Das Kreuz in der Abendsonne

Ted Neeley (Jesus) im Kreise seiner Noch-Anhänger. Foto: KN

Film in Holzkirchen

Nachdem im Jahr 1972 das Musical oder die Rockoper um die letzten sieben Tage von Jesus von Nazareth uraufgeführt wurde, kam schon 1973 der Film heraus. Als bestes Musical aller Zeiten wird das Werk von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice immer wieder bezeichnet. In der Tat, die Musik ist großartig, die Texte berühren. Das Werk löste aber auch immer wieder kontroverse Debatten aus, da es den Fokus auf den Konflikt zwischen Judas und Jesus legt und die Liebesbeziehung von Jeus zu Maria Magdalena thematisiert.

Beim Film, den die Holzkirchner am Mittwoch Abend in der Reihe „Play it again“ im Foolskino erleben durften, kommt eine weitere Komponente hinzu. Es ist eben kein Historienfilm, sondern die moderne Adaption, in der sogar Panzer rollen, Drohnen eingesetzt sind und die Häscher Maschinengewehre haben. Das löst natürlich in unserer Zeit besondere Assoziationen an diesem Karfreitag aus.

Ekstatischer Judas

Aber bleiben wir bei der größten Geschichte des Christentums. Regisseur Norman Jewison verstand es, fantastische Bilder in der menschenleeren Wüste zu inszenieren, in der nur antike Ruinen und der Olivenhain Gethsemane die Kulisse bilden. Die Botschaft des Nazareners von Frieden und Liebe trifft auf die ähnliche Botschaft der Hippiebewegung. Ted Neeley ist ein zurückhaltender Messias, anfangs etwas blass, aber zunehmend emotional bewegend, insbesondere wenn er an sich, seiner Mission und an seinem Vater zweifelt. Zur eigentlichen Hauptfigur wird Judas Ischariot, von Carl Anderson ekstatisch und authentisch in seiner Verzweiflung wieder gegeben.

Wie Rabenvögel flattern die schwarz gekleideten Hohepriester auf einem Gerüst umher und beschwören: „He is dangerous“, fantastisch die Stimme des Kaiphas (Bob Bingham) in ihren allertiefsten Tönen. Eine begeisterte Menge mit Palmwedeln begleitet Jesus bei seinem Einzug in die Ruinenstadt. Dieselbe Menge wird später „Crucify him!“ fordern. Dieser Wechsel der Stimmung macht immer wieder besonders betroffen, weil er an Aktualität nicht zu überbieten ist.

Rebell Jesu

Eine überbordernde Szene ist das Markttreiben, bei dem Prostituierte, Dollarscheine, Ansichtskarten, ein Money Changer auftauchen und der Rebell Jesus alles kurz und klein schlägt. Und gleich danach die aus ihren Löchern kriechenden Aussätzigen liebevoll umarmt.

Das letzte Abendmahl findet unter Bäumen statt und durch eingeblendete Bilder der Kreuzigung wird klar, dass Jesus Abschied nimmt und gleichzeitig zweifelt und verzweifelt. Jetzt, nach seiner Verhaftung, die Judas mit dem Bruderkuss auslöst, kommt die dekadente römische Gesellschaft unter König Herodes ins Spiel: Ein Swimmingpool in der Wüste, ein fetter Charleston tanzender Monarch mit seinen Gespielinnen.

Letztlich will keiner, insbesonder nicht Pontius Pilatus, Roms Statthalter, die Verantwortung für die Verurteilung übernehmen. Aber die Menge fordert seinen Tod. Die Kreuzigungsszene mit den Sieben letzten Worten ist im Film kurz und unsentimental dargestellt, mit fantastischen Aufnahmen der Szene ist die Passion beendet. Und damit auch das, was die jungen Menschen in der Wüste aufgeführt haben. Sie steigen in den Bus, Judasdarsteller Anderson als letzter.

Was bleibt? Das Kreuz in der Abendsonne, ein Hirte mit seinen Schafen und stille, bewegte Zuschauer, die viele Fragen mit nach Hause nehmen.

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