Vom Werkstatt Grove zum Tango auf der Orgel

Gabi und Wolfgang Neuner in „Die Verbrecherin“ von Felix Mitterer. Foto: Petra Kurbjuhn

Valleyer Kulturtage

In diesen Minuten gehen die Valleyer Kulturtage zu Ende. Aus dem reichhaltigen Programm zum Thema „Anders“ haben wir uns sieben Einzelveranstaltungen ausgewählt, von denen wir erzählen wollen. Eine davon ist das Schauspiel „Die Verbrecherin“ von Felix Mitterer, kongenial von Gabi und Wolfgang Neuner dargestellt.

„Werkstatt-Groove“ in der Schreinerei Brunner war eine Veranstaltung getitelt. Wer wie ich annahm, dass man an einem anderen Ort Musik konsumieren kann, war falsch gewickelt. An dem Ort, an dem vor 20 Jahren die Unterdarchinger Blasmusik entstand, lud Musiker Reinhard Klamet zu einer ganz anderen Erfahrung ein: Die Gäste sollten Zuhören lernen, sensibel gegenüber Geräuschen werden, auch sich mit solchen anfreunden, die als störend empfunden werden. „Hören und aufeinander hören“, das sei das Thema. Und mitmachen.

Valleyer Kulturtage Teil 2
Reinhard Klamet dirigiert das Publikum. Foto: Petra Kurbjuhn

Und so begann es mit einem bairischen Sitzplattler und wurde mit Rhythmusübungen fortgesetzt, zu dem sich jeder ein Teil aus der Schreinerei holen durfte. Mein Nachbar, der Leiter der Unterdarchinger Blasmusik Tom Brunner, gab mit einem Holzhammer den Dreivierteltakt an, ich hielt mich mit einer Nagelschachtel dezent zurück, Fotografin Petra Kurbjuhn aber klopfte an einer Bierflasche solistisch. In einem Rondo durfte jeder der vier Publikumsgruppen seinen Takt schlagen, ein großes Vergnügen, das sich noch steigerte als Bernhard Adelsberger am Xylophon tätig wurde.

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Theresia Benda-Pelzer liest Texte der Schreibwerkstatt von KulturVision e.V. „Anders wachsen“. Foto: Petra Kurbjuhn

10 Stühle hatten wir im Valleyer Schlossbräu zur Lesung „Anders wachsen“ mit Texten der Schreibwerkstatt von KulturVision e.V. aufgestellt und mussten ständig erweitern, über 40 Interessierte kamen und lauschten konzentriert der akzentuierten Darbietung von Theresia Benda-Pelzer. Diese Texte, für die Konferenz gleichen Namens 2016 geschrieben, wurden kürzlich sogar in Österreich vorgetragen und zeigen von Haikus über Gedichte hin zu Kurzgeschichten ein breites Spektrum an Themen zum Nachdenken und Innehalten. Grit Fried-Pittermann an der Querflöte gab der Lesung die notwendigen Momente zur Reflexion.

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Theresia Benda-Pelzer und Grit Fried-Pittermann. Foto: Petra Kurbjuhn

Zur Reflexion regte auch Felix Mitterers Stück „Die Verbrecherin“ an. Unter der Regie von Tochter Andrea spielten im Trachtenheim Valley Gabi und Wolfgang Neuner diesen beklemmenden Einakter aus der Serie „Die Besuchszeit“. Gabi Neuner nimmt sich in der Rolle der Gefängnisinsassin Bettina stark zurück, sie geht voll auf in der Rolle der schuldig gewordenen Frau. Verkrümmt, mit strähnigem Haar erwartet sie den Besuch ihres Ehemannes, den sie mit dem Küchenmesser attackiert hat. Wolfgang Neuner spielt die Opferrolle perfekt, er klagt an, er ist im Recht, sie hat das Leben zerstört. Sie verdient die Todesstrafe.

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Gabi Neuner als schuldig gewordene Ehefrau. Foto: Petra Kurbjuhn

Wirklich? Langsam dreht sich alles um. War es ein kaltblütiger Mordversuch? Und welche Drohungen schreibt der Ehemann in die Welt hinaus? Dass das KZ Dachaue für die Emanzen wieder belebt werden müsse. Wer ist das wirkliche Opfer? Gabi und Wolfgang Neuner beweisen erneut ihre hohe schauspielerische Kompetenz in diesem schwierigen Stück. „Passt aufeinander auf“, gab Wolfgang Neuner den Besuchern mit.

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Wolfgang Neuner als drohendes Opfer. Foto: Petra Kurbjuhn

Meine Kollegin Monika Heppt besuchte gestern Abend noch zwei Konzerte und schreibt:

Die reine Freude kam auf bei „Appenzell trifft Bayern“. Die fünf Jakobi-Sänger aus dem Appenzeller Land boten echte Jodler als „ein Mantra, ein Gebet, eine Herzensangelegenheit“, wie Reinhard Klamet eingangs erklärte. Hier waren Ursprünglichkeit und Pflege der Tradition ebenso spürbar wie die Liebe zur Heimat. Heimweh nach dem Appenzell schwang bei den Jodlern stets mit wenn sie sangen „Wir haben ein schönes Land“ oder „Gott erhalt uns das Appenzell“. Ruhig und klar, sinnlich-besinnlich und ehrfürchtig verströmten die Schweizer ihren Wohlgesang in der Zollinger Halle.

