Denkbar ist alles
Kunstausstellung Bayrischzell im Katholischen Pfarrzentrum St. Margareth. Foto: Hannah Miska
Kunstausstellung Bayrischzell
1952 wurde sie das erste Mal veranstaltet: Die Kunstausstellung Bayrischzell. Heuer findet sie zum 68. Mal statt. Ein Besuch.
Man erwartet ein Provisorium. Nachdem die Schule, in der die Ausstellung normalerweise beheimatet ist, momentan saniert wird, mussten die Veranstalter in den Saal des Katholischen Pfarrzentrums St. Margareth ausweichen. Von Provisorium jedoch keine Spur. Im Gegenteil: Der Raum mit seinem Spitzdach und der Balkenkonstruktion scheint wie geschaffen zu sein, um Kunst darin zu zeigen — die Ausstellung atmet Licht und Luft. Außerdem kommt sie klar strukturiert daher und wartet mit einer professionellen, stimmigen Hängung auf: Ein dicker Applaus für die neuen Organisatoren Marica Doll und Burkhard Niesel.
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Jurierte Ausstellung
Was aber haben die Juroren Dr. Monika Ziegler und Kunsthistoriker Dietmar H. Kroepel einjuriert, was präsentieren sie? Geschickt haben sie drei großformatige Bilder von der aus Thüringen stammenden und in Grafrath lebenden Künstlerin Gitte Berner-Lietzau im Eingang platziert, die ein wahrer Hingucker sind. „Tolle Ausstellung“, denkt man schon jetzt, und in der Tat zeigt die 68. Schau keinerlei Zeichen von Altersschwäche.
„Unverwüstlich“ und „Zwischen Sehnen und Suchen“ von Gitte Berner-Lietzau. Foto: Hannah Miska
Frisches Blut und Experimentierfreude
Burkhard Niesel hatte „frisches Blut“ versprochen und so stammen mehr als die Hälfte der Exponate tatsächlich von Künstlern, die außerhalb des Landkreises wohnen. Auffällig ist, dass realistische Kunst unterrepräsentiert ist und man fragt sich: Bildet das die Neigung der Juroren ab oder beschäftigen sich die meisten zeitgenössischen Künstler tatsächlich im Wesentlichen mit abstrakter Kunst?
„Birke im Jotounheimer Nationalpark NOR“ von Burkhard Niesel (l.) und „Geäst“, Diptychon von Hanni Harzenetter. Foto: Hannah Miska
Diejenigen also, die – beispielsweise – auf der Suche nach klassischen bayrischen Landschaften sind, werden enttäuscht. Diejenigen, die eher neugierig sind auf innovatives Arbeiten mit unterschiedlichsten Techniken, finden mit Collagen, Objekt- und Leuchtkästen, ungewöhnlichen Materialien wie Asche, Lack auf Gips, Pappe auf Holz, Draht, Schlagmetall oder gar Menschenhaar ein großes Spielfeld. Um es mit Tutti Gogolin auszudrücken, die drei Collagen auf Leinwand ausgestellt hat: Denkbar ist alles, Nichts ist unmöglich, Alles oder nichts.
„DENKBAR – ist alles“ von Tutti Gogolin. Foto: Hannah Miska
Oft würde man sich ein wenig mehr Information wünschen – insbesondere, wenn sich die Erläuterung der Maltechnik auf das magere Wort „Mischtechniken“ beschränkt. Auch einige der übrigens brillianten Foto-Exponate („Macht der Liebe“ von Brigitta Maria Lankowitz aus München oder „Zeitenwende“ von Günter Unbescheid aus der Jachenau) sind erklärungsbedürftig. So zeigt Fritz Schiel Fotos, die offenbar Bergarbeiter zeigen (Hausham?) sich dem Betrachter mit dem Titel „Anina 1“ und „Anina 3“ jedoch nicht erschließen. Vielleicht, Hinweis für die Veranstalter, könnte man ja – bei einer Kunstausstellung, die inzwischen überregionale Beachtung findet – einmal darüber nachdenken, einen kleinen Ausstellungskatalog zu edieren.
Surface II und Surface III von Heidi Gohde. Foto: Hannah Miska
Gut beschirmt
Im Ausstellungs-Flyer liest man, dass sich 1953 unter den Besuchern der Ausstellung „Kunst und Brauchtum“ im Rathaus Bayrischzell unter den vielen interessierten Besuchern auch Prinz Ludwig und Prinzessin Irmgard von Bayern befunden hätten. Bei der diesjährigen Vernissage gab sich kein Geringerer als Landrat Olaf von Löwis die Ehre. Der Schirmherr der Veranstaltung zitierte Karl Valentin mit dem Spruch „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ – und wünschte den Verantwortlichen in diesem Sinne, sich weiterhin viel Arbeit zu machen. Wir schließen uns an.