Nationalsozialismus am Tegernsee - Führung durch die Rosenstraße

Leben zwischen Idyll und Ideologie

Zeitgeschehen an sechs Stationen in Tegernsee – mit Eckard von Zons und fünf weiteren Tegernseer Heimatführern unterwegs. Foto: Der Tegernsee

Stadtführung über die Zeit des Nationalsozialismus am Tegernsee

Anlässlich des Gedenkens an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren haben die Tegernseer Heimatführer eine neue Stadtführung entwickelt, auf der sie Gästen wie Einheimischen die Geschichte des Tegernseer Tals von den Anfängen des Nationalsozialismus in den 1920er Jahren bis zum Kriegsende 1945 nahebringen.

Nichts ist schwarz-weiß, auch nicht in dem Kapitel der Geschichte des Nationalsozialismus am Tegernsee. Das haben sechs Tegernseer Heimatführerinnen und Heimatführer in den vergangenen zwölf Monaten intensiver Recherche festgestellt. So ist es auch nicht ihr Anliegen, die Zeit und ihre Menschen zu bewerten. Sie möchten die Gäste der Führung dazu anregen, sich selbst ein Bild zu machen, was sich im Spannungsfeld zwischen landschaftlichem Idyll und der Ideologie der Nationalsozialisten zugetragen hat. Wie es den Menschen hier vor Ort erging, von den Einheimischen bis zu den „zuagroasten“ Künstlern und Schriftstellerinnen, von den Parteigrößen bis zu den Wittelsbachern.

Die Tour startet am schloss Tegernsee - Nationalsozialismus am Tegernsee
Von der ehemaligen Klosterkirche aus geht es zu fünf weiteren Stationen in Tegernsee. Foto: Der Tegernsee

Die Tour startet und endet vor der ehemaligen Klosterkirche, dem geistig-kulturellen Dreh- und Angelpunkt Tegernsees seit mehr als 1 250 Jahren, am Kardinalsbrunnen. Bereits während der Blütezeit des Benediktinerklosters und der späteren Sommerresidenz der Wittelsbacher hatte sich der Tegernsee zum Ort liberaler Weltoffenheit entwickelt. Zahlreiche Künstler ließen sich von der Landschaft inspirieren. Hochgestellte Persönlichkeiten aus Adel, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft mischen sich mit Einheimischen und Sommerfrischlern. Doch auch den Chefideologen der Nationalsozialisten gefiel das Idyll, sodass der Tegernsee nicht grundlos den Beinamen „Lago di Bonzo“ erhielt. Was trug sich vor Ort zu in jenen Jahren, die in den Orts- und Vereinschroniken bis heute überwiegend einen weißen Fleck enthalten?

Der Tegernsee in der Zeit des Nationalsozialismus

Schon in den frühen 1920er Jahren gründete sich die erste NSDAP-Ortsgruppe Deutschlands außerhalb Münchens am Ufer des Tegernsees. Adolf Hitler besuchte den See öfter privat, aber auch zu Propagandazwecken – mehrfach hielt er glühende Reden. Bald erwarben Heinrich Himmler und andere Funktionäre und Ideologen aus Hitlers Propaganda-Maschinerie Villen am See. Ab Mitte der 1930er Jahre erschwerte sich auch hier das Leben der Menschen, insbesondere jüdischer Abstammung. Es erhöhte sich der Druck des Regimes zur Gleichschaltung und Repression Andersdenkender.

Vom Röhm-Putsch bis zur Lazarettstadt

Mit dem Röhm-Putsch 1934, der auch als „Nacht der langen Messer“ in die Geschichte einging und die Zerschlagung der SA zur Folge hatte, wurde in Bad Wiessee das Ende des Rechtsstaates eingeläutet. Zunächst weit vom Kriegsgeschehen entfernt, wurde das Tegernseer Tal im Laufe des Zweiten Weltkrieges zu einem Zufluchtsort für Verwundete und Ausgebombte, zur Lazarettstadt und sicherem Ort der Kinderlandverschickung. Doch mit dem Ende des Krieges erreichten die Kampfhandlungen auch das völlig überfüllte Tegernseer Tal.

Thomas Tomaschek ist einer der sechs Tegernseer Heimatführer der Projektgruppe zum Thema Nationalsozialismus am Tegernsee
Thomas Tomaschek gehört zur Projektgruppe der Tegernseer Heimatführer, die zum Thema forschten. Foto: Der Tegernsee

Auf ihrem Spaziergang erzählen die Tegernseer Heimatführer an sechs Stationen vom Leben der Einheimischen und Feriengäste, von Tätern, Opfern, Mitläufern sowie von historisch bedeutsamen Ereignissen jener Zeit. Ausgehend vom landschaftlichen Idyll und der weltoffenen Stimmung vor dem Erstarken der Nationalsozialisten schlagen sie einen Bogen bis in die Gegenwart: „Damit sich die Geschichte nicht wiederholt“, so das Fazit am Ende der Führung.

Knapp ein Jahr lang dauerte die Recherche. Sie führte die Tegernseer Heimatführer unter anderem in die Gemeindearchive, ins Museum Tegernseer Tal, das Olaf Gulbransson Museum, nach München ins NS-Dokumentationszentrum, zum Dokumentationszentrum Obersalzberg nach Berchtesgaden und zu einem Netzwerktreffen ins Hotel Blyb.

Weiterlesen: Entartet und gottbegnadet – Führung im Olaf Gulbransson Museum Tegernsee

Regelmäßige Führungen der Reihe „Leben zwischen Idyll und Ideologie – Der Tegernsee in der Zeit des Nationalsozialismus“ finden von Mai bis Oktober statt. Gruppe- und Einzelführungen werden auf Nachfrage angeboten. Die erste Führung findet am 16. Mai statt. Weitere Termine: 20. Juni, 18. Juli, 15. August, 19. September, 24. Oktober und 21. November. Infos und Anmeldung finden Sie hier.

Lesetipp: Die jüdische Schriftstellerin Grete Weil – Tegernseer LiteraTour

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