Frauen im Landkreis Miesbach - Redaktionsteam beim "Erscheinungsfest"

Wenn Frauen sich vernetzen

Das Redaktions- und Autorenteam der 43. Ausgabe der KulturBegegnungen. Foto: Corinna Schneider

Zeitungsfest in Warngau

Das Erscheinungsfest zur 43. Ausgabe der KulturBegegnungen am vergangenen Montag war vor allem ein Netzwerktreffen engagierter Frauen im  Landkreis Miesbach – quer durch alle Kulturgenres und Altersschichten.

„Wenn wir schon miteinander ein halbes Jahr im Landkreis herumliegen, wäre doch schön, wenn wir uns kennen würden!“ Dieser Wunsch einer jungen Landkreiskünstlerin war vor einigen Jahren der Startschuss zu den sogenannten „Erscheinungsfesten“, mit denen KulturVision jeweils die neueste Ausgabe der Landkreiskulturzeitung feiert. Zur Feier werden alle Protagonisten und Interviewpartnerinnen eingeladen – bei der 43. Ausgabe sind das ausschließlich Frauen, denn: „Frauen“ ist das Titelthema.

Erscheinungsfeste sind Netzwerkfeste. Und nicht selten entstanden dabei in der Vergangenheit neue Ideen, Kooperationen, wurden Synergien gebündelt, Freundschaften geschlossen – ganz im Wortsinn von Kultur-Begegnungen. Angeregt von Isabella Krobischs Veranstaltungsschwerpunkt im Waitzinger Keller in diesem Jahr, der sich starken Frauen widmet, griff KulturVision das Thema mit Freude auf.

Frauen im Landkreis Miesbach

Was macht das Frausein im Landkreis aus? Womit beschäftigen sich Frauen, woher nehmen sie Inspiration, Kraft und Leidenschaft? Was motiviert sie und – vielleicht – was blockiert sie? „Die Ausgabe hätte noch viel umfangreicher ausfallen müssen, räumte Monika Ziegler ein. Es sei jedoch gelungen, im Titeltext gleich 17 Frauen zu Wort kommen zu lassen. In ihren Statements sei viel Versöhnung mit der Frauenrolle herauszulesen gewesen, so die Vorsitzende von Kulturvision. Sie zitierte dabei die drei Schlüsselworte aus dem Statement Elisabeth Neuhäuslers: Selbstbewusstsein, Ehrlichkeit und Diplomatie … brächten die Frauen elegant auf Augenhöhe mit den Männern.

Frauen im Landkreis Miesbach: Zwei Künstlerinnengruppen treffen aufeinander: Frauenzimmer und Females
Vertreterinnen zweier Künstlerinnengruppen treffen aufeinander: „Frauenzimmer “ und „Females“. Foto: Petra Kurbjuhn

Dann kamen die Frauen an diesem Abend selbst noch einmal zu Wort – und danach blieb noch Zeit zum Kennenlernen und Austauschen, Netzwerken und Kunst anschauen. Pfarrerin Ulrike Lorentz wünschte sich beispielsweise, dass Frauen noch mehr gehört werden und ihre Art einbringen, auch in der protestantischen Kirche. Gesamtgesellschaftlich betrachtet, sorge sie eine deutliche Rückentwicklung.

Übergabe an die Jungen

Mit einem positiven Beispiel des Vorwärtsgehens junger Frauen lenkte Künstlerin Ekaterina Zacharova den Blick nach Gmund. Dort ist die Organisation der gmundart aus den Händen der Gründerväter in die von jungen Frauen – und zwar Enkeltochter und Schwiegertochter – übergegangen. Künstlerin Uschi Fitz sträubt sich gegen eine Mann-Frau-Gegenüberstellung. Besser sei immer „auf Augenhöhe“. Sie steht ihren Mann bei der Schwerstarbeit der Glasschmelze und des Bronzegusses, die vornehmlich Männerarbeiten sind – und wird von ihrem Mann darin bestärkt. Regisseurin Steffi Beier stellte, auf die Bühnenarbeit blickend, klar: „Nur Frauen, das würde nicht funktionieren – wir brauchen das Miteinander.“

Junge Frauen im Landkreis Miesbach: Anna Colombi
Auch die Jugend kam zu Wort – die 17-jährige Anna Colombi las aus ihrem Roman. Foto: Petra Kurbjuhn

