Von Degrowth bis Anders Wachsen – was Bewegungen bewirken können
Nina Treu und Monika Ziegler (v.l.) im Gespräch auf der Bühne des Foolstheaters. Foto: Petra Kurbjuhn
Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe „Anders wachsen“ in Holzkirchen
„Degrowth – eine neue Bewegung?“ hieß die Auftaktveranstaltung der neuen Reihe von „Anders wachsen – Alternativen für das Oberland“. Dazu lud Initiatorin Monika Ziegler zum Gespräch: Nina Treu vom Konzeptwerk Neue Ökonomie Leipzig. Etwas Bewegen in Theorie und Praxis – darum ging es auf der Bühne.
Dass Monika Ziegler heuer Nina Treu als Gesprächspartnerin zur Auftaktveranstaltung einlud, hatte einen guten Grund. Es war 2014, als im Magazin „Oya“ ein Artikel über das Konzeptwerk Neue Ökonomie erschien. Monika Ziegler lud daraufhin prompt Nina Treu als Referentin ein – in den Draxelhamer Salon, der im Rahmen der Spurwechselinitiative von KulturVision entstanden war. Die Konzeptwerkerin erzählte von der großen internationalen Degrowth-Konferenz in Leipzig und zündete damit eine Idee in der Kulturvisionärin im Oberland.
Die Schlierseerin Nina Treu vom Konzeptwerk Neue Ökonomie Leipzig. Foto: Petra Kurbjuhn
Ein Ergebnis der Degrowth-Konferenz war gewesen: „Wir brauchen regionale Konferenzen.“ Das war die Geburtstunde von „Anders wachsen“, denn Monika Ziegler und Isabella Krobisch von KulturVision waren sich schnell einig: „Aha, das machen wir!“ Nur den sperrigen, unaussprechlichen Namen Degrowth wollten sie nicht übernehmen, daher entstand die Eigenmarke „Anders wachsen – Alternativen für das Oberland“.
„Anders wachsen“ ist inzwischen von der Konferenz 2016 in Miesbach zu einer großen regionalen Bewegung gewachsen. Mit dem Katholischen Bildungswerk Miesbach (KBW) und den beiden großen Kulturhäusern im Landkreis KULTRUR im Oberbräu und Waitzinger Keller fand KulturVision starke Partner.
„Degrowth in Bewegungen“
Am Donnerstag stellte Nina Treu im Foolstheater im KULTUR im Oberbräu ihr neues Buch vor: „Degrow in Bewegungen“. Das Konzeptwerk Neue Ökonomie hat darin 32 verschiedene global agierende Initiativen und Bewegungen vereint, die Wege zur sozialökonomischen Transformation gehen. Es sind sowohl politische als auch soziale Akteure. Die Themen betreffen Klimawandel, alternativen Energien, Urban Gardening, alternative Ökonomie und Finanzwirtschaft sowie Flucht- und Migrationsbewegungen.
Neue Broschüre „Anders wachsen“ und Ticket der Veranstaltung. Foto: Ines Wagner
Nina Treu erläuterte, was die Bewegungen eint, aber auch unterscheidet und mitunter voneinander trennt. Das ist leider schade, bemerkte Monika Ziegler aus eigener Erfahrung, dass manche Gruppen nicht mit anderen kooperieren, weil diese ihnen zu links oder zu konservativ, zu religiös oder zu alternativ sind. Genau das sei ein fataler Fehler. Mit dem Ziel einer sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft im Auge, sollten alle Bewegungen an einem Strang ziehen und ein starkes Zeichen für die Gesellschaft und die Politik setzen.
Büchertisch mit Werken zu den Themen Degrowth und Gesellschaftliche Transformation. Foto: Petra Kurbjuhn
Das Konzeptwerk erfasste nach dem Schneeballprinzip wer alles „in Bewegung ist“ und legt mit dem Buch ein umfangreiches Kompendium vor. Die Akteure wurden mit jeweils fünf Fragen konfrontiert. Von „Welchen Bezug hat die Bewegung zum Thema Degrowth?“ bis „Welche Anregungen und Visionen habt ihr?“.
