Gemeinwohl-Ökonomie

Christian Felber und die Visionen der Zukunft

Christian Felber in Neukirchen 2019. Foto: Petra Kurbjuhn.

Zoomcall Fridays for Future Vienna

Wie kann ein echter nachhaltiger Wandel in unserer Gesellschaft vonstattengehen? Dieser Frage stellen sich zahlreiche Akteure und Organisationen weltweit. Bei einem Onlinetreffen hatte Christian Felber, Initiator der Bewegung Gemeinwohl-Ökonomie, eine praktische Lösung für seine Visionen der Zukunft.

Auch die „Anders wachsen“-Initiative im Landkreis Miesbach befasst sich mit alternativen Ideen für das Oberland. Sie entstand aus der Degrowth-Bewegung, die uns vor fünf Jahren Nina Treu nahebrachte. Die Schlierseer Aktivistin für Ökologie und Solidarität arbeitet im Konzeptwerk Neue Ökonomie in Leipzig und organisierte dort die Internationale Degrowth-Konferenz 2013. Jetzt ist sie dabei die Konferenz, online natürlich, in Wien zu konzipieren.

Schule des politischen Mutes

In deren Vorbereitung fand am 3. Mai die 4. Schule des Politischen Mutes mit dem Thema „Wir upcyclen unser Wirtschaftssystem!“ als Zoomcall statt. Für unsere Region nahm Sonja Reichel aus Holz/Bad Wiessee teil, die in der „Anders wachsen“-Initiative ebenso wie in der Wirkstatt aktiv ist, die regional und überregional die Aktiven vernetzen möchte.

Sonja reichel
Sonja Reichel. Foto: privat

Sie berichtet: „Die Veranstaltung wurde von Fridays for Future Vienna organisiert und gliederte sich in die Teile Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“ Verena Wolf von der Initiative Degrowth Vienna habe den Werdegang unseres Wirtschaftssystems seit der Industrialisierung über Kapitalismus hin zur Liberalisierung erläutert, vom Mangel über das Wachstum bis hin zum derzeitigen Wachstumszwang und seinem Dilemma.

Video vom ersten Teil des Treffens: Vergangenheit. Fridays for Future Vienna

Das Problem, so Verena Wolf, besteht darin, dass die ökologischen Grenzen bereits überschritten wurden, sogenannte „tipping points“, was bedeutet, dass Systeme kippen. Als Beispiel nennt sie Klimawandel und Artensterben.

Neues Wirtschaftssystem

Die Lösung, so die Referentin, sei ein neues Wirtschaftssystem, in dem ein gutes Leben in den ökologischen Grenzen mit sozialer Gerechtigkeit möglich ist.

In der Gegenwart gibt es zahlreiche Versuche, gegen den Wachstumszwang zu steuern. Als Beispiel wurden in dem Zoomcall aus Österreich genannt: Solidar-Ökonomie in Form eines gemeinsamen Bankkontos, Foodsaving als Instrument der Ressourcenverteilung und Geschenk-Ökonomie, einer Aktion zum Vergleich Schenken-Verkaufen und dem doppelten Nutzen für beide Seiten.

„Das Bild der wünschenswerten Zukunft zeichnet Christian Felber mit der Gemeinwohlökonomie“, erzählt Sonja Reichel. Der österreichische Begründer der Gemeinwohlbilanz war vor über einem Jahr auf Einladung von „Anders wachsen“ im Landkreis Miesbach und sprach vor über 200 Interessierten über seine Vision.

Lesetipp: Gemeinwohl-Ökonomie in der Region installieren

Der daraufhin gegründete Stammtisch hatte das Ziel, eine eigene GWÖ-Regionalgruppe im Landkreis Miesbach zu installieren. Wie so vieles ruht auch diese Initiative derzeit.

Felber No system changers Folie

Christian Felber räumt jetzt in seinem Beitrag „Visionen der Zukunft“ kategorisch mit Illusionen vieler wertvoller Organisationen auf und sagt: „Keine davon hat eine wirklich systemverändernde Wirkung.“ Ob transition town, fairer Handel, Komplementärwährung, bedingungsloses Grundeinkommen oder Permakultur, das seien alles wichtige Einzelinitiativen, aber keine davon werde das System ändern.

Rechtliches Fundament

Eine gesamtgesellschaftliche Änderung werde erst durch eine Änderung des rechtlichen Fundaments erreicht.

Die Gemeinwohlökonomie stelle den Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus im Sinne des Aristoteles dar, für den Geld das Mittel zum Zweck des guten Lebens diene und nicht wie im Kapitalismus, wo Geld der Zweck sei, dies sei widernatürlich.

Alle Grundwerte wie Gerechtigkeit, Solidarität, Menschenwürde, Ökologie und Demokratie vereinige die Gemeinwohlökonomie sowohl als theoretisches Modell, als auch als Bewegung zum Mitmachen und als demokratischen Prozess.

Video vom letzten teil des Treffens: Christian Felber und die Visionen der Zukunft. Fridays for Future Vienna

„Die Wirtschaft muss dem Gemeinwohl dienen“, dieser Satz steht in allen demokratischen Verfassungen, sagte Christian Felber und deshalb müsse wirtschaftlicher Erfolg auch daran gemessen werden und nicht an der Mittelanhäufung.

Um aber gesetzlich verbindliche Standards in Richtung Gemeinwohl zu erwirken, müsse die Demokratie dringend reformiert werden. Um das zu erreichen, schlägt Christian Felber vor, einen Kreis von 20 Personen zu gründen, die dann 200 NGOs einbinden.

Felber System change Folie

Es dürfe nicht jede Initiative ihre eigenen Themen bearbeiten, sagte er. Diese Arbeitsteilung sei in der Vergangenheit gescheitert, man müsse gemeinsam wirken, damit das Parlament die wichtigsten Themen demokratisch umsetze.

In der Zoom-Diskussion wurde Christian Felber gefragt, ob er die Coronakrise als Sprungbrett oder Chance zu einem gesellschaftlichen Wandel sehe. Er befürchte einerseits, dass man nach der Krise sehr schnell zum Neoliberalismus zurückkehre, andererseits aber habe die Krise auch gezeigt, dass die Regierungen in der Lage seien, bedrohliche Kurven abzuflachen.

Ausschöpfung demokratischer Möglichkeiten

Sonja Reichel zieht ein Fazit für Visionen der Zukunft: Damit aus den vielen bestehenden wunderbaren Gemeinwohl-Inseln ein wirklich allen zugängliches, nachhaltiges, solides und systemrelevantes Festland werden kann, ist der nächste notwendige Schritt die intelligente und gebündelte Ausschöpfung unser demokratischen Möglichkeiten.

Felber Souveräne Demokratie folie

Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?

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