„Wir müssen uns einfach durchsetzen“, meinte Schauspielerin Claudia Golling, die sich kritisch mit der Familiengeschichte auseinandersetzte. „Ich bin ich“ ist ihr Porträt in der Zeitschrift betitelt – ein Satz, mit dem sie sich vom Schauspieler-Vater freimachte. Auf der einen Seite stand der in den 1920er und 30er Jahren gefeierte Kinostar, der während des NS-Regimes zum Profiteur wurde, auf der anderen die jüdische Urgroßmutter aus Ungarn, in deren Linie sie aus Angst vor Verfolgung immer gewarnt wurde: Erwähne die jüdische Herkunft nie! Nachdem sie einen Roman über die Vorfahrin geschrieben hatte, bot ihr der deutsch-israelische Regisseur Noam Brusilovsky am Resi in München eine Rolle im Stück „Mitläufer – ein Rechercheprojekt“ an – die Aufarbeitung der Vergangenheit ihres Vaters und damit auch ihrer eigenen.

Grete Weil Skulptur für Rottach

Geht Claudia Golling in ihrem Wohnort Rottach-Egern spazieren, trifft sie auf Spuren von Grete Weil. Dass diese Lebensspuren überhaupt sichtbar sind, ist der Literaturwissenschaftlerin Ingvild Richardsen zu verdanken. Sie entwickelte eine LiteraTour zum Leben und Werk der jüdischen Schriftstellerin, die den Holocaust in einem Amsterdamer Versteck überlebte und sich im Widerstand gegen die Nazis engagierte, nachdem ihr Mann im KZ Mauthausen ermordet wurde. Dass eine Grete-Weil-Skulptur einen Platz neben den vielen männlichen Künstler-Skulpturen in Rottach-Egern bekommt, ist Ingvild Richardsens größter Wunsch.

Lisa Hilbich
Engagierte Frauen im Landkreis Miesbach: Lisa Hilbich gründete die Geschichtswerkstatt Miesbach. Foto: Petra Kurbjuhn

Dass es alles andere als einfach ist, sich für die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus zu engagieren, hat Journalistin und Politikwissenschaftlerin Lisa Hilbich erlebt, als ihr Antrag auf Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus in Miesbach abgelehnt wurde. „Dann machen wir es selbst“, war ihre couragierte Reaktion darauf, die sie zur Gründung der Geschichtswerkstatt Miesbach führte. Mit der viel beachteten Gedenkveranstaltung „Auftakt des Terrors“ gedachten sie der ersten deportierten Miesbacher nach Dachau im Jahr 1933. Sie betonte: „Hinter all diesen Männerschicksalen stehen auch Frauenschicksale.“ Lisa Hilbich engagiert sich dafür, dass der Landkreis seine Geschichte des Nationalsozialismus erforscht.

Frauen hatten nichts zu sagen

An den Miesbachern fast verzweifelt wäre vor 30 Jahren die heutige Leiterin des Waitzinger Kellers in Miesbach, Isabella Krobisch: „Damals hatten Frauen einfach nichts zu sagen“, erinnert sie sich. Doch das wollte sie nicht so hinnehmen und begründete engagiert das Frauenforum Miesbach. Seither hätten sie gemeinsam mit weiteren hoch motivierten Frauen „alles gemacht, was der Stadt fehlt, was Frauen können und ihnen wichtig ist“. Das ist bis heute so. Auch im Waitzinger Keller steht die Frauenförderung weiterhin im Mittelpunkt.

Uschi Laar
Harfenistin Uschi Laar organisierte jahrelang das Süddeutsche Harfenfestival in Miesbach. Foto: Petra Kurbjuhn

Schönes, buntes Leben

Harfenistin Uschi Laar berichtete von einer erschütternden Wahrnehmung auf der ersten Indienreise: „Im deutschsprachigen Raum wurde man als Musikerin nicht anders behandelt als ein Musiker, aber das ist nicht überall auf der Welt selbstverständlich.“ Sie blickt dankbar auf ihr „schönes, buntes Leben“ zurück und möchte ihre Musik dorthin weitergeben, wo Kunst wichtig und nicht selbstverständlich ist, beispielsweise in Krankenhäusern. Mit einer feurigen Bossa Nova auf der Harfe ließ sie ihre Lebensfreude und Power unter die Frauen des Erscheinungsfestes fließen.

Magdalena Salchegger spielt auf der Steirischen
Magdalena Salchegger spielt auf der Steirischen. Foto: Petra Kurbjuhn

Davon, welche Kraft und Lebensfreude Musik zu schenken vermag, überzeugte auch die junge Musikerin Magdalena Salchegger, die mit ihren 18 Jahren bereits sieben Instrumente spielt. Virtuos und leidenschaftlich ließ sie ihr Hauptinstrument, die Steirische, erklingen. Wie viel Power in der Jugend steckt, die keineswegs nur am Handy unterwegs ist, sondern ausgesprochen kreativ, bewiesen auch Ana-Barbara Kellerer alias Ana-B und Anna Colombi: erstere anhand ihres Talentes und der Leidenschaft zur Malerei, die zweite mit einer kurzen Lesung aus ihrem Fantasy-Roman „Time Creatures“.

Wertschätzung und Inspiration

Weil es üblich ist, zu den Erscheinungsfesten Kunst vorzustellen, darüber zu sprechen oder sie vorzuführen, hatten die beiden Künstlerinnengruppen „Females“ und „Frauenzimmer“ auch Bilder dabei – und einen Baumwels. Ja, richtig, einen Fisch – aufgebaut in der Technik der „Nanas“, mit denen die „Frauenzimmer“ zuletzt eine Ausstellung bestritten. Danach befragt, was sie als Gruppe(n) zusammenhält, antworteten die Künstlerinnen: Wertschätzung, Inspiration, gemeinsame Ausstellungen – und sich gegenseitig zu unterstützen, bei aller Unterschiedlichkeit.

Engegierte Frauen im Landkreis Miesbach: Angelika Hubner und Anschi Hacklinger sind ein kongeniales Duo in Sachen Nachhaltigkeit
Angelika Hubner und Anschi Hacklinger sind ein kongeniales Duo in Sachen Nachhaltigkeit. Foto: Petra Kurbjuhn

Von gegenseitiger Inspiration und Unterstützung profitieren auch Musikerin Anschi Hacklinger und Kostümbildnerin Angelika Hubner. Beiden liegt das Thema Nachhaltigkeit am Herzen, beide sprudeln vor Ideen und so entstehen immer wieder spannende gemeinsame Projekte – quasi Ideensprudeln in Potenz. Hierin sind sie sich einig: dass Rollenbilder störend sind und es viel leichter wäre, wenn man nicht Mann-Frau thematisierte: „Aber leider ist es oft noch nötig.“

Und wenn der Satz sogar noch immer bei uns in Mitteleuropa fällt, ist noch ein Blick nötig dorthin, wo junge Frauen mit ungesicherten 40 Kilogramm schweren Lasten auf dem Rücken ihre Familien ernähren müssen: In Nepal, wo die Sir Edmund Hillary Stiftung, die Ingrid Versen vor 35 Jahren in Bad Wiessee gründete, jungen Frauen Bildung ermöglicht und damit Unabhängigkeit. „Da werde ich demütig, diesen jungen Frauen zolle ich meinen Respekt!“, sagt sie, „ich habe ‚nur‘ die sich mir bietenden Chancen genutzt“. Nicht nur, wie in dem Porträt der engagierten Journalistin nachzulesen ist. Man hat immer die Chance, etwas zu bewegen, auch für andere. Gerade hat die Hillary Stiftung Deutschland das 24. Studium für eine junge Sherpanin genehmigt.

Netzwerken mit Baumwels: Barbara Bertram von der Künstlerinnengruppe "Frauenzimmer"
Netzwerken mit Baumwels: Barbara Bertram von der Künstlerinnengruppe „Frauenzimmer“. Foto: Ines Wagner

Frauen im Landkreis Miesbach sichtbar

Die 43. Ausgabe der KulturBegegnungen liegt nun im Landkreis aus: in den Rathäusern, Tourist- Informationen, bei Kulturpartnern und in Zeitungskästen. 24 Seiten über Frauenpersönlichkeiten im Landkreis Miesbach und darüber hinaus. Frauen, die für ihre Themen und Bereiche brennen, die sich selbst ermächtigt haben, die sich gegenseitig unterstützen und auf Augenhöhe mit Männern agieren. Selbstverständlich, sollte man meinen. Aber noch gibt es viel Luft nach oben. Auch in unserer Gesellschaft. Gerade in unserer Zeit.

Weiterlesen: Frauen im Landkreis Miesbach – die 43. Ausgabe im Überblick

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