Das häusliche Glück

Das häusliche Glück. Gegen das Leiden durch Corona.

Vollständiger Haushaltungsunterricht nebst Anleitung zum Kochen für Arbeiterfrauen. Foto: Hannah Miska

Buchtipp von KulturVision e.V.

Am Ende des 19. Jahrhunderts, vor mehr als 140 Jahren wurde das erste Haushaltungs- und Kochbuch für Arbeiterfrauen herausgegeben – ein Hilfsbuch zur Ausbildung im Haushaltswesen, wie es für die Töchter der höheren Stände längst existierte. Das handliche Taschenbuch ist zugleich ein Ratgeber für alle Frauen zur Erlangung des häuslichen Glücks – eine lehrreiche und amüsante Lektüre, auch für Männer.

Seien wir mal ehrlich: So eine Pandemie hat ja auch was Gutes. Man ist einfach nicht mehr unter diesem Druck, irgendwo hingehen zu müssen. Kennen Sie das, diese Nachfragen von Bekannten? „Auf welche der 300 Veranstaltungen anlässlich des 250. Geburtstags von Hölderlin wirst du gehen?“ Ähh, hmmm… Oder: „Hast Du schon den Brecht in der Inszenierung von Soundso gesehen?“ Tja nein, also ich…

Das fällt jetzt alles weg, man kann einfach mal tun, wozu man Lust hat. Zum Beispiel mal wieder ein Buch lesen. Man ahnt ja gar nicht, welche Schätze sich da im eigenen Bücherschrank verbergen. Mir fiel dieser Tage „Das häusliche Glück“ in die Hände – vor ewig langen Jahren geschenkt bekommen und nie richtig gelesen. Das häusliche Glück? Das soll ja nun, wenn man den Soziologen glaubt, gerade in Gefahr sein – Sie wissen schon: wegen der Ausgangsbeschränkungen. Klare Sache also: Dies ist das richtige Buch zur richtigen Zeit.

Das häusliche Glück
Von der Besorgung der Wohnung, der Nahrung, der Kleidung und der Wäsche. Foto: Hannah Miska

Quelle des Glücks: die Tugenden

Um es gleich von vornherein zu sagen: Es gibt viele Mittel und Wege zum häuslichen Glück. Doch selbst die beste Hausfrau kann nichts ausrichten ohne den Besitz von bestimmten Tugenden. Kein Geringerer als ein Seelsorger richtet sich in einem Mahn- (statt Vor-)wort sogleich an „meine Tochter“: „Zeige dich niemals herrschsüchtig und anmaßend“, so schreibt er, denn das sei ein Lieblingsfehler der Frauen und ein Todfeind des häuslichen Friedens. (Schon klar.) Oder: „Ertrage die Fehler Deines Mannes mit Geduld!“, denn es könne doch wirklich leicht passieren, dass der sich einmal gegen die Frau vergisst. (Hmm, hmm.) Oder auch: „Halte dich still für dich, möglichst fern von geschwätzigen Freundinnen.“. Es folgen sieben weitere „nothwendige“ Tugenden und mein Mut sinkt: Die Hürden zum häuslichen Glück sind hoch. Doch der Pastor weckt Hoffnung: Was uns Frauen fehlt, können wir immer noch lernen. Ich atme auf.

Die liebe Ordnung

Wichtig scheint es bei allem Tun – sei es beim Reinigen oder Putzen, Bügeln oder Mangeln, Kochen, Flicken oder Stricken – dem Manne eine Freude zu machen. Denn lässt man „nur einen Theil des Hauswesens in Unordnung gerathen, dann ist es mit der guten Laune des Mannes aus“. Das will natürlich niemand, schon gar nicht eine liebende Ehefrau. Überhaupt hat die Ordnung einen großen Stellenwert. „Trägheit im Aufstehen“, so lerne ich, „bringt alle Tagesarbeit in Unordnung“. Ich stimme innerlich zu und beschließe, ab sofort morgens eine Stunde früher aufzustehen.

Das häusliche Glück
Jede freie Zeit sollte von der Hausfrau mit Stricken ausgefüllt werden. Foto: Hannah Miska

Das häusliche Glück und die Kleiderfrage

Mit Freuden stelle ich fest, dass es nicht nur Ratschläge zum Thema Haushalt gibt, sondern auch Tipps zu der Frage, die uns Frauen ja nahezu immer bewegt: „Was ziehe ich heute an?“ Schon damals gehörte die Besorgung der Kleidungsstücke „ zu den allernöthigsten Lebensbedürfnissen“ – na bitte. Allerdings, so lese ich, sollte die Kleidung standesgemäß sein (Arbeiterfrauen: bitte keine theueren Schaltücher, feine Hüte oder kostspielige Stiefelchen!) und die Hausfrau darf sich auch keineswegs von der Eitelkeit und Hoffart leiten lassen. Außerdem: „Den Leib zu schmücken, ist nicht der erste Zweck der Kleidung, sondern den Leib zu schützen.“ Aha. Im Geiste gehe ich meine Garderobe durch. Ist das Kleid, das ich mir gerade gekauft habe, vielleicht doch einen Tuck zu auffällig für eine schlichte Frau wie mich? Und hält es überhaupt warm genug in diesen kalten Märztagen? Das Buch regt zum Nachdenken an.

Das häusliche Glück bei Tisch

Nachdem man alles über die Zubereitung der Speisen gelernt hat (oberstes Gebot: Reinlichkeit der Küche und der Köchin!), über das nöthige Kochgeschirre (Eisen, Emaille, verzinntes Blech), das Benehmen bei Tische (gerade sitzen, Ellenbogen!) sowie die Unterhaltung bei Tische (bitte auch bei trüber Laune des Mannes gewandt und liebevoll plaudern!), wird man mit leckeren Kochrezepten belohnt: Biersuppe mit Milch, Häringskartoffeln, Hühnerragout für Kranke (Achtung: das Huhn sollte man unbedingt selbst schlachten: Gurgel halb durchschneiden, ausbluten lassen, noch warm rupfen). Das Buch bietet eine Fülle von neuen Ideen für den Mittagstisch.

Das häusliche Glück
Mittags-Mahlzeiten für 4 Erwachsene in sehr dürftigen Verhältnissen. Foto: Hannah Miska

Hülfsbuch in schweren Zeiten

Das Buch ist ein Kleinod. Zugegeben: Der Weg zum häuslichen Glück ist beschwerlich, denn „es ist für jede Frau eine schwere Aufgabe, ein ganzes Hauswesen allein, ohne Magd und doch gut zu besorgen“. Doch wenn man sich die praktischen Tipps und sittlichen Werte zu Herzen nimmt, kann man es – selbst ohne Magd – schaffen. Ein Ratgeber, der wie gerufen kommt in diesen Zeiten. Oder, liebe Hölderlin-Freunde, um es mit dem großen Meister zu sagen: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.

Lesetipp: Friedrich Hölderlin: Livestream und Buchverlosung

Richard Blank (Hrsg.). Das häusliche Glück. Vollständiger Anleitungsunterricht nebst Anleitung zum Kochen für Arbeiterfrauen. Rogner & Bernhard 1982. Gebraucht erhältlich ab 2,36 € im Onlinehandel.

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