
Shakespeare hat Burn Out
William Shakespeare (Thomas Mayer) kann nicht mehr, er hat eine Schreibblockade. Foto: Selina Benda
Theaterpremiere Junge Bühne Miesbach
„Mein Verstand ist ein trostloses Brachland“ – eine Schreibblockade, und das beim größten Dramaturgen der Geschichte. Was die literarische Verkalkung William Shakespeares an Chaos anrichten kann, wird in der Komödie „Viel Lärm um Will“ mehr als deutlich. Die Junge Bühne Miesbach bringt derzeit den Fünfakter von John Patrick Schöllgen auf die Theaterbretter und beweist unter der Regie von Regina Weber-Toepel wieder einmal ihre Spiellust und Professionalität.
Zugegeben, hört man William Shakespeare könnte man sich schnell als literarischer Kulturbanause outen, kennt man gerade mal das berühmte „Sein oder nicht sein“ und die Adaptionen von „Romeo und Julia“. Doch was die Junge Bühne Miesbach mit ihrer Interpretation der Shakespeare-Komödie schafft, ist es dem Publikum einen Abend voller Humor, Tiefgang und Schauspielkunst zu zaubern, in dessen Verlauf man zwangsläufig in die Biografie des englischen Lyrikers hineinbegleitet wird.
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Obgleich natürlich nicht alles stringent dem Lebenslauf des Dramaturgen folgt und es sich viel eher um eine skurrile Mischung seines eigenen Lebens, seiner berühmtesten Theaterstücke, Gerüchten und so manchem ausgedachten Charakter handelt.
Was schreibt Shakespeare als nächstes?
Alles spielt sich in London im Jahr 1599, auf dem Anwesen der Hathaways ab – bewohnt von der Familie von Richard Hathaway (Wolfgang Wastlhuber) sowie den Angestellten Zofe Dorvil (Verena Flossmann), Ursula (Monika Greindl) und Hausmeister Malvolio, welcher sehr humorvoll von Benedikt Bernöcker verkörpert wird. Der Dramaturg Shakespeare kommt dort für Proben mit seiner Theatertruppe „Lord Chamberlain´s Man“ unter, doch was sollen diese bloß proben? Denn von einem fertigen Stück ist Shakespeare, überzeugend von Thomas Mayer dargestellt, zu diesem Zeitpunkt so weit entfernt wie von einer Heirat.
Starke Anfangsszene: (v.l.) Barbara von Miller (Kempe), Thomas Mayer (Shakespeare), Sonja Fischbacher (Anne) und Xaver Bernöcker (Cowley). Foto: SB
Oh ja, auch die Liebe kommt in der Shakespeare Interpretation natürlich nicht zu kurz. Da kommt Anne Hathaway ihm genau richtig, denn die übt schon lange heftige Kritik an dem hochgelobten Schreiber und macht gleich zu Beginn des Stücks in einem, ja absolut bühnenreifen Dialog, ihren missfallenden Standpunkt klar. Die Latte für die restlichen zwei Stunden wird schon mit dieser Szene hochgelegt. Sonja Fischbacher verkörpert die Anne inbrünstig und versetzt in der Aufführung das Publikum in so manch faszinierte Atempause und Gänsehautmoment, ob ihrer Sprachgewandtheit und authentischen Spielweise.
Schauspieltruppe außer Rand und Band
Shakespeare hat natürlich noch so manch interessanten Charakter in seiner Schauspieltruppe im Schlepptau und übersieht, völlig zerfressen von seiner Schreibblockade, was sich hinter seinem Rücken an Dramen abspielt. Der vergrämte Don Johnson – Mimik- und Stimmgewaltig von Nikolaus Ruml gespielt – intrigiert boshaft innerhalb der Truppe gemeinsam mit Puckerton, der von Helmut Enzinger dargestellt wird, um den Theaterinhaber Richard Burbage (Simon Zirngibl) los zu werden.
Lug und Trug: (v.l.) Nikolaus Ruml (Don Johnson), Verena Flossmann (Dorvil), Helmut Enzinger (Puckerton) und Benedikt Bernöcker (Malvolio). Foto: SB
Hero Hathaway, die Schwester von Anne, wird überzeugend naiv von Veronika Halmbacher interpretiert und steckt in einem Liebeswirrwarr mit dem Theaterdarsteller Cardenio. Michael Probst überzeugt in seiner Rolle mit einer derart gezielten Sprachbehandlung und Körpersprache, dass nicht nur die Locken seiner Perücke im Dauertakt springen, sondern auch die Bäuche des Publikums vor Lachen wackeln. Überhaupt gelingt es dem Ensemble um Regisseurin Regina Weber-Toepel brillant, die wortreichen Dialoge und Monologe in gezielter Tonalität und Tempi wiederzugeben, dass den Zuschauern nur noch das verblüffte Mund-offen-stehen-lassen übrigbleibt.
Das Liebesdrama: (v.l.) Wolfgang Wastlhuber (Richard), Veronika Halmbacher (Hero), Ute Bauer (Hexe) und Michael Probst (Cardenio). Foto: SB
Gewürzt wird die komplexe Geschichte mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor, den die Wach- und Schließgesellschaft – in Persona Barbara von Miller, Haver Bernöcker und Roman Postel – mit ihren völlig abstrusen Wortspielen und Spielszenen einbringt und durch die Interaktion mit dem Publikum das Stück auf Meta-Ebene hebt. Da bleibt kein Auge trocken vor Lachen, dafür sorgen die drei Darsteller der Jungen Bühne erfolgreich.
Humor, Musik und Tiefgang
Getragen, umrahmt und atmosphärisch wird die Inszenierung derart faszinierend von Klara Seeger an der Harfe und Katharina Bucher am Hackbrett unterstützt, dass sich das Publikum so manchen Zwischenapplaus für die beiden Musikerinnen nicht verkneifen konnte. Beeindruckend, wie es mit einem reduzierten Bühnenbild gelingt, den Fünfakter derart abwechslungsreich darzustellen, dass es dem Zuschauer nicht mehr auffällt. Die Mischung aus historischen Referenzen und modernen Elementen in Kostüm und Bühnenbild, wie etwa ein zum Einsatz kommendes Laserschwert oder Bierpong als Zeitvertreib, bringen eine Portion Ironie mit sich.
Skurrile Szenen: (v.l.) Sonja Fischbacher (Anne), Monika Greindl (Ursula), Veronika Halmbacher (Hero) und Verena Flossmann (Dorvil). Foto: SB
Doch wo ist bei alledem William Shakespeare? Der ist mit drei Hexen – genial von Ute Bauer gespielt – und der Hassliebe zu Anne Hathaway beschäftigt, die von sich selbst sagt: „Männer schmecken mir nicht, sie sind zäh und ungenießbar.“ Das Ensemble schafft es neben all dem Humor zudem auch noch, historische und aktuelle gesellschaftliche Missstände anzusprechen.
Die Junge Bühne Miesbach überzeugt mit ihrer