Kuh

Die Kuh: Von der Klimakillerin zur Klimaktivistin

Beim Wort Methan denken viele erstmal an die Kuh. Dass dies nichts mit der Realität zu tun hat, erläuterte Journalist und Buchautor Florian Schwinn kürzlich in Waakirchen. Foto: Daniela Skodacek

Buchvorstellung mit Bildervortrag in Waakirchen

Im Miesbacher Oberland sieht man dieses Bild – zum Glück – noch vielerorts: Kühe stehen auf der Weide. Sobald die Witterung es zulässt. Und das ist auch gut so. Denn dort auf der Weide kann die Kuh drei Krisen bekämpfen: die Klimakrise, die Bodenkrise und die Biodiversitätskrise. Auch wenn die Rindviecher Methan rülpsen und pupsen. Das und vieles mehr ist es, was der Wissenschaftsjournalist und Autor Florian Schwinn in seinem Buch „Die Klima Kuh“ fundiert erläutert. Kürzlich hat er es in Waakirchen vorgestellt.

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Rund 50 interessierte Gäste – darunter Verbraucher wie Landwirte – besuchten die Veranstaltung in der Schulaula, die vom Waakirchner Wos Guads vor Ort e.V. organisiert wurde. Foto: Daniela Skodacek

Florian Schwinn wirft darin einen unkonventionellen, aufklärenden Blick auf die Rolle der Kuh in unserer Gesellschaft und unserer Umwelt. Im Rahmen des „Klimafrühling Oberland“ stellte der Hamburger Autor und Radiomacher sein neuestes Sachbuch in der Waakirchner Grundschulaula vor. Eingeladen dazu hatte ihn der gemeinnützige Waakirchner Verein Wos Guads vor Ort, der die Besucher zudem mit regionaler Quiche verköstigte und auch einen Getränke-Ausschank organisiert hatte. Die fachkundige Moderation des Abends übernahm Rüdiger Obermaier von der Zivilcourage Miesbach, vielen bekannt als langjähriger Ausbilder im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Die Kuh wird oft als Klimakiller abgestempelt, aufgrund der Methanemissionen und des hohen Wasserverbrauchs in der Rindfleischproduktion. In seinem Buch hinterfragt Florian Schwinn diese gängigen Narrative und zeigt auf, wie Rinder tatsächlich einen Beitrag zur Lösung der Klimakrise leisten können. „Wenn wir das Wort Methan hören, also das böse Klimagas Methan, denken alle Leute erstmal an die Kuh. Nicht daran, dass vielleicht Erdgas das Problem sein könnte oder Fracking oder die Erdölindustrie. Nein, es muss die Landwirtschaft sein – die Kuh. Und das hat mich doch sehr genervt, weil es mit der Realität nichts zu tun hat“, sagt Florian Schwinn. So genervt, dass er recherchiert hat. Und er hat sich gefragt, wer eigentlich Interesse daran hat, dass wir das glauben. „Daraus ist eben ein ganzes Buch geworden.“ Seine Recherchen zeigen unter anderem auf, dass die Klimaentwicklung nicht allein auf die Landwirtschaft zurückzuführen ist. Über den Boden und die Beziehung zwischen Tieren und Menschen hat er ebenfalls schon Bücher veröffentlicht. Alle sind sie im Westend Verlag erschienen.

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Florian Schwinn, Autor und Radiomacher, präsentierte sein neuestes Sachbuch „Die Klima-Kuh“ mit einem reich bebilderten Vortrag. Foto: Daniela Skodacek

Dem Publikum in Waakirchen, das aus Verbrauchern und etlichen Landwirten bestand, bot der Autor keine klassische Lesung, sondern einen kurzweiligen, bebilderten Vortrag, der mit etlichen Forschungsergebnissen, Vergleichsstatistiken und Zahlen beeindruckte. Vor allem seine Recherchen rund um Methankurven & Co. gaben erhellende Einsichten in die Materie. Florian Schwinn hatte zudem zahlreiche Beispiele offener Weidehaltungsprojekte aus ganz Deutschland parat.

Dass bei uns hier im Oberland noch viele Kühe auf der Weide stehen, ließ den Autor offensichtlich nicht unberührt. Am Vortag der Veranstaltung hatte ihm der Verein Wos Guads vor Ort einige lokale Bauernhöfe und tags drauf die Naturkäserei TegernseerLand gezeigt. „Deshalb habe ich jetzt ein bisschen den Eindruck, ich trage Eulen nach Athen. Oder Kühe auf die Weide. (…) Aber wenn ihr euch hier umschaut und von hier mal wegfahrt, dann werdet ihr keine Kühe mehr auf der Weide sehen. Oder fast keine. Denn es gibt einen völlig anderen Trend in Deutschland.“


Flora und Fauna können vom Fladen der Weidenkuh nur profitieren. Auch das zeigte Schwinn detailreich auf. Foto: Daniela Skodacek

Ganz wichtig auf der Weide ist auch der Fladen der Kühe, der ein Nukleus für neues vielfältiges Leben sein kann, führte Florian Schwinn aus. „In einem einzigen Kuhfladen sind schon 4000 Insektenindividuen gefunden worden.“ Pro Weidekuh entstehen jährlich 120 Kilo Insekten, diese wiederum ernähren dann 15 Kilo Vögel oder Frösche, erklärte der Autor. Und das Bodenleben profitiere auch von dem Kuhfladen. Ohnehin rege das Weiderind beim Fressen das Gras zum Wachsen und Wurzeln an und verbessere damit die Humusbildung im Boden.

