Autopilot ausschalten – Dilemma überwinden
Buchcover „Dilemma“. Foto: MZ
Buchempfehlung von KulturVision
„Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es besser wissen.“ Das ist der Untertitel des Buches „Dilemma“ von Gunther Mair. Der Autor legt damit ein Kompendium vor, in dem er wissenschaftlich nachweist, wie wir uns aus dem Dilemma befreien können.
Zugegeben, eine leichte Kost ist es nicht. Und in einem Ruck durchlesen kann man das Buch nicht. Dafür aber ist es ein Nachschlagewerk, in dem der interessierte Lesende eine unglaubliche Fülle an sauber recherchierten Fakten findet. Das Besondere an dem Buch ist, dass es nicht nur Daten zum Klimawandel und Artensterben bereithält, sondern der Autor hat sich ebenso mit der Geschichte der Menschheit, mit Psychologie und mit Wirtschaft auseinandergesetzt.
Verbindung der Wissenschaften
Die Verbindung der Wissenschaften ist es, die das Buch zu einem Gewinn macht. Gunther Mair ist Chemiker, kann also die naturwissenschaftlichen Fakten mühelos herleiten und zuordnen. Er arbeitete in einem großen Chemiekonzern und befasste sich mit Styropor zur Hausdämmung und biologisch abbaubaren Kunststoffen. Er lebte einige Zeit mit seiner Familie in Brasilien und kam so „aus dem provinziellen deutschen Denken heraus“, wie er sagt, dies sei auch für seine Kinder sehr lehrreich gewesen.
Autor und Chemiker Gunther Mair. Foto: privat
Seit zehn Jahren befasst er sich mit dem Klimawandel, trat dem NABU bei und stieß dabei auf das Artensterben. „Das sind zwei Problemfelder, die sich verstärken“, fand er heraus und konstatiert „und wir machen sie selbst“.
Da sich der in Rottach-Egern lebende Autor auch für Geschichte, Psychologie, Bevölkerungswachstum und Religion interessiert, wurde ihm klar: „Alles, was wir heute an Problemen haben, gab es schon früher, denn der Mensch war früher auch nicht besser.“ Als Beispiel führt er in seinem Buch das Abholzen auf den Osterinseln an. Aber es gibt auch positive Beispiele.
„Dilemma“ ist eine Fundgrube
Er selbst macht es mit zahlreichen Aktivitäten vor, an Haus und Garten, beim Pflanzen von Bäumen und er geht an die Öffentlichkeit mit seiner Homepage und mit Videos auf YouTube. Sein gesammeltes Wissen hat er nun in dem Buch „Dilemma“ zusammengestellt, eine Fundgrube für diejenigen, die eine begründete wissenschaftliche Basis bevorzugen, obwohl der Autor betont, auch die Wissenschaft habe nicht die absolute Wahrheit, sondern müsse immer wieder durch das Experiment überprüft werden.
Wichtig aber ist ihm, dass Nichtstun keine gute Lösung ist. Und er stellt kritische Fragen, etwa, welche Nachteile hat der Mensch, wenn die Wildbienen aussterben oder wenn immer größere Flächen bewirtschaftet werden oder wenn das Bevölkerungswachstum zunimmt? Geht mich das was an? „Nach mir die Sintflut?“
Akribisch hat der Autor Zahlen, Ursachen und Wirkungen gesammelt und bringt seinen Wissensschatz in einen konsistenten Zusammenhang. Dem Einfluss der Bevölkerungsentwicklung ordnet Gunther Mair große Bedeutung zu und stellt fest, dass Emanzipation und Bildung der Frau dabei eine wesentliche Rolle spielen.
Bildung, so hat die Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom betont, sei auch der wichtigste Faktor beim Überwinden der „Tragik der Allmende“, das das Buch „Dilemma“ wie ein roter Faden durchzieht. Die Tragik besteht darin, dass der Mensch seine eigenen Interessen und die seiner „Herde“ verfolgt und sich an öffentlichen Gütern selbstverständlich bedient. Gunther Mair zieht zur Erklärung das bekannte „Gefangenendilemma“ heran und verfolgt die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins aus evolutionären Prozessen heraus hin zu sozialem Verhalten.
Ozonloch als positives Beispiel
Als ein positives Beispiel dafür, wie der Mensch einem Problem begegnete, führt der Autor das Ozonloch an. Durch Abschaffung der schädlichen Fluorchlorkohlenwasserstoffe ist das Ozonloch Schnee von gestern.
Wie aber werden die Entscheidungen getroffen? Rational im Sinne des „homo oeconomicus“ oder aus dem Bauch heraus? Wie so oft gibt es kein entweder-oder sondern ein sowohl-als-auch. Ratio, Emotion und kulturelle Prägung spielen gemeinsam mit, wenn sich der Mensch für oder gegen etwas entscheidet.
Mit zahlreichen Beispielen verdeutlicht der Autor seine Argumentationen, spricht immer wieder die Rezipienten seines Buches direkt an. Damit wird die Fülle an Fakten leichter verdaulich und das Buch lesbar. Zudem fasst er am Ende des Kapitels die Ergebnisse komprimiert zusammen und führt wie ein Reiseführer zum nächsten Kapitel über.
Der Mensch hat Freiheitsgrade
Der Autor begründet, dass der Mensch nicht nur Schaden anrichten kann, sondern auch in der Lage ist, darüber zu reflektieren. „Der Mensch hat Freiheitsgrade“, ist Gunther Mair überzeugt. Mit seinem Buch will er die wissenschaftliche Grundlage für eigenes Tun schaffen.
Dabei, so betont er, komme die Pandemie vielleicht sogar zur Hilfe, weil der Mensch, konfrontiert mit der Katastrophe vor der Haustür, sein Denken umstelle. Und wie kommt er vom Denken zum Handeln? Was hindert am Handeln? Gunther Mair bietet am Ende seines Buches eine Rezeptliste an, die wichtigste Aufforderung dabei ist, sich aus dem Autopiloten zu befreien.
Zum Weiterlesen: Vom Wissen zum Handeln