Den bayerischen Part übernahm das Ensemble Allegra mit Franziska Fahrer am Hackbrett, Edeltraud Pauli an der Klarinette, Regine Kofler am Kontrabass und Edeltrud Lieb an der Harfe gemeinsam mit dem Valleyer Reinhard Klamet an der Oboe. Flotte und getragene alpenländische Stücke, Eigenbearbeitungen bekannter traditioneller Landler sowie klassische Musik zeigten die Vielfalt und Vertrautheit mit den heimatlichen Klängen.

Mia Drei und da Tobi sowie Outlaw Valley Band

Der neu gegründete Dreigesang mit Brigitte Hallmannsecker, Maria Floßmann und Ralf Lorenzer setzte im Einklang mit der Gitarrenbegleitung von Tobias Raßhofer besondere Akzente beim alpenländischen Liedgut. Ob sie davon sangen, Wagnisse einzugehen und sich zu (ver-)trauen oder ein Abschiedslied von der Alm, immer war ein gewisses Augenzwinkern erkennbar. „Hast mir so saggrisch guad gfalln“ passte dann genau zum Abschluss der kurzweiligen Darbietungen.

Und so viele Gemeinsamkeiten riefen verständlicherweise danach, im Schnelldurchgang mit den Jakobi-Sängern einen Jodler zu erlernen. Schwer war das, aber es hat sichtlich großen Spaß gemacht.

Kontrastprogramm im Anschluss. Ralf Lorenzer lud mit seiner Outlaw Valley Jazz Band“ ins Sudhaus. Eine großartige sängerische Leistung bot die Valleyer Künstlerin Ebony Davis mit ihrer außergewöhnlichen, klar fixierten und expressiven Stimme. Auch hier passte das Konzept der Gesamtveranstaltung der Kulturtage „anders“. Denn „anders“ als andere Jazzbands interpretieren die Musiker um Pianist Ralf Lorenzer ihre Lieder immer wieder neu. „Bei uns klingt kein Stück beim nächsten Mal gleich. Wir haben eine Grundidee, eine Melodie und einen Text. Durch Improvisieren, neue Soli und spontane Einfälle verändern wir unsere Stücke laufend“ (Ralf Lorenzer). Dazu begeisterten „Ginger“ Jürgen Barbey am Altsaxophon und Mike Würmseer (Bass) mit schier atemberaubender Fingerfertigkeit und vollem Körpereinsatz. Auch Neuzugang Reinhard Maier am Schlagzeug fügte sich perfekt in die Band ein. Das eng nebeneinander sitzende oder stehende Publikum im überfüllten Saal war schnell in Stimmung, ob die Musiker nun Eigenkompositionen wie „ I waited for you“ (Ralf Lorenzer) oder Repertoirestücke zum Besten gaben.

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Gospelchor Valley Voices unter Leitung von Bernhard Vorwerk. Foto: Petra Kurbjuhn

Der heutige Vormittag gehörte in der Zollingerhalle dem Gospelchor Valley Voices unter der Leitung von Bernhard Vorwerk. Elf Frauen und vier Männer sangen ambitioniert und mit echter Begeisterung Gospels, aber auch anderes rhythmisches Liedgut. Von „Nobody knows“ über Leonard Cohens berühmtes „Hallelujah“ bis „O happy day“ erklangen bekannte und weniger bekannte Stücke. Bernhard Vorwerk begleitete am Keyboard und erhob auch seinen kräftigen Bass und Anna-Maria Greindl glänzte im Sopran mit ihren solistischen Einlagen. In „Heaven is a wonderful place“ konnten auch die Männerstimmen zeigen, was sie können. Zum Höhepunkt wurde zweifelsohne „Gott segne dich“.

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Reinhard Klamet und Hubert Huber. Foto: Petra Kurbjuhn

Instrumentalstücke von Reinhard Klamet an der Oboe und Hubert Huber an der Orgel bereicherten das Chorkonzert, wobei es sogar einen Tango auf der Orgel gab, anders eben. Anja Gild steuerte Textbeiträge bei, wie die Geschichte vom „Reiskorn“. Da zieht Andreas aus, um anders zu werden, muss aber feststellen, dass er trotz aller Mühe immer noch ebenso ist wie mancher andere. Erst als er tatsächlich zu sich findet, ist er wirklich anders.

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Anja Gild mit Wortklängen zum Thema „Anders“. Foto: Petra Kurbjuhn

Nach einem Gospel-Potpourri an der Orgel darf das Publikum noch mitsingen: „When the saints go marching in.“ Beschwingt gehen einige hinaus, während andere hereinströmen, denn jetzt zeigt Tom Dauer seinen Film „Schitour ins Ungewisse“. Auch dieser Beitrag passt zu „Anders“, denn er zeigt eine andere Art des Tourengehens, ohne Ziel, ohne Plan. Mit zwei Freunden zog der Valleyer Filmemacher in den Allgäuer Alpen los, fünf Tage wollten sie frei sein von Vorgaben, sich einfach der Bergwelt stellen. Ein Abenteuer, ein Roadmovie der anderen Art.

Was bleibt von den Valleyer Kulturtagen? Ein Miteinander-Füreinander, hochwertige Kultur, komplett aus eigener Hand, die Freude, immer wieder kulturbegeisterte Menschen zu treffen. Und es bleibt der „Ladenhüter“: Rüdiger Dingemann hatte die Idee, im Container am Schlossplatz Werke der an den Kulturtagen Beteiligten zum Verkauf anzubieten. Diese Möglichkeit soll weiter bestehen, tolle Idee.

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