Wir sind Erde – Zehn Jahre Enzyklika Laudato si’

Bella Adamova singt eine Arie aus dem Oratorium „Wir sind Erde“. Sie wird am Klavier begleitet vom Komponisten Gregor Mayrhofer. Foto: Josef Fuchs

Veranstaltung in der Katholischen Akademie in Bayern

Eine Veranstaltung am 02. Oktober 2025 in der Katholischen Akademie in Bayern erinnert an die Veröffentlichung der Enzyklika Laudato si‘ vor zehn Jahren. Der Titel „Franziskus‘ Erbe für die Schöpfung – Laudato si‘ und die sozial-ökologische Transformation“ ist als Programm und Auftrag zu verstehen. Hochkarätige Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichen Disziplinen zeigen, wie dieser Herausforderung begegnet werden kann.

Laudato si‘
Markus Vogt, Initiator der Veranstaltung, führt in das Thema ein. Foto: Josef Fuchs

Zehn Jahre Enzyklika Laudato si‘

Die Enzyklika Laudato si‘ (LS) erfuhr wie keine andere davor inner- und außerkirchlich eine so große Resonanz. Sie führt den „Schrei der Schöpfung“ und den „Schrei der Armen“ zusammen. Klima- und Entwicklungspolitik werden verknüpft, naturwissenschaftlich fundiert und aus theologisch sozialethischer Perspektive betrachtet. Zusammen mit dem Pariser Klimaabkommen löste die Enzyklika von Papst Franziskus eine weltweite Aufbruchstimmung aus. Heute ist nicht mehr viel davon übrig. Kriege in der Ukraine und in Nahost, Corona, wirtschaftliche Umwälzungen, Autokratien und Nationalismen werden von den Klima- und Biodiversitätskrisen zeitlich überlagert und führen zu einer komplexen ineinander verwobenen Polykrise. Viele Menschen fühlen sich überfordert. Markus Vogt, Professor am Lehrstuhl für Christliche Sozialethik, LMU München, stellt in seiner Einführung eine „Transformationsmüdigkeit in der Gesellschaft“ fest. Nach zehn Jahren ist es Zeit, innezuhalten und nach neuen Wegen und Chancen zu suchen.

Laudato si‘
Die fossilen Ressourcen sind nahezu unendlich gegenüber der Aufnahmekapazität von CO2 in der Atmosphäre. Foto: Josef Fuchs

Ein Ansatz auf makroökonomischer Ebene

Für Ottmar Edenhofer, Direktor und Chef-Ökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, gehört der Satz „Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen und für alle.“ (LS 23) zu den wesentlichen und wichtigsten Aussagen der Enzyklika. Er ist Ausgangspunkt für seinen makroökonomischen Ansatz. Auf der einen Seite gibt es für die nächsten 100 Jahre genug Öl, Gas und Kohle. Anderersseits sind die „Deponiekapazitäten“ der Atmosphäre für Kohlendioxid (CO2) extrem begrenzt, wenn nicht planetare Grenzen überschritten und das weltweite Ökosystem nicht zerstört werden sollen. Einen Weg sieht Edenhofer darin, die fossilen Ressourcen institutionell und künstlich durch CO2-Bepreisung bzw. Besteuerung, Emissionshandel und Klimazöllen zu verknappen. Seit Jahren folgt die Europäische Union mehr oder weniger konsequent diesem Weg. Edenhofer ist bewusst, dass dies zu einer globalen Umverteilung führt, gegen die sich besonders Länder mit großen fossilen Rohstoffen, wie beispielsweise USA und Russland, wehren.


