Es ist Zeit für Utopien
Petra Wähning. Foto: © Langbein & Partner Media
Film & Talk in Irschenberg
Wir machen es anders, ist die Botschaft. Regisseur Kurt Langbein hat weltweit hoffnungsvolle Beispiele funktionierender Alternativen aufgespürt – von Asien, Afrika und Europa bis ins Leitzachtal. Seinen Film „Zeit für Utopien“ zeigte die SMG regionalen Interessierten und Entscheidern – mit anschließendem Filmgespräch und Talk-Runde.
Regisseur Kurt Langbein macht unbequeme Filme, solche, die unserer Wachstumsgesellschaft höchst kritische Fragen stellen. Er hebt dabei nie den Zeigefinger. Statt dessen erzählt er Geschichten, die mit guten Beispiel voran gehen, die Mut machen und Nachahmer finden. Die Menschheit braucht Menschen mit Utopien – aber nicht nur Theoretiker, auch Entscheider und vor allem Macher.
Macher und Visionäre gleichermaßen wichtig
Im Film lässt der Wiener Regisseur all diese Menschen zu Wort kommen: Menschen, die in mit mutigen, kleinen Initiativen und Projekten gesellschaftliche Alternativen aufzeigen. Auch die Visionäre aus Umweltökonomie, Umweltjournalismus und Neurobiologie kommen zu Wort, wie beispielsweise Umweltökonom Nico Paech, der seit Jahren Zukunftsmodelle für den Wandel zur Postwachstumsgesellschaft erarbeitet.
Hier ist der Trailer zum Film:
Zeit_fuer_Utopien_Trailer_LB from Langbein & Partner Media on Vimeo.
Die Marktwirtschaft hat den Industriestaaten den Wohlstand gebracht – auf Kosten der Natur und auf Kosten anderer Kontinente mit wachsender Ungleichheit. Gibt es Alternativen? Die Frage stand am Anfang von Langbeins Recherche. Entlang des ökologischen Fußabdrucks hat der Regisseur die Themen sortiert: Lebensmittelproduktion, Wohnen und Konsumartikel am Beispiel der Unterhaltungselektronik.
Teil der Lösung werden, statt Teil des Problems sein
Im Zuge der Recherche traf Langbein per Zufall auf Petra Wähning. Die Marketingexpertin hatte den großen Industrien den Rücken gekehrt, um an der Basis Teil der Lösung zu werden, statt Teil des Problems aus Wachstum und Konsum zu sein. Am Ziegenhof von Werner und Martin Haase am Sandbichl in Fischbachau hat sie sich wieder den natürlichen Prozessen gewidmet, der naturgemäßen, biologischen Landwirtschaft. Vielleicht würde sie immer noch fröhlich Ziegen melken, hätte der bodenständige Biobauer sie nicht mit einem einfachen Satz wachgerüttelt: Es nütze doch nichts, wenn sie sich auch noch den Buckel krumm arbeite. Sie solle lieber mit ihrem Wissen aus ihrem vorherigen Beruf helfen.
Solidarische Landwirtschaft im Leitzachtal: Bauernhof Haase, Sandbichl, Fischbachau. Foto: C. Roth, © Langbein & Partner Media
Damit hat sie daraufhin nicht nur den Bio-Bauernhof unterstützt, sondern beispielsweise auch die Genussgemeinschaft Städter und Bauern e.V. in München. Für die zweite Station des Filmes reiste Petra Wähning nach Korea. Mit Hansalim versorgt dort eine genossenschaftliche Kooperative regionaler Bauern und Fischer nach 30 Jahren Aufbauarbeit sagenhafte 1,5 Millionen Menschen ausschließlich mit regionaler, frischer Biokost.
Petra Wähning besucht Hansalim: Nachhaltiger Fischer in Korea. Foto: C. Roth, © Langbein & Partner Media
Auch die anderen Beispiele im Film erzählen Geschichten mutiger, solidarischer Aktivisten. In Südfrankreich führen beispielsweise die Mitarbeiter einer zum ehemaligen Großkonzern Unilever gehörende Teefabrik nach über drei Jahren Kampf um ihre Arbeitsplätze diese jetzt in Selbstverwaltung.
Kooperativen und grüne Start-Ups sind Wegbereiter
Wie ein Smartphone auch fair produziert werden kann zeigt das niederländische grüne Startup Fairphone. Der Film begleitet die Protagonisten zu den Kobalt- und Goldminen im Kongo und in Uganda und in die Fabrik nach China, wo die Arbeiter unter harten, aber fairen Bedingungen arbeiten. Wie energie- und platzsparend in einer solidarischen Genossenschaft ein lebendigeres Miteinander gelebt wird, zeigt eine Initiative in Zürich.
Filmdiskussion: Marika Kinshofer (SMG), Andreas Hassler (OPED), Alexander Schmid (SMG), Petra Wähning (Marketing SoLaWi), Kurt Langbein (Regisseur). Foto: IW
In der anschließenden Filmdiskussion stellten sich Regisseur Kurt Langbein, Petra Wähning, Alexander Schmid (SMG) und als Vertreter des Unternehmerverbandes Miesbach Andreas Hassler (OPED) den Fragen des Publikums. Das Thema Utopien für eine neue Gesellschaft brennt unter den Nägeln. Das Fazit: Auch bei uns im Oberland gibt es bereits zahlreiche Initiativen, die mit gutem Beispiel voran gehen. Wichtig sei, dass die Bildung einbezogen werde und Filme wie dieser an den Schulen laufen. Die Veränderung müsse von beiden Seiten passieren: von unten durch die Verbraucher, die sich Ihrer Verantwortung und auch Ihrer Stärke bewusst werden, und von oben seitens der Politik.
Momentan leben wir noch, als hätten wir zwei Erden. Das geht nicht ewig so weiter. Der Film Zeit für Utopien zeigt mit seinen hoffnungsvollen Beispielen, das Veränderung machbar ist, auch ohne großen Verzicht.
KulturVision e.V. hat 2016 die Initiative „Anders wachsen – Alternativen für das Oberland“ ins Leben gerufen, die viele verschiedene Projekte und Initiativen des Landkreises bündelt. Hier geht’s zur Veranstaltungsbroschüre.
Wollen Sie mehr Beiträge zum Thema Utopien statt Wachstumsgesellschaft im Landkreis Miesbach lesen? Hier ist eine Auswahl der Artikel über Veranstaltungen von „Anders wachsen – Alternativen für das Oberland“:
- Apokalypserhetorik funktioniert nicht
- „Tomorrow“ – oder schon heute?
- Code of survival – ein Film von Bertram Verhaag
- More than honey – ein Film über das Leben der Bienen
- Warum Eros statt Gier unsere Ökonomie beflügeln sollte
- Für eine Enkel taugliche Zukunft
- Denkwerk Zukunft: Einfach so weiter leben wie bisher geht nicht mehr!
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- Von Degrowth bis Anders Wachsen – was Bewegungen bewirken können
- Kulturbrücke Fratres: „Schrumpfen oder anders Wachsen?“
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