Christine Göttfried mit ihrem Tanzpartner Thomas Glas beim Vierten Bayerischen Opernball

Cinderella tanzt im Rollstuhl

Vierter Bayerischer Opernball. Christine Göttfried mit ihrem Tanzpartner Thomas Glas. Foto: Max Kalup

Ein Leben für die Inklusion – das hat sich die Kreutherin Christine Göttfried auf die Fahne geschrieben. Unermüdlich ist sie im Einsatz für ein Miteinander in der Gesellschaft. Von ihrer Behinderung lässt sie sich dabei nicht behindern – und tanzte sogar als Debütantin beim 4. Bayerischen Opernball auf Gut Kaltenbrunn in Gmund am Tegernsee.

Christine „Tausendsassa“ Göttfried hat sich „wie Cinderella“ auf dem Opernball auf Gut Kaltenbrunn gefühlt. Nein, nicht nur wegen des schönen Dirndlgwandes und des Krönchens. Es gab auch keine zertanzten oder verlorenen Schuhe. Die Kreutherin sitzt zeitlebens wegen einer Tetraspastik im Rollstuhl. Aber daran gefesselt? Nein, das ist sie definitiv nicht. Die lebenslustige, couragierte Frau hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, ein Netzwerk der Solidarität und des Miteinanders aufzubauen. Sie möchte andere Menschen ermutigen, sich von einem Handicap nicht behindern zu lassen und geht mit gutem Beispiel voran.

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„Geht nicht gibt’s nicht“, ist ihr Motto. Es ginge auch für Menschen mit Behinderungen so ziemlich alles, „nur anders“. Darum probiert sie selbst immer wieder neue Dinge aus. Rast als „Skihaslprinzessin“ den Hirschberg in Kreuth mit einem behindertengerechten Skibob hinab, fährt mit dem Heißluftballon, mit dem behindertengerechten Mountainbike, fährt mit dem Stand-Up-Paddleboard auf dem Tegernsee. Jedes Mal ist sie aufs Neue begeistert, was alles möglich ist, und allen Mitstreitern dankbar, die es möglich machen. Denn selbstverständlich ist nichts von alldem. Sollte es aber, wenn es nach Christine Göttfried geht.

Bayerischer Opernball zum vierten Mal

Der Opernball war nun das nächste Wunder. Ihre Teilnahme als Debütantin glich einem Märchentraum, der wahr wird. „Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich daran denke“, so die 51-jährige Senioren- und Behindertenbeauftragte der Bergsteigerdorfgemeinde am südlichen Landkreisende. Drei Jahre lang war der Opernball auf Gut Kaltenbrunn pandemiebedingt ausgefallen. Als Organisatorin Monika Graf neue Debütantinnen suchte, konnte Sonja Hornig, Marketingmanagerin von Gut Kaltenbrunn und Vorstandsmitglied im Freundeskreis Inklusion Tegernsee F.I.T. e.V., schnell deren Begeisterung wecken, mit dem Ball ein Zeichen für Inklusion zu setzen. Mit Thomas Glas fand sich auch sogleich ein Tanzpartner – der Tegernseer ist Mitglied in dem von Christine Göttfried gegründeten F.I.T. e.V.

Viermal proben und ab aufs Parkett

Debütantinnen und Debütanten beim Bayerischen Opernball
Bayerischer Opernball mit 22 Debütantinnen und Debütanten. Foto: Max Kalup

Isabella Winkler von der Ballettschule Holzkirchen studierte mit den Debütantinnen und Debütanten die Choreografie für den Opernball ein. Der Rollstuhl war schließlich keine Hürde. „Das funktioniert ausgezeichnet, wie Skifahren“, beteuert Christine Göttfried, die neue Herausforderungen liebt. „Die Tanzproben waren ein schönes Abenteuer für Thomas und mich“, so die begeisterte Debütantin, „wir haben ja das erste Mal zusammen getanzt“. Viermal wurde insgesamt geprobt. Dann ging es zum vierten Bayerischen Opernball aufs Parkett. Das Paar tanzte sich inmitten der insgesamt 22 Debütantinnen und Debütenten in die Herzen der Gäste, nicht zuletzt aufgrund Christines positiver Ausstrahlung und Begeisterung.

