Dissenspflege

Ein Hoch auf die Meinungsverschiedenheit

Die beiden Philosophen Sebastian Schleidgen und Andreas Wolkenstein. Foto: Sebastian Schleidgen

Podcast aus Holzkirchen

Seit Oktober gibt es den Podcast „Dissenspflege“ von Sebastian Schleidgen und Andreas Wolkenstein. Das Ziel der beiden Philosophen ist es, pfleglich miteinander umzugehen, wenn sie bei einem Thema unterschiedliche Auffassungen haben. Nächste Termine sind der 10. Dezember und zum morgigen Nikolaustag eine Sonderausgabe.

„Wir arbeiten an ähnlichen Themen, sind aber selten einer Meinung“, sagt Sebastian Schleidgen, Philosoph an der Fernuniversität Hagen tätig. „Es soll ein Beispiel dafür sein, wie wir miteinander umgehen, wir wollen voneinander lernen und mit einem Fortschritt aus der Diskussion herausgehen“, betont der Holzkirchner Andreas Wolkenstein, Philosoph an der LMU München. Beide sind im Bereich Medizinethik tätig und kennen sich aus gemeinsamen Zeiten in Tübingen.

Man wolle mit „Dissenspfleg“ auch zeigen, dass die Philosophie relevant für die Welt sei und nicht nur ein abstraktes Geschwafel, wie Andreas Wolkenstein betont. Denn Philosophie habe durchaus Auswirkungen auf die Politik und Gesellschaft.

Dissenspflege

So war auch der erste Podcast am 8. Oktober einem brisanten Thema gewidmet: „Mit Extremist:innen reden?“ Klarer Dissens. Andreas Wolkenstein sagt aus einer Erfahrung heraus: „Nein, mit denen zu reden bringt einfach nichts.“ Ursache waren persönliche Beleidigungen nach Aktivitäten des Bündnisses „Holzkirchen ist bunt“ und seinem erfolglosen Versuch mit einer Person zu sprechen.

Auch Sebastian Schleidgen berichtet von einer persönlichen Erfahrung, bei der er antisemitische Überzeugungen zumindest aufweichen konnte und meinte: „Ja, man muss es versuchen, Andersdenkende ins Boot zu holen und sie dazu bewegen, ihre Meinung zu überdenken.“

Entdeckungen der Woche

Ob es denn eine Pflicht für diese Gespräche gebe, warf Andreas Wolkenstein ein. Er sehe die Pflicht darin, Bedingungen herzustellen und Orte zu finden, wo man Menschen, die sich im Unklaren sind, Angebote machen kann.
Die Frage bleibt offen, welche gemeinsame Sprache man findet und welche gemeinsamen Quellen verwendet werden. „Es muss jedenfalls von allen Seiten die Bereitschaft da sein, sich auf ein Gespräch einzulassen“, betont Sebastian Schleidgen. „Wir wollen keine Kompromisse eingehen, ich will nicht ein bisschen rechtsradikal werden.“ Es gebe auch bestimmte Grenzen.
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Andreas Wolkenstein. Foto: Sebastian Schleidgen

Solche offenen Fragen werde man im Podcast „Dissenspflege“ immer wieder Expertinnen und Experten vorlegen und damit die Gespräche bereichern.

Alle zwei Monate treffen sich die beiden Philosophen zu einem langen Podcast. Dazwischen aber gibt es mit Rubriken wie etwa den „Entdeckungen der Woche“ kürzere Beiträge. So war „Dissenspflege“ am 25. Oktober den Wahlen in den USA und insbesondere dem Thema der Wahrheit gewidmet. Bei den kürzeren Beiträgen, so erklären die beiden, nehme man sich spannende Artikel „aus dem Universum der philosophischen Literatur“ vor, wie sie in den „Shownotes“ zur Folge schreiben. Fundstücke nennen sie das, also Texte, die ihr Interesse geweckt haben und bei denen sie eingangs noch nicht wissen, ob ein Dissens besteht, aber meistens halt doch, lachen sie.


Sebastian Schleidgen. Foto: Andreas Wolkenstein

„Dissenspflege“ zu Wahlen in den USA

Auch am 22. November sprachen die beiden Podcaster zu den Wahlen in den USA und stellten die Frage sowohl nach den Ursachen der Trump-Wahl als auch die Frage, wie die Zukunft mit Trump aussehen werde. Dafür hatten sie sich eine neue Rubrik „Die philosophische Umschau“ ausgedacht. Jeder der beiden brachte vier Texte mit, in denen Philosophinnen und Philosophen den Ausgang der Wahl kommentieren. „Wir wollen zeigen, dass Philosophie nicht nur ein akademisches Hin und Her ist, sondern einen Bezug zur Welt herstellt und dazu aufruft, Stellungnahmen abzugeben“, begründet Andreas Wolkenstein. Sie sprechen unter anderem über die Motivation der Wählerinnen und Wähler in den USA.

Am Ende stellen beide Philosophen den Bezug zu AfD-Wählern in Deutschland her. „Selbst wenn diese nicht alle Nazis sind, wie es immer heißt, so lassen sie doch zu, dass radikales Gedankengut akzeptiert wird“, betont der Holzkirchner. Und dafür trage man eben auch Verantwortung.

„Bleibt im Diskurs und pflegt den Dissens“, beendet Sebastian Schleidgen den Podcast.

Der nächste lange Podcast „Dissenspflege“ zum Thema „Moralische Expert:innen“ ist ab 10. Dezember abrufbar, am morgigen Nikolaustag gibt es eine Sonderausgabe. Ab Januar wird es alle zwei Wochen freitags eine Folge geben, die thematische Sendung mit Experteninterviews alle acht Wochen und dazwischen an den Freitagen sind unterschiedliche Rubriken geplant. Das Publikum ist eingeladen, Meinungen und Vorschläge für die Reihe unter info@dissenspflege.de einzusenden.

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