Rege Diskussion zwischen Ottmar Edenhofer und Pirmin Spiegel (v.r.n.l.), dahinter Andreas Batlogg. Foto: Josef Fuchs

Vielfältige Wege zum gemeinsamen Ziel

Im Anschluss der Ausführungen von Ottmar Edenhofer entwickelte sich eine kontroverse Diskussion, insbesondere zwischen ihm und Pirmin Spiegel, ehemaliger Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks MISEREOR. Spiegel geht von der Nachfrageseite aus und betrachtet die Klimakrise von der Perspektive der Armen im globalen Süden, die am wenigsten zum CO2-Ausstoss beigetragen haben.

Aus völkerrechtlicher Sicht betrachtet Sabine Schlacke, Professorin am Lehrstuhl für öffentliches Recht und Umweltrecht an der Universität Greifswald, die Enzyklika und deren direkten und indirekten Folgen. Im Pariser Übereinkommen von 2015 verpflichteten sich die Vertragsstaaten zur Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs von 1,5 °C. Darüber hinaus erstreckt sich die Pflicht zum Klimaschutz über den Internationalen Gerichtshof in Den Haag auch auf andere Staaten aus, wenn nicht unmittelbar bindend. Juristisches Aufsehen erregte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 24.03.2021 zum Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG 2019). Es erklärte das KSG teils für verfassungskonform, teils für verfassungswidrig.

„Wir sind Erde“ – eine musikalische Interpretation von Laudato si‘

Nach einem Tag intensiven Probens fand Joseph Bastian, Chefdirigent und Künstlerischer Leiter der Münchner Symphoniker, noch die Zeit, über die Bedeutung von Religion und Musik für den gesellschaftlichen Wandel zu referieren. Zu allen Zeiten war die Natur Gegenstand musikalischer Interpretationen. Im Bereich der klassischen Musik dürfte Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ das bekannteste Werk sein. Aber auch in der zeitgenössischen Rock- und Popmusik sind solche Interpretationen bekannt. Die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik gibt es anscheinend nur im deutschsprachigen Raum.

Um nicht nur auf der theoretischen Ebene zu bleiben, endete die Veranstaltung mit einem musikalischen Höhepunkt. Die Mezzosopranistin Bella Adamova sang eine Arie aus dem weltlichen Oratorium „Wir sind Erde“. Am Klavier wurde sie vom Komponisten des Oratoriums Gregor Mayrhofer begleitet. Initiert und finanziell unterstützt wurde das Oratorium von der Stiftung kulturelle Erneuerung. Markus Vogt schrieb, inspiriert von Laudato si‘, das Libretto dazu, das dann als Vorlage für den Gesangstext diente. Am 13.11.2022 wurde das Oratorium in der Berliner Philharmonie vom Berliner Orchester des Wandels unter der Leitung von Gregor Mayrhofer uraufgeführt.

Lesetipp: Wir sind Erde


Bella Adamova und Gregor Mayrhofer bedanken sich für den großen Applaus. Foto: Josef Fuchs

Franziskus‘ Erbe für die Schöpfung

Mit der Enzyklika Laudato si‘ hat Papst Franziskus uns allen Menschen ein Erbe für die Schöpfung hinterlassen. Die Enzyklika ist ein offenes und interpretierbares Schreiben, das die Chance bietet, es weiter zu entwickeln und auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu diskutieren. Es liegt an uns, die Nachkommen, dieses Erbe anzunehmen und zu pflegen. Wir alle müssen begreifen, „wir sind Erde“!

Literaturhinweise: Jan Grossarth: „Jedwede Klimapolitik legt sich mit den großen Autokratien automatisch an“, WELT+ vom 03.10.2025
Ottmar Edenhofer und Cecilia Kilimann: Zehn Jahre Laudato si‘, Papst Leo XIV. und das Dilemma der internationalen Klimapolitik – Zur Zukunft der globalen Gemeinschaftsgüter, Stimmen der Zeit – 9/2025.
Reiner Manstetten und Malte Faber, Ist die Welt noch zu retten? Zur Enzyklika Laudato si‘ von Papst Franziskus, Springer Verlag, Heidelberg, 2025 (erscheint im November / Dezember 2025)

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf