
Die Kraft der künstlerischen Transformation
Kilian Bergmann mit seinem Mentor Dr. Jan Lauterbach. Foto: Robert Krause
Ausstellung in Bayrischzell
Kilian Bergmann studiert Kunstpädagogik an der Münchner Akademie der bildenden Künste. In seiner eigenen künstlerischen Arbeit geht er völlig neue Wege, kann er in keine Schublade gesteckt werden. Höchstens, man erfindet eine, auf der steht: „Objektkunst mit Anleihen bei Alltag, Natur und Wissenschaft“. Daraus zeigt er in der Treppenhausgalerie im Bayrischzeller Tannerhof seine erste größere Einzelausstellung.
EUOB nennt der Miesbacher diese Präsentation der besonderen Art, die mit den klassischen Genres der bildenden Kunst zunächst wenig gemein hat oder – aus einem anderen Blickwinkel gesehen – weit darüber hinausgeht. Tannerhof-Kulturchefin Micol Krause freute sich, bei der gut besuchten Vernissage, mit Kilian Bergmann nicht nur einen aufstrebenden ernstzunehmenden Künstler der jungen bis jüngsten Generation, sondern mit Dr. Jan Lauterbach auch seinen Kunsterzieher am Miesbacher Gymnasium und Lehrbeauftragten an der Akademie vorstellen zu dürfen.
„Greenhouse Debris“ 1 und 2 (Kniekissen, Wespennest, Kunststoff). Foto: RS
Der stellte seinem Schüler ein formidables Zeugnis aus. „Bereits in der 7. Klasse fiel er durch hohe Konzentration und detailreiches Arbeiten auf.“ Ihre Wege kreuzten sich wieder in höheren Klassen und schließlich begleitete er ihn in der Bewerbungsphase für die Akademie. „Er wurde sehr berechtigt akzeptiert“, meinte er. An der Hochschule kreuzten sich beider Wege erneut. Kilian Bergmann entwickelte sich weiter, experimentierte mit verschiedenen Materialien. Und schließlich schlug der Lehrmeister noch einen festen Pfahl ein in die blühende Wiese der kunsttheoretischen Diskussionen: „Kunst liefert keine Erklärungen, sondern weckt und hält Interesse aufrecht.“
Intensive Materialforschung als Basis
„Zunächst bildet eine intensive Materialforschung die Basis meiner künstlerischen Praxis“, erklärt Kilian Bergmann. Es erfolgt eine Transformation in komplexe Collagen oder raumgreifende Objekte, die Verbindungen zur Skulptur, zur Zeichnung oder zur Literatur aufweisen können. Für alle Fälle gibt es Beispiele in der Ausstellung. In den teils surreal anmutenden Assemblagen versucht er, die scheinbare Divergenz zwischen organischen Fundstücken und industriell gefertigten Formbauteilen zu überwinden. Paradebeispiele dafür und nebenbei noch Exemplare hoher Ästhetik: „Der Blob“ und „pur chèvre“
„Der Blob“ und „pur chèvre“. Fotos: RS
Das links abgebildete Werk besteht aus einem Gummibläser und einer Pommesgabel, das rechte aus zwei Ziegenmilchbechern und Teilen eines Wespennests, die auch in anderen Objekten immer wieder eine Rolle spielen. Weitere Fundstücke sind etwa: Eierkartons, aus denen der 25-Jährige eine mannshohe Skulptur bildete, eine Semmel, Besteck, Langlaufski, Glasdachziegel, Diamagazine und mehr.
Im Mittelpunkt der Ausstellung: die Streuobstwiese
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die StrEUOBstwiese als Gegenentwurf zu intensiv bewirtschafteten Monokulturen und als gelungenes Zusammenspiel von Natur und Kultur.
V.L.: „KLEE“, „NNN“, „EUOB Rex“ (Linoldruck, Bleistift) Foto: RS
Zum Erklären der relativ komplexen und komplizierten Zusammenhänge sei der Künstler selbst zitiert: „Streuobstwiesen sind extensiv genutzte Weideflächen, auf denen verschiedene Obstbäume in relativ großem Abstand zueinander angepflanzt werden. Sie sind ein Gegenentwurf zu intensiv bewirtschafteten Monokulturen und gelten als gelungenes Zusammenspiel von Natur und Kultur. Der Versuch, dieses komplexe Gefüge zu systematisieren und zu verstehen, lässt uns immer wieder stolpern. Wir denken in Mengen, Flächen und Radien, wir veredeln und destillieren und bemerken dabei nicht, wie sich all die Vorgänge und Wesen immer wieder verselbständigen, sich neue Charaktere entwickeln und sie ihre eigenen Choreographien aufführen.“
Die Ausstellung zeigt Fragmente einer solchen Systematisierung und manchmal ist da einfach irgendwo der Wurm drin. Oder ist es eine Wespe … ?
„EUOB“ und „current oxidation“ (mixed media). Fotos: RS
Wer versuchen will, sich diesen Fragen zu öffnen oder einfach nur gute, originell, teilweise auch witzige Kunst sehen will, kann das noch täglich von 10 bis 18 Uhr bis zum 31. Mai 25 in der Galerie im Treppenhaus 1967 im Naturhotel Tannerhof tun.
Zum Weiterlesen: Wendelstein, Wandelstein