H.C. Artmann

Wer war H.C. Artmann?

H.C. Artmann in Fratres. Foto: Hannes Reisinger

Thementag in Niederösterreich

Zum 100. Geburtstag des österreichischen Poeten H.C. Artmann widmete ihm die Kulturbrücke Fratres einen Thementag, der ein zahlreiches Publikum anlockte. Ausstellung, Vorträge, Film und Rezitation setzten dem großen Dichter ein Denkmal.

Ein vernachlässigter Poet in der Wahrnehmung sei H.C. Artmann, eröffnete Elmar Csaplovics, der gemeinsam mit Christian Thanhäuser die Veranstaltung bei unserem Kulturpartner im Waldviertel geplant hatte, aber er sei ein Autor, der seinesgleichen suche. Er habe die Dialektdichtung salonfähig gemacht und mit expressionistischen Gedanken versehen.

Fratres
Volles Haus beim Thementag. Foto: Hannes Reisinger

Als Wegbereiter des Austropops bezeichnete ihn Alexandra Millner, die das unstete Leben von H.C. Artmann von Wien über Schweden, Frankreich und Berlin nachzeichnete. Dem Dadaismus, Surrealismus, Konstruktivismus nahe, fand er allein und mit Dichterkollegen wie Gerhard Rühm eine eigene Sprache und bezeichnete Dichten als geistige Welt, in der man Dichter sein könne, ohne etwas geschrieben oder gesagt zu haben. Aber als schwer verwundeter Kriegsteilnehmer sei er auch Pazifist gewesen und habe 1955 ein Manifest gegen die Wiederbewaffnung des österreichischen Heeres verfasst.

Faszination für das Ursprüngliche

„auf einem baum (…) nahe dem weiler St. Achatz am walde“, so schrieb der Poet, sei er zur Welt gekommen, in Wahrheit war es Wien-Breitensee, aber er habe sich immer als Waldviertler gesehen, erklärte Marc-Oliver Schuster, der gemeinsam mit Veronika Premer die große Artmann-Biografie verfasst. Hier im Lande seiner Großeltern habe er die geheimnisvollen Wesen entdeckt, die er in seinen Werken verarbeitete. Faszination für das Ursprüngliche, für abgeschlossenen Räume, wie sie der Wald darstelle, seinen die Vorbilder für seine Geistergeschichten, die er in moderner Form erzähle.

H.C. Artmann
Alexandra Millner und Marc-Oliver Schuster. Foto: Hannes Reisinger

Auch seiner Beziehung zu Böhmen ging der Biograf nach, H.C. Artmann habe perfekt tschechisch gesprochen. Dieser Aspekt fließe in sein Werk ein, zudem habe er als Übersetzer gearbeitet.

Bodenlose Inspiration

Mit seinem launigen, humorvollen Vortrag zog symbolisch Eugen Brikcius den Hut vor seinem Kollegen, mit dem ihn sehr viel verbinde, unter anderem die Ehrung mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Der tschechische Künstler, Dichter und Philosoph und Unterzeichner der Charta 77 emigrierte 1980 nach Wien. „Bodenlose Inspiration“ habe er gegeben und habe jede Menge Komplimente verdient, sagte der durch seine Happenings legendäre Künstler.

H.C.Artmann
Eugen Brikzius und Elmar Csaplovics. Foto: Hannes Reisinger

In Fratres spielte er nur Schach und rief nach dem Schachmatt aus: „Der König ist tot, es lebe der König.“ Und sang „I did it my way“ in Anlehnung an Frank Sinatra. H.C. habe keine Kopien gekannt, ausschließlich Originale.

Bibliophile Pressedrucke und Luxusausgaben kennzeichnen die Artmann-Sammlung von Albert Schedl, die das gesamte gedruckte Œuvre umfasst, und die in Fratres gezeigt wurden.

Christian Thanhäuser
Holzschnitte von Christian Thanhäuser mit einem Text von H.C. Artmann. Foto: MZ

Den Waldgänger H.C. Artmann hat Christian Thanhäuser durch seine Holzschnitte und Zeichnungen charakterisiert. Der Künstler und Verleger vereinte in der Ausstellung im Galerieraum seine Arbeiten zu den Pflanzen mit den Texten des Poeten.

„Freibeuter der Sprache“ nennt Gustav Trampitsch seinen bemerkenswerten Film über H.C. Artmann. Er sei für ihn verantwortlich für künstlerisches und soziales Misstrauen, sagte der Filmemacher und fragte: „Wieso hören wir davon nichts in der Schule?“

H.C. Artmann
Filmemacher Gustav Trampitsch. Foto: Hannes Reisinger

Der Film bringt dem Publikum den Menschen und Poeten in vielen Facetten näher. Sein Credo: Dichtung sei ein Akt ohne Absicht, sei ein Akt des Herzens. H.C. Artmann sei aber nicht nur ein großer Poet gewesen, der das Wienersche zum Volksgut habe werden lassen und Tradition mit Moderne verband, er sei auch ein Frauenliebhaber gewesen. Immerhin fünf Frauen und fünf Kinder.

Der größte Gentleman österreichischer Literatur

Wer also war H.C. Artmann? Ein Strawanzer, ein Barde, ein Minnesänger, der der Sprache Melodie, Klang und Rhythmus gab. Ein sprachlicher Don Quichotte, der in vielen Sprachen zuhause war, der rastlos unterwegs war in Zeit und Räumen und „der größte Gentleman österreichischer Literatur“.

H.C. Artmann
P.C. Skrepek und W.C. Wizelsperger. Foto: Hannes Reisinger

Beispiele seiner sprachlichen Brillanz präsentierte zum Abschluss des Thementages W.C. Wizlsperger, der eigentlich Vinzenz heißt, gemeinsam mit Perkussionist Peter Skrepek, der sich P.C. nennt, um H.C. noch näher zu sein. Mit Beiträgen aus „med ana schwoazzn dintn“, dem berühmtesten Dialektband des Poeten, beglückte das Duo ein begeistertes Publikum.

Subversiv und verführerisch

Von „nua ka schmoez ned, hob i gsogt“ bis hin zu „vergrobts mi liaba in an luftballon“, eine perfekte Kombination von Stimme und Klängen, laut und subversiv ebenso wie leise und verführerisch bis zum Bekenntnis: „i kenn alles, nur mi du i net kenna“.

Der nächste Thementag der Kulturbrücke Fratres ist der textilen Kunst in Europa gewidmet, unter anderem wird die international bekannte Textilkünstlerin Vesna vertreten sein: 28. August, ab 15 Uhr in Fratres 11, 3844 Waldkirchen/Thaya.

Zum Weiterlesen: 1. Thementag 2021 in Fratres: Frauen und die Mafia

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf