Sterben

Von Sterbenden lernen

Cover des Buches „Am Ande zählt das JETZT“. Foto: MZ

Buchempfehlung von KulturVision

„Was zwei Palliativ-Pflegerinnen von Sterbenden über das Leben lernen“ heißt der Untertitel des wichtigen Buches „Am Ende zählt das JETZT“ von Michaela Bayer und Sara Loy, das sie am morgigen 2. November im Bürgersaal in Hausham vorstellen.

Es ist ein Heimspiel für Michaela Bayer, kommt sie doch aus Hausham und ist seit Jahren am Klinikum Großhadern auf der Palliativstation tätig. Mit ihr die gebürtige Dresdnerin Sara Loy. Beide haben einen Instagram Account, auf dem sie über ihre Arbeit und Erfahrungen berichten. Auch das Fernsehen wurde aufmerksam und die beiden jungen Frauen waren in mehreren Sendungen präsent.

Warum dann noch ein Buch? „Weil wir gefragt wurden“, lächelt Sara Loy. „Und wir glauben, dass wir noch mehr Menschen erreichen können, denn bei Instagram ist die Auswahl der Menschen begrenzt.“

Das Anliegen der beiden engagierten Fachpflegerinnen ist klar. „Der Tod ist etwas, wovor man keine Angst haben muss, wir kommen alle in diese Situation“, sagt Michaela Bayer. Wenn man aber schon einmal darüber nachgedacht habe, werde der Gedanke an den Tod leichter. „Das Thema kann das Leben bereichern und es führt dazu, dass man das Leben mehr genießen kann.“

Palliativstation
Michaela Bayer und Sara Loy. Foto: Stefanie Resch

„Der Tod darf nicht outgesourct werden, er muss einen Platz in den Familien haben“, ergänzt Sara Loy. Und auch Kinder sollten da nicht ausgespart werden. „Für Kinder ist es ganz natürlich, ein Kind ist ein unbeschriebenes Blatt und es orientiert sich an den Erwachsenen“, fügt Michaela Bayer hinzu. Im Buch wird eine solche Begebenheit beschrieben, wo ein kleines Mädchen noch einmal die sterbende Oma streichelt.

Danach habe sie von Sara wissen wollen, was denn nun mit der Oma passieren werde. Und Sara erzählt, dass sie dem Mädchen gesagt habe, dass die Oma immer bei ihr bleiben und auf sie aufpassen werde. Vielleicht würde auch verrückte Dinge passieren, die zeigen, dass die Oma noch da ist. Einige Zeit später habe die kleine Lea bei einer Feier auf der Station ganz aufgeregt erzählt, dass genau das passiert sei.

Erfahrungsbericht von der Palliativstation

Mit solchen Anekdoten aus ihrem Alltag auf der Palliativstation des Klinikum Großhadern würzen die beiden Autorinnen ihre Berichte, die sie über ihre Arbeit schreiben. Für den Lesenden ist es eine gute Lesehilfe des jeweiligen Kapitels, dass am Ende ein „Auf einen Blick“ die wichtigsten Informationen noch einmal zusammengefasst sind.

Das Buch liest sich weniger wie ein Ratgeber, sondern mehr als ein Erfahrungsbericht aus einem Lebensbereich, der vielen Menschen als düster und traurig vorkommen mag und den man sehr lange von sich wegschiebt. Diesen Eindruck relativieren Manuela und Sara, wie sie sich im Buch nennen.

Es geht um Würde

Natürlich ist das Lebensende ein schmerzlicher Vorgang, natürlich gibt es Verzweiflung und Trauer, aber daneben gibt es eben auch lebenswertes Leben in der letzten Phase eines Menschen. Und vor allem geht es dabei um die Würde. Die beiden Autorinnen betonen immer wieder, wie wichtig es auf ihrer Station ist, dass den schwerkranken Menschen Beistand gegeben wird, Schmerzlinderung und Angstminderung, dass man sich Zeit nehmen kann, weil der Personalschlüssel ein anderer ist als auf anderen Stationen.

Das Buch ist deshalb so hilfreich für jeden, weil es Einblick gibt in eine Palliativstation, die Angst vor ein Abgeschoben werden in der letzten Lebensphase nimmt und zeigt, wie auch hier Lebensqualität und sogar Lachen möglich ist. Ela und Sara beschreiben wichtige Rituale, sie erzählen von bereichernden Begegnungen mit Sterbenden und deren Angehörigen und sie verschweigen auch schwierige Situationen nicht. Sie haben erkannt, dass ein gewisses Maß an Selbstfürsorge in diesem Beruf ebenso zwingend erforderlich ist wie die Balance von Nähe und Distanz im Umgang mit den Patienten.

Sinn des Lebens

Ein für sie wichtiges Ritual beschreibt Michaela, das ihr hilft, Arbeit und Freizeit zu trennen. Wenn sie ihren blauen Kasack nach der Schicht auf der Palliativstation auszieht, ist die Arbeit zu Ende, symbolisch streift sie dann die Schicksale für diesen Tag ab. Denn einfach ist es nicht, dem Tod täglich so nahe zu sein, insbesondere wenn junge Menschen sterben. Hier, so schreibt Sara, habe man es nicht nur mit körperlichen Symptomen zu tun, sondern auch mit mentalen, mit zerplatzten Lebensträumen, mit einer Vollbremsung mitten im Pläne schmieden.

Sara schreibt auch darüber, was sie von Sterbenden lernen können, denn diese befassen sich intensiv mit dem, was wirklich zählt, was der Sinn des Lebens ist. Und der ist nach Viktor E. Frankl wohl, dem Leben einen Sinn zu geben. Die meisten Sterbenden, so habe sie erfahren, schreibt Sara, sehen den Sinn im Miteinander, in der Familie, in Freundschaften. Sie erzählt von einem berührenden Miteinander, bei dem Angehörige und Freunde einen jungen Mann täglich besuchten und ihm ein Stück Normalität mitbrachten, sogar auf dem Balkon Würstchen grillten.

Übersinnliches auf der Palliativstation

Michaela schreibt auch über übersinnliche Ereignisse auf der Palliativstation, ein Thema, das viele Menschen bewegt. Die Hoffnung, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist und gar ein Wiedersehen mit verstorbenen Angehörigen möglich wäre, treibt viele Menschen um. So ist auch ein Ritual auf der Station, dass nach dem Ableben eines Patienten das Fenster geöffnet wird, so dass die Seele hinausfliegen kann. In diesem Zusammenhang berichtet die Autorin von einem Ereignis, das fast unglaublich wirkt, wenn sie es nicht selbst erlebt hätte.

Michaela Bayer & Sara Loy „Am Ende zählt das JETZT“, Verlag Komplett-Media GmbH 2025

Zum Weiterlesen: Wenn Geschwister Abschied nehmen müssen

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