
Neuer Skulpturenpfad unterm Rechelkopf
Die Organisatoren Leonhard Bendel, Regina Recht, Janina Totzauer, Hannah Bendel, Magdalena Jooss und Koch Frederic Müller (von links). Foto: Almresidency
Eröffnung Almresidency-Skulpturenpfad am Rechelkopf
Kunst mitten in der Natur erleben? Das können Wanderer künftig unterhalb des Rechelkopfes bei Marienstein. Am vergangenen Samstag wurde dort der neue Almresidency-Skulpturenpfad eröffnet. Mit viel begeistertem Publikum.
Ruhig plätschert der kleine Bach unterhalb der Ochsenhütte im Wald vor sich hin. Mitten im Wasser liegt ein Oktopus aus Ton, der zum Almresidency-Skulpturenpfad gehört. „Er trotzt unbeirrbar der Strömung des klaren, eiskalten Bergwassers“, sagt Künstlerin Janina Totzauer. Das Wesen ist Teil ihrer Werkserie „Flut“, in der sie sich mit dem Ausufern und Überlaufen der Natur beschäftigt. „Während sich der Mensch jeher als Herrscher der Welt und allen Tieren überlegen wähnte, beginnt ihm die Kontrolle über seine Umwelt zu entgleiten“, erläutert sie.
Oktopus aus Keramik von Janina Totzauer. Foto: CS
Janina Totzauer ist nicht nur Künstlerin, sondern auch zusammen mit der Miesbacher Fotografin Magdalena Jooss Mitorganisatorin der Almresidency. Seit 2016 lädt das Programm internationale Künstler dazu ein, zehn Tage auf zwei Berghütten unterhalb des Rechelkopfes zu leben und zu arbeiten. Initiator und Eigentümer des Waldes und der Hütten ist Forstwirt Leonhard Bendel, der mit diesem Programm nicht nur Künstler fördern, sondern auch zur Auseinandersetzung mit der Natur anregen will.
Almresidency-Skulpturenpfad – eine Treppe ins Nichts
Auf dem schmalen Skulpturenpfad zwischen Ochsenhütte und Jagaheisl können Wanderer nun anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Programms sieben Kunstwerke ehemaliger Almresidency-Künstler sehen. Gleich bei der Ochsenhütte etwa hat der Münchner Benedikt Gahl eine dreistufige Treppe in den Boden betoniert. „Sie ist eine Treppe ohne Funktion, die weder Auf- noch Abstieg ermöglicht“, sagt er über seine Arbeit. Sie lade lediglich zum Rätseln und zum Innehalten ein und dazu, über den Platz der Menschen in der Natur nachzudenken.
Die Treppe von Benedikt Gahl. Foto: CS
Etwas weiter oben auf dem Skulpturenpfad leuchten pinke, gelbe, rote und blaue, organisch wirkende Objekte aus Baumritzen hervor. Bei „chewed matter“ der aus Barcelona stammenden Künstlerin Anna Pasco Bolta handelt es sich um mit buntem Lack überzogene Keramik-Objekte, die übergroße, zerkaute Kaugummis darstellen.
Die Künstlerin Anna Pasco Bolta mit ihrem Werk „chewed matter“. Foto: CS
Kaugummi sei ein banaler und popkultureller Gegenstand, über den niemand nachdenke. Auch darüber nicht, dass das Latex dafür aus einer Pflanze stamme, dem Sapotillbaum. Die Objekte sollen dazu anregen, über die Verbindungen zwischen Kultur und Natur nachzudenken und zu reflektieren, wie alltägliche Handlungen Spuren in der Natur hinterlassen, sagt die Künstlerin.
Edelstahl-Skulpturen, Steinkörbe und Eisenrohre beim Almresidency Skulpturenpfad
Mit der Komplexität des Ökosystems Wald setzt sich Anna Lena Keller auseinander. Sie befestigte eine aus Edelstahl und Aluminiumguss gefertigte Skulptur, die wie der Panzer eines Käfers aussieht, an einem abgestorbenen Baum.
Das Werk von Anna Lena Keller aus Aluminium und Edelstahl. Foto: CS
Das Werk erinnere daran, dass Totholz zu einem funktionierenden Ökosystem gehöre und als Lebensraum für Pflanzen und Tiere diene, so die Künstlerin. Außerdem zu sehen: ein Steinkorb von Linda Weiss, der als Sitzbank für Waldbesucher genutzt werden kann, gebogene Eisenrohre von Herta Seibt de Zinser, die nur bei genauem Hinsehen im Wald entdeckt werden können und ein stilisiertes Nazar-Auge von Gülbin Ünlü, das die Waldbewohner vor dem bösen Blick schützt.
„Künstler haben eine Ausbildung gemacht und wollen davon leben“
Wieviel Herzblut in die Almresidency und den Skulpturenpfad hineingeflossen ist, wird auch beim anschließenden Jubiläums-Aperitivo auf der Sigrizalm deutlich – mit selbstgebackenem Sauerteigbrot und Zwiebelsuppe von Koch Frederic Müller. Dabei sprechen die Organisatoren ein wichtiges Thema an: Die Almresidency wolle Künstlern nicht nur eine Bühne bieten, sondern sie auch fair bezahlen. „Künstler haben eine Ausbildung gemacht und wollen davon leben“, betont Magdalena Jooss und bedankt sich bei Unterstützern wie dem Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler in Bayern (BBK) und dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.
Die Karte des Skulpturenpfads. Foto: CS
Dem schließt sich auch Waldbesitzer Leonhard Bendel an, der das Projekt viele Jahre aus eigenen Mitteln getragen hat. „Gerade in der Corona-Zeit ist es sehr schwer gewesen, an Förderungen zu kommen“, sagt er. Mittlerweile hat die Almresidency einen eigenen Verein gegründet. „Wer uns künftig unterstützen will, kann gerne beitreten“, ermuntert er das zahlreich erschienene Publikum.
Landrat und Bürgermeister freuen sich über Alm
Auch Landrat Olaf von Löwis zeigte sich begeistert von der Almresidency und dem Skulpturenpfad. „Ich habe einige Künstler in der Familie und bin hier, um den Bürgerinnen und Bürgern im Landkreis meine Wertschätzung für Kunst zu zeigen“, sagt er. Aber von Wertschätzung könne man leider nicht leben, fuhr er fort und griff damit das von den Organisatoren angesprochene Thema der Finanzierung auf. „Wir arbeiten gerade daran, eine Stiftung ins Leben zu rufen, um Kunst und Kultur im Landkreis besser fördern zu können“, berichtet er, begleitet von großem Applaus. Er hoffe, dies noch in seiner Amtszeit, die im Frühjahr 2026 endet, realisieren zu können.
Landrat Olaf von Löwis mit den Organisatoren Magdalena Jooss und Leonhard Bendel sowie Waakirchens Bürgermeister Norbert Kerkel. Foto: CS
Auch der Waakirchner Bürgermeister Norbert Kerkel ließ es sich nicht nehmen, bei der Eröffnung des Kunstpfades dabei zu sein. „Ich bin stolz darauf, was in der Gemeinde geboten ist“, sagt er. Neben einer finanziellen Unterstützung wolle er, wie es sich die Organisatoren auch wünschen, Kindergärten und Schulen auf den Skulpturenpfad aufmerksam machen. „Das Projekt hat es verdient, in die Breite getragen zu werden“, betont er. Die Organisatoren jedenfalls freuen sich über die großartige Resonanz und planen, den Weg in den nächsten Jahren noch zu erweitern.