Kampfesgeist vom Vater geerbt

Überschattet wurde das Ereignis allerdings vom Tod von Christine Göttfrieds Vater. Noch von den Proben schickte sie ihm Bilder ins Krankenhaus und hielt schließlich auch an der Teilnahme fest: „So wollte mein Vater das, also habe ich seinen allerletzten Wunsch an mich erfüllt.“ Zeitlebens hatte Klaus Göttfried seine Tochter unterstützt und ermutigt. Er war es, der durchsetzte, dass sie als erstes Kind mit einer Behinderung in Kreuth in den Kindergarten und auch in die Schule gehen konnte.

„Den Kampfgeist habe ich von ihm geerbt“, erzählt die Kreutherin stolz. Und erinnert sich gern daran, wie sie als Jugendliche zum ersten Mal erlebte, dass mit einer Behinderung auch scheinbar Unmögliches möglich ist. Denn fragt man sie nach ihrem eindrücklichsten Erlebnis ihrer Jugend, kommt die Geschichte von Moses: Es war beim Bryan Adams Konzert in den USA, als sich vor ihr die Menschenmenge wie das Meer teilte und sie direkt bis vor die Bühne rollen und ihrem Idol nahe sein konnte. „Da habe ich begriffen, was alles möglich ist, wenn die Gesellschaft mitzieht.“

Bayerischer Opernball - Große Unterstützung erhielt Christine von ihrem mittlerweile verstorbenen Vater und ihrer Mutter
Große Unterstützung erhielt Christine von ihrem mittlerweile verstorbenen Vater und ihrer Mutter (vorn links) und ihren Freunden vom F.I.T. e.V.. Foto: Max Kalup

Beim Opernball auf Gut Kaltenbrunn stand sie nun gemeinsam mit Thomas Glas selbst im Rampenlicht – und dieses Glücksgefühl wird sie noch lange motivieren. „Ich bin nur ein kleines Licht, aber ich möchte alles ändern“, lacht sie, „und allein geht es nicht, nur gemeinsam“. Sie ist Vorbild für andere Menschen mit Behinderung und schiebt viele Projekte an. Dass Inklusion und Barrierefreiheit nicht einfach umzusetzen sind, weiß sie aus eigener Erfahrung nur zu gut. Aber in ihrer couragierten, nimmermüden, fröhlichen Art, schafft sie es immer wieder, Menschen ins Boot zu holen, die sie in ihrer Mission unterstützen. „Mein Leben ist aufregend“, sagt Christine Göttfried, „ich bin ein zufriedener Mensch und dankbar für all die schönen Wow-Momente“.

Christine Göttfried ist Initiatorin des Göttfried Inklusions Skicup
Christine Göttfried (vorn links) ist Initiatorin des Göttfried Inklusions Skicup. Foto: Sonja Hornig

ICH und DU sind WIR

Die 2020 von ihr ins Leben gerufene Christine Göttfried-Stiftung soll über den F.I.T. e.V. hinaus Inklusionsprojekte in den Landkreisen Miesbach und Bad Tölz-Wolfratshausen umsetzen und mehr Menschlichkeit in unserer Gesellschaft verankern. Der Verein Freundeskreis Inklusion Tegernseer Tal F.I.T. e.V. schafft unterschiedliche behindertengerechte Sportgeräte an. Deren Verleih erfolgt über den Kooperationspartner Skischule Tegernsee. Am 27. Januar findet bereits der 6. Göttfried Inklusions Skicup in Kreuth am Hirschberg statt, bei dem behinderte und nichtbehinderte Menschen gemeinsam zum Abfahrtslauf auf der Skipiste antreten. Und Christine Göttfried gehen die Ideen längst noch nicht aus.

 

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