Nina Treu erzählte auch, wie die Mitarbeiter vom Konzeptwerk Neue Ökonomie den Degrowth-Gedanken nicht nur in Theorie, sondern in der Praxis leben. Sie arbeiten eine „kleine Vollzeit“ von 25-30 Wochenstunden und zahlen sich niedrige Gehälter. Das entspricht dem Genügsamkeitsgedanken „Genug ist, wenn’s langt“.
Fragen und Anregungen aus dem Publikum
Das Publikum hakte kritisch nach und Nina Treu äußerte sich aus dem Degrowth-Gedanken zu den Themen der Finanz-, Steuer- und Zinspolitik. Auch, dass die ökologischen Parteien bei den Wahlen so schlecht abgeschnitten hätten, wurde thematisiert. Nina Treu meinte dazu, dass die gesellschaftlichen Fragen bei den Wahlen in den Hintergrund gedrängt worden seien, weil die Gesellschaft im Großen versucht, einfache Fragen auf komplexe Antworten zu finden. Und weil Menschen leider einfacher „gegen“ etwas zu mobilisieren seien als „für“ etwas.
Von der Theorie des Buches ging es dann noch einmal zum praktischen Handeln jedes Einzelnen und der Gemeinschaft. Beides sei wichtig, meinte Nina Treu: Das kleine persönliche Klimafasten und die gemeinsame Fahrt beispielsweise zur Demo nach Berlin gegen TTIP – die persönliche sowie die politische, gesellschaftliche Ebene.
Die neue Broschüre „Anders wachsen von KulturVision und dem KBW. Foto. Ines Wagner
Was also kann man im Kleinen tun und was kann die Gesellschaft tun? – war die Frage. Damit kam Monika Ziegler noch einmal zur Initiative Anders wachsen – Alternativen für das Oberland zurück. Die neue Veranstaltungsreihe ist aufgrund der hohen Resonanz inzwischen auf 36 Einzelveranstaltungen angewachsen. Sie sind in der neuen Broschüre von KulturVision und dem KBW zusammengefasst. Außerdem wurde ein neuer Stammtisch von KulturVision und der Weyhalla in Weyarn ins Leben gerufen.
Neuer Stammtisch: Handeln statt reden
Nach dem Motto „Vom Ideen säen zum praktischen Handeln“ treffen sich jeden 3. Donnerstag im Monat Interessenten rund um Musikerin Anschi Hacklinger. Beim letzten Treffen wurden bereits zwei Arbeitsgruppen gegründet. Eine beschäftigt sich mit regionalen Lebensmitteln, vom Foodsharing über „Mundraub“ von Obstbäumen, die nicht beerntet werden bis zur Idee eines plastikfreien Dorfladens. Die andere Gruppe widmet sich der frühkindlichen Bildung.
Gibt es ein Fazit?
Ist nun Degrowth eine neue soziale Bewegung? Ja und nein, befand Nina Treu. Es ist eine im Entstehen begriffene soziale Bewegung. Wichtig sei, dass nicht jeder sein eigenes Süppchen koche, sondern dass man mit der eigenen Bewegung in anderen Bewegungen aufgehe. Dabei hilft auch die Frage, die sich jeder stellen sollte: Nicht, welche Vorstellungen habe ich vom Leben, sondern welche Vorstellungen und Wünsche hat das Leben an mich?
„Degrowth in Bewegungen“, erschienen beim oekom Verlag. Foto: oekom
Das detaillierte Veranstaltungsprogramm der neuen Reihe von „Anders wachsen – Alternativen für das Oberland“ entnehmen Sie der Broschüre, die im Landkreis ausliegt. Hier geht’s zum PDF.