ

„Selbstversorgung ist das beste“, betonte Harro Colshorn, dazu müsse als Ergänzung überregionaler Handel dazukommen, schließlich gebe es in Bayern keinen Kaffee. Das Argument, dass sich Hartz IV-Bezieher biologische Produkte nicht leisten können, bedeute nur, dass die Hartz IV-Sätze erhöht werden müssen. „Aber auch Reiche gehen zum Aldi.“

Bequemlichkeit versus Unkraut jäten

Zum Thema Selbstversorgung ist die Meinung im Podium und Publikum gespalten. Es gebe zu wenig bebaubaren Boden einerseits, aber auch eine Reihe von Sonnenäckern und Solidarischer Landwirtschaft im Landkreis. Die Bürokratie behindere die Ausweisung von Flächen und die Bequemlichkeit der Menschen stehe dem Eigenanbau entgegen. „Feiern ja, aber vier Stunden in der Hitze Unkraut jäten, nein, lieber gehen die Leute joggen“, resümierte Harro Colshorn.

Es sei die klassische Aufgabe der Kommunen, Flächen bereitzustellen, betonte Kathleen Ellmeier. Und Renaldo Scola konstatierte: „Die Subventionspolitik war ein großer Fehler.“

Gibt es denn noch andere Hebel?

Alles was wir hier tun sind nur homöopathische Änderungen, meinte Harro Colshorn, „die gesamte Wirtschaft muss sich ändern“. Richtig, meinte Renaldo Scola, Profitmaximierung, Lobbyarbeit und Regelwerke, das seien die Hebel, die umgelegt gehören. Leuchtturmprojekte wie der Boarhof von Markus Bogner in Holz, da müsse die Zukunft hingehen.

Was ist das rechte Maß?, fragte abschließend Timm Jelitschek. Ganz klar sei das die Tierernährung und Flächenbindung, sagte Harro Colshorn. „Jeder Bauer ernährt seine Tiere von seiner Fläche.“ Damit gebe es keine Massentierhaltung. Man dürfe die Politik nicht aus der Verantwortung entlassen.

Fazit: Wir brauchen gute Beispiele von Verrückten, die vormachen, dass etwas geht, obwohl es viele Argumente dagegen gibt. Und die Politik muss mitziehen, wenigstens erst einmal im Kleinen, so wie es jetzt die Gemeinde Gmund vormacht. Und der Einzelne sollte raus aus der Komfortzone der billigen Lebensmittel, selbst schweißtreibend anbauen oder beim Direktvermarkter kaufen.

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