
Der Esel und die Führungskraft
Cover. Foto: MZ
Buchtipp von KulturVision
„Wacher Geist und fester Schritt – The Donkey School for Leadership” nennt der Philosoph Christoph Quarch sein neues Buch und hat eine zauberhafte Anleitung für Führungskräfte anhand der Qualitäten des Esels geschrieben.
Esel? Esel! Er sei stur, halsstarrig, renitent und sein Führer habe es sehr schwer, so ist die landläufige Meinung. Andersherum sei es richtig, sagt Christoph Quarch: Der Esel braucht keinen Führer, denn er ist selbst einer. Er weiß genau, wann und wo er gehen muss, er scheut Gefahrensituationen und kann damit dem Menschen ausgesprochen hilfreich sein.
Neue Führungskunst
Aber nicht nur das. Der Esel habe noch viele weitere soziale Kompetenzen, denen es so mancher Führungskraft gebricht. Die Zeit des Löwen, der mit Raubtiergebrüll seine Mitarbeiter führt, sei in Zeiten des Fachkräftemangels vorbei, jetzt brauche es für den Leader eine neue Führungskunst.
Der Autor benennt auch die Eselsbrücke als wichtiges Hilfsmittel des Verstehens zwischen einem Satz und dessen Bedeutung, auch dazu gibt das Buch eine Reihe von Beispielen. Was es zudem unterhaltsam macht, sind die zu jeder Kompetenz dazugehörigen literarischen oder filmischen Hintergründe.
Eselsbrücke. Illustration: Martha Quarch
Die feinen Illustrationen zu jedem Kapitel hat die 20-jährige Tochter Martha Quarch gefertigt und Ehefrau Christine Teufel steht für die Idee und Umsetzung des Projekts. Es ist eine ganz andere Art von Ratgeber, viel mehr als das, es beweist schon von der äußeren Aufmachung mit der Papierbanderole statt Plastikfolie Verantwortungsgefühl.
Der lila Leineneinband des kleinformatigen Büchleins weist darauf hin, dass es sich hier nicht um reine Sachlichkeit dreht, sondern dass vielmehr ein literarisches Werk vorliegt.
Der Philosoph Dr. Christoph Quarch. Foto: Ulrich Mayer
Christoph Quarch hat zwanzig soziale Schlüsselkompetenzen gefunden von Achtsamkeit bis Zusammenarbeit, die er Führungspersönlichkeiten empfiehlt. Zu jeder dieser Kompetenzen zitiert er die Geschichte eines Esels aus Literatur, Mythologie oder Film.
Es sind bekannte und weniger bekannte Erzählungen, so hat das Buch zudem noch einen Informationswert für den Leser. Der Autor zieht für den Begriff der Beharrlichkeit Gribouille, den grauen Freund aus dem Buch „Die Weisheit des Esels“ von Andy Merrifield heran. Er wird zum Lehrer und Meister des Autors und zeigt ihm, wie Probleme zu lösen sind.
Rucio, der Esel von Sancho Pansa, dem Diener von Don Quixote, lehrt die Bodenständigkeit. Während dieser mit Windmühlenflügeln kämpfte, blieb jener zwar etwas tölpelhaft, aber bodenständig, eine Eigenschaft, die der Autor auch für den Leader als zwingend notwendig erachtet.
Neugier und Poesie. Illustrationen: Martha Quarch
Natürlich steht die Eselin, die Jesu auf seinem Einzug nach Jerusalem trug, für Demut. Eine Kompetenz für Führungskräfte? „Ohne Demut läufst du Gefahr, deine Führungsaufgabe zum Egotrip geraten zu lassen“, schreibt Christoph Quarch.
Auch der Begriff der Geborgenheit verwundert zunächst, aber nur kurz. Dafür zieht der Autor den namenlosen Esel aus dem Stall von Bethlehem heran. Er will mit Geborgenheit nicht Kuschelromantik vermitteln, dazu sei das Business zu hart. Aber so sagt er, die Menschen brauchen Sicherheit und Schutz. Sie müssen sich an ihrem Arbeitsplatz heimisch fühlen und dafür zu sorgen, ist die Aufgabe des Chefs.
Lust und Natürlichkeit. Illustrationen: Martha Quarch
Auch der Begriff der Lust erscheint zunächst abwegig, erweist sich aber bei der unterhaltsamen Lektüre über den Esel des Silenus aus der griechischen Antike, wo der Esel für pralles Leben steht, als durchaus anwendbar für die Chefetage. Denn, so schreibt Christoph Quarch, wenn tiefgreifende Veränderungen in einem Unternehmen erforderlich sind, dann braucht es Lust und Leidenschaft, Begeisterung und auch den Willen, Altes aufzulösen und Neues aufzubauen.
An diesem Beispiel wird besonders deutlich, wie die Kompetenzen des Esels Impuls und Inspiration für Führungskräfte sein können. Was zunächst nur nach Sex und Sinnlichkeit aussieht, entpuppt sich bei genauem Hinsehen als Energie des Eros, „die wahre Wunder vollbringen kann“.
Schatz an Empfehlungen für Führungskräfte
So birgt das Buch einen Schatz an anwendbaren Empfehlungen aus der „Donkey School for Leadership“, aber es liest sich auch für den Nichtführenden unterhaltsam, spannend und überraschend. Dazu trägt auch die bilderreiche Sprache von Christoph Quarch bei, der es wieder einmal versteht, philosophische Betrachtungen für jeden lesbar darzustellen.
Es regt darüber hinaus jeden Lesenden dazu an, seine Art des Umgangs mit anderen Menschen zu überdenken und vielleicht etwas mehr Vertrauen und Wertschätzung einzubringen, sowie die Kunst des Zuhörens zu pflegen.
Ein bekannter Esel der Literatur fehlt, und das mit recht. Denn Buridans Esel, der verhungert, weil er sich nicht zwischen zwei Heuhaufen entscheiden kann, wäre wahrlich ein schlechtes Vorbild für eine Führungskraft.
Zum Weiterlesen: Was macht heilsame Literatur aus?