Schließlich gelang Florian Schwinn der Schwenk zum Thema Ernährung. Denn eine weitere Botschaft sollte mit der Buchvorstellung rüber kommen: Fleisch essen ist nicht per se schlecht. „Mit Kühen das Klima, Boden und Biodiversität retten – das bedeutet auch, dass es etwas teurer wird und dass die zukunftsfähige Landwirtschaft nicht vegan ist.“ Was nicht heiße, dass Leute nicht Veganer werden oder bleiben sollten, wenn sie das möchten. „Nur sollten die unter uns, die das nicht wollen, auch die Lebensmittel essen, die von den Weiden kommen, mit denen wir die Krisen dann bekämpfen durch die Weidehaltung.“ Die Verbraucher sollten vielleicht weniger Fleisch, dafür aber exzellentes Fleisch von Weidekühen konsumieren oder die Milch oder Käse, den Joghurt, die Butter von Weidekühen verzehren, meint Schwinn.


Nach dem Vortrag, fachkundig moderiert von Rüdiger Obermaier (Zivilcourage, li. Im Bild), kamen Autor, Moderator und Publikum in eine angeregte Diskussion. Foto: Daniela Skodacek

Mit dem Gezwitscher des Ortolans, der Beethoven zu seiner Fünften inspiriert haben soll, schloss Florian Schwinn seinen Bildervortrag und bekam viel Applaus aus dem Auditorium. Anschließend entstand eine kurze, angeregte Diskussion zwischen Publikum, Autor und Rüdiger Obermaier. Unter anderem thematisiert wurden Ackerbau, Laufstall- und Kombihaltung sowie politische Entscheidungen. Am Büchertisch konnten die Besucher schließlich weitere Gespräche mit dem Autor führen. Und man darf gespannt sein: Seine neuesten Erfahrungen und Beobachtungen hier im Oberland möchte Florian Schwinn auf alle Fälle in seinen Podcast „Führerschein für Einkaufswagen“ verpacken, der monatlich auf seiner Website zusammen mit einem Blog erscheint.

Über den Autor:


Autor Florian Schwinn. Foto: privat

Florian Schwinn, 1954 in Frankfurt am Main geboren, ist Journalist, Radiomoderator und Autor. Er lebt derzeit in Hamburg und Nordfriesland und ist seit jeher im Umweltschutz aktiv. Schwinn studierte Germanistik und Politikwissenschaften und war ab 1981 ständiger freier Mitarbeiter des Hessischen Rundfunks. Dort moderierte er u.a. die Sendung „Der Tag“ für die er mehrere Auszeichnungen erhielt. Außerdem schreibt und produziert Florian Schwinn häufig Radio-Features zu Umwelt- und Energiepolitik, Klimaschutz und Landwirtschaft und hat bereits mehrere Sachbücher geschrieben. Seit 2021 erscheint auf seiner Website sein Blog und monatlicher Podcast „Führerschein für Einkaufswagen“ mit Hintergrundwissen zu bewusstem Konsum.


Cover

„Die Klima Kuh – von der Umweltsünderin zur Weltenretterin“, Erschienen im Januar 2024, 256 Seiten, Westend Verlag, ISBN 9783864894213, 24,00 €

Der Verein Wos Guads vor Ort, gegründet 2021 in Waakirchen, unterstützt die Ideen aus Florian Schwinns Buch, indem er den Dialog zwischen lokalen Landwirten und Verbrauchern fördert und diese über die Herkunft ihrer Lebensmittel informiert. Durch Veranstaltungen wie diese sollen die Menschen dazu ermutigt werden, bewusstere Kaufentscheidungen zu treffen und ihre heimische Landwirtschaft zu unterstützen. Die Mitglieder sehen sich als Regionalverliebte und Heimatentdecker.

Veranstaltungstipp:

Was hat die Kuh mit dem Klima zu tun? 03.05.2024 | Demeter Betrieb Hairerhof, Hairer 1, 83627 Warngau – Wall | 14.00 – 17.00 Uhr. Eine Veranstaltung der Öko-Modellregion Miesbacher Oberland im Rahmen des Klimafrühlings der Energiewende Oberland.

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