
Ein Kleinod auf der Bühne: „Neues vom Hotzenplotz“
Die Premiere ist gelungen – auch wenn es sicher nicht das erste Mal war, dass die Zuschauer die Geschichte vom Räuber Hotzenplotz hörten. Das Freie Landestheater Bayern brachte „Neues von Hotzenplotz“ auf die Bühne im KULTUR im Oberbräu und verzückte damit Jung wie Alt gleichermaßen.
Schlitzohr Hotzenplotz
Der Räuber Hotzenplotz (Schauspieler: Detlef Dauer) ist schon ein Schlitzohr, das zeigt gleich die erste Szene: Aus dem Spritzenhaus, wo der Ganove eigentlich festsitzen sollte, tönt eine klagende Stimme, die um Hilfe ruft. Das ist aber keineswegs die Stimme vom Hotzenplotz, es ruft vielmehr der zum Oberwachtmeister beförderte Dimpfelmoser (Schauspieler: Bernd Schmidt). Den hatte der Räuber ausgetrickst, indem er eine Blinddarmverrenkung vortäuschte, und an seiner statt im Spritzenhaus eingesperrt. Listig hat sich Hotzenplotz dann den schmackhaften Kaiserschmarrn der Oma (wunderbar gespielt von Theresia Benda-Pelzer) einverleibt, der eigentlich für Kasperl und Seppl vorgesehen war. Ja, und was danach folgt, ist der engagierte Versuch der beiden Helden, den Räuber wieder einzufangen.
Der Räuber Hotzenplotz (links) will sich den Kaiserschmarrn der Oma nicht entgehen lassen. Foto: Alexander Harlander
Hotzenplotz und Dimpfelmoser als tragische Sympathieträger
Detlef Dauer und Bernd Schmidt verleihen ihren Figuren eine beeindruckende Bühnenpräsenz. Ihre Stimme tönt gleichermaßen durchdringend wie nahezu ehrfurchtsgebietend durch den Theatersaal. Und auch wenn beide Figuren in Otfried Preußlers Kultbuch gewissermaßen Kontrahenten sind, so bringt ihnen das Publikum doch ganz ähnliche Einstellungen entgegen. Letztlich sind sowohl der Räuber als auch der Oberwachtmeister Sympathieträger, die – jeder auf seine Weise – danach streben, ihrer Berufung zu folgen. Beide sind indes nicht wirklich erfolgreich darin, was ihre Tragik wie auch ihre Sympathie begründet. Da hilft es natürlich, dass die Helden der Geschichte, Kasperl (Schauspieler: Korbinian Langl) und Seppl (Schauspielerin: Judith Heimerl), dem Oberwachtmeister Dimpfelmoser zur Seite stehen, wenn es gilt, den Hotzenplotz wieder hinter Schloß und Riegel zu bringen. Wer die Bücher Otfried Preußlers kennt, der weiß, dass sie auch dem Räuber helfend zur Seite stehen werden. Korbinian Langl und Judith Heimerl lockern mit ihrem überzeugenden Spiel der unbekümmerten Bauernschläue ihrer Figuren die Geschichte eindeutig auf. Sie schaffen damit Identifikationsfiguren, wie ein Blick auf die freudigen Kindergesichter im Publikum bestätigt.
Für das Bühnenbild – hier die Räuberhöhle – zeichnen Cathrin Paul und Ingrid Huber verantwortlich, für den Bühnenbau Korbinian Langl. Foto: Andreas Wolkenstein
Befreiung aus der Höhle
Freilich, der Räuber hat noch mehr Tricks auf Lager. Das müssen die beiden Hilfspolizisten am eigenen Leib erfahren. Auf ihren Versuch, den Räuber mit einer Flaschenpost wieder ins Spritzenhaus zu locken und dort dann festzusetzen, fällt der gewiefte Gauner nicht rein. Und als sie dann das Lösegeld für die entführte Oma entrichten wollen, werden sie gefangen genommen und ebenfalls in des Räubers Höhle eingesperrt. Ob sie von dort jemals wieder entfliehen können? Ihre einzige Chance dazu ist der Oberwachtmeister Dimpfelmoser. Dem kommt glücklicherweise der Wasti zu Hilfe, der zum Krokodil verzauberte Hund der Witwe Schlotterbeck (Schauspielerin: Ursula Lippkau). Julia Quaderer führt den als Handpuppe präsenten Wasti durch den Theatersaal, den hilflosen Dimpelmoser hat sie dabei im Schlepptau an der Leine. Zur Erleichterung vieler kleiner Kinderherzen gelingt es den beiden schlußendlich, die Gefangenen aus den Händen des Räubers Hotzenplotz zu befreien.
Die Witwe Schlotterbeck (rechts) kann mit ihrer Kristallkugel glücklicherweise den Weg von Kasperl und Seppl verfolgen. Sie hilft damit dem Oberwachtmeister Dimpfelmoser. Foto: Alexander Harlander.
Kleinod mit Special Effects
Regisseurin Cathrin Paul hat mit „Neues vom Hotzenplotz“ ein Kleinod auf die Bühne gezaubert. Dafür ist nicht nur das überzeugende Spiel der Mimen verantwortlich. Auch mit „Special Effects“ wartet das Stück auf, etwa wenn der Blick in die Kristallkugel der Wahrsagerin Schlotterbeck als Videoprojektion auf der Bühne für alle Zuschauer sichtbar wird. Und so darf gehofft werden, dass diesem Stück – das zweite in der Buchreihe Otfried Preußlers – die anderen beiden Bücher des Autors folgen werden. Dass kleine Kinder wie auch ihre Väter, Mütter und Großeltern am Ende mit einem freudigen Gesicht aus dem Theatersaal gehen, spricht in jedem Fall dafür.