
„Die Männer brennen die Welt an“
Bei der Vorpremiere „Der Deserteur“ im FoolsKINO: Kameramann Christian ‚Spanier‘ Weischer, Sebastian Fischer, Anna Kaminski und Christoph Baumann (v.l.). Foto: MZ
Film in Holzkirchen
Dieser Film bleibt lange haften. Noch Tage danach sind die Bilder eingebrannt im Hirn und im Herzen. „Der Deserteur“ mit Anna Kaminski und Sebastian Fischer in den Hauptrollen hat am 8. Mai seine Uraufführung im Holzkirchner FoolsKINO. KulturVision war zur Vorpremiere mit den Hauptakteuren eingeladen.
Fast mystisch, meint Anna Kaminski, als sie den Termin nennt. 8. Mai, Tag der Befreiung, Ende des 2. Weltkrieges vor 80 Jahren. „Wir hoffen, dass der Film was bewegt, denn wir sind alle eins und der Völkerhass muss aufhören.“ Die Holzkirchner Schauspielerin spielt in dem Film von Christoph Baumann die Jüdin Hannah, die sich auf einer Almhütte in den Tiroler Bergen versteckt.
Anna Kaminski als Hannah. Foto: CHR Filmproduktion
Schwer verletzt rettet sich in diese Hütte der SS-Soldat Anton. Sebastian Fischer erzählt, dass er sich mit viel Recherche und Empathie in diese Rolle hineingedacht habe. All die Grausamkeiten, die er aus Augenzeugenberichten aus der NS-Zeit erfahren habe, hätten ihn tief berührt. Aber auch sein Opa sei im Krieg auf der Krim dabei gewesen. „Mir war es wichtig, die Emotionen nachfühlbar zu machen“, sagt er. Und „wir dürfen nicht vergessen, was passiert ist, lernen wir wirklich nichts, müssen wir das alles am eigenen Leib erfahren?“ und er ruft auf: „Wir müssen den Mund aufkriegen.“
Sebastian Fischer als Anton. Foto: CHR Filmproduktion
Mit drastischen Worten drückt es Regisseur Christoph Baumann am Ende des Films aus: „Die Männer zünden die Welt an und die Frauen müssen die Scheiße ausbaden.“ Das Thema des Films sei Krieg und Schuld ebenso wie Mitgefühl und Menschlichkeit, in erster Linie aber sei es Vergebung.
Denn was passiere im Krieg: „Da müssen die Unschuldigsten dran glauben und werden zur Schlachtbank geführt“, sagt der Regisseur. Er berichtet, dass der Film während der Coronazeit entstanden ist, er hatte die Idee, das Drehbuch schrieb Christiane Heckes. Gedreht wurde in den Tiroler Alpen.
Im Kammerspiel „Der Deserteur“ spielen Hannah und Anton die Hauptrollen. Foto: CHR Filmproduktion
„Er wollte einen besonderen Film machen und war sehr mutig“, sagt Anna Kaminski, „es ist ein sehr familiäres Projekt“. Sie habe sich zwei Jahre mit dem Thema befasst und mit viel Ehrfurcht ihre intensive Rolle der Jüdin bearbeitet. „Das ist unvorstellbar und fast anmaßend“, konstatiert sie. Indes findet sie ihre Figur der Hannah sehr schön, weil sie nicht als Opfer dargestellt ist, sondern weil sie stark ist und Ziele hat.
Die Drehtage auf der Alm seien sehr intensiv gewesen, „es war kalt und eng aber die Stimmung hat gepasst“. Die raue Gegend und die schwierigen Umstände seien anstrengend gewesen. „Es war die herausforderndste Rolle, die ich gespielt habe, physisch und psychisch.“ Und das Thema sei präsenter denn je.
Charlotte (Lana-Mae Lopičić) bringt das Essen. Foto: CHR Filmproduktion
Anna Kaminski spielt die Hannah streng, mit einer steilen Falte auf der Stirn. Diese verschwindet erst, als sie sich sehr langsam und vorsichtig dem Gast Anton auf ihrer Hütte öffnet. Sie versorgt seine Wunden, sie wäscht die verschmutzte Wäsche und sie teilt ihr Essen, das Charlotte gegen gute Bezahlung aus dem Dorf heraufbringt, mit ihm.
In der Hütte spielt sich die Handlung ab. Foto: CHR Filmproduktion
Er unterweist sie im Schießen, damit sie gerüstet ist, wenn er wieder verschwindet. Jede Pore in den Gesichtern wird bei den Nahaufnahmen sichtbar, jede kleine Regung in den Gesichtern der beiden Hauptdarsteller, die das Kammerspiel tragen.
Anton lehrt Hannah das Schießen. Foto: CHR Filmproduktion
Sie müssen haushalten, waschen sich mit demselben Wasser und sie kommen sich näher. Erstmalig lächelt Hannah. Aber dann entdeckt sie seine Tätowierung, die ihn als SS-Mann ausweist.
Dann taucht Georg auf, Antons bester Freund, der ihn angeschossen hat. Sandro Kirtzel spielt den Unbelehrbaren, den von Hass Getriebenen, der alles niedermacht, gnadenlos, empathielos, unmenschlich, und der Countdown läuft.
Die Annäherung. Foto: CHR Filmproduktion
In diesen Film geht man nicht mit Popcorn, um einen unterhaltsamen Abend zu verbringen. Der Film ist ab 12 Jahren zugelassen, besser vielleicht ab 14, er ist hart, grausam, so wie es jeden Tag aus den Nachrichten tönt. Aber es ist auch ein Zeichen der Hoffnung, dass es Brücken gibt zwischen zwei Seiten, die unüberbrückbar scheinen. Unbedingt ansehen!