„Wenn nicht wer du“

Marcus H. Rosenmüller, Gerd Baumann: reichlich schräge Gedichte. Foto: Ines Wagner

Konzert mit Lesung in Miesbach

Was haben Gräber, Würmer, Schafe und Astronauten gemein? Nun, sie stehen in der wilden Themensammlung von Dreiviertelblut, Marcus H. Rosenmüller und Gerd Baumann ganz vorn auf der Liste. Der Hang zum Fabulieren auch.

Sie sind unschlagbar in ihren immer neuen gemeinsamen Ideen und Projekten: Regisseur Marcus H. Rosenmüller, Filmmusiker Gerd Baumann und die Bananafishbones – man kennt sie als überzeugendes Dreigestirn auf dem Nockherberg. Und weil die Chemie derart stimmig war, sind gleich weitere Projekte daraus entstanden. Zwei Drittel der Bananafishbones, nämlich Sänger Sebastian Horn und Schlagzeuger Florian Rein, stecken in Dreiviertelblut. Die siebenköpfige Band haben Gerd Baumann und Sebastian Horn nach einem erfolgreichen Krimisoundtrack-Projekt aus der Wiege gehoben. Auf die CD „Lieder vom Unterholz“ folgten die „Finsterlieder“, von ihren Fans heiß erwartet und umjubelt, so wie gestern im restlos ausverkauften Waitzinger Keller in Miesbach.

Dreiviertelblut auf der Bühne: Benny Schäfer, Dominic Glöbl, Florian Rein, Sebastian Horn (v.l.).
Benny Schäfer, Dominic Glöbl, Florian Rein, Sebastian Horn (v.l.). Foto: Ines Wagner

Erst recht ausverkauft natürlich, weil Markus H. Rosenmüller seine Hände mit im Spiel hatte, im Heimspiel sozusagen. Rosenmüller las gemeinsam mit Gerd Baumann – Gedichte. Ach was, las – er fabulierte vielmehr, galoppierte in Worten, in Reimen, in Geschichten. „Wenn nicht wer du“ heißt ihr gemeinsamer Gedichte-Lieder-Geschichten-Band, aus dem sie sich abwechselnd die Zwei-, Vier- und Mehrzeiler um die Ohren ping-pongten, dass es nur so hin und her ging.

Einen derart kurzweiligen Abend über mehr als drei Stunden hat man selten erlebt, nicht eine Millisekunde nur war es etwa flach, lau oder fad. Im Gegenteil, es war ein Feuerwerk aus spritzigen, ernsten, albernen, nachdenklichen, schwerelosen, finsteren und heiteren Gedanken, Gedichten und Liedern.

Chillend am Neusiedler See

Der Neusiedler See spielt eine nicht unbedeutende Rolle, sollte man ihnen Glauben schenken, ein Ponyhof ohne Ponys, ein Gondoliere unterm Eiffelturm, das Astronautenprogramm Sloweniens. Liebesgedichte an Verflossene, an Rosenmüllers Mama, Grabsteininschriften, Vierzeiler über Schafe. Es war ein rauschhaftes, ein in-den-Rausch-Lesen, was beide auf der Bühne betrieben, voller Lebenslust und schrägem Humor.

Dreiviertelblut: Florian Rein, Florian Riedl, Luke Cyrus Goetze, Dominic Glöbl, Gerd Baumann, Sebastian Horn, Benny Schäfer (v.l.).
Dreiviertelblut: Florian Rein, Florian Riedl, Luke Cyrus Goetze, Dominic Glöbl, Gerd Baumann, Sebastian Horn, Benny Schäfer (v.l.). Foto: KN

Dreiviertelbluts „Finsterlieder“ sind finster, ja zuweilen, aber nicht nur, sondern immer auch schräg, geprägt von Sebastian Horns krudem Humor. Tiefgründig und zugleich lebensbejahend sind die Texte, getragen von Horns tiefer, markige Stimme, die den Zuhörern unter die Haut ging, und träumerisch, poetisch erklang auch Gerd Baumanns Stimme in dem schönen Stück „Weck mi ned auf“.

Volltönend und weich schwangen die Saiten des Kontrabasses unter den Händen von Benny Schäfer, stimmte Florian Riedl mit der Bassklarinette ein, getragen von den Trompetenklängen Dominic Glöbls. Luke Cyrus Goetze rundete den Sound mit Gitarre, Lapsteel und Dobro ab und Florian Rein am Schlagzeug nahm schon auch mal die Posaune zur Hand. Hochkarätige Musiker hat Filmmusiker Gerd Baumann da um sich versammelt, damit Dreiviertelblut vielschichtig, düster und zugleich groovig klingt. Denn die Finsterlieder, das sind eigentlich Freudenlieder an die Liebe und das Leben. Das Konzert samt Lesung gestern war eine Hymne, ein Freudenfest.

„Big-a-dog, big-a-bite“

Am Ende, selbst nach drei Stunden konnte man noch immer nicht genug davon bekommen, aus dieser traumgleichen Mischung aus Finsterliedern und Gedichte-Geschichten, die den Sinn des Lebens im Kleinen und Großen hinterfragten. Aber einmal musste Schluss sein und da sangen dann alle gemeinsam: die sieben Dreiviertelblüter, Marcus H. Rosenmüller und das Publikum, das sich inzwischen in Euphorie geklatscht hatte – „Big-a-dog, big-a-bite“ aus dem Soundtrack von „Wer früher stirbt ist länger tot“ von Marcus H. Rosenmüller aus dem Jahr 2006 – als alles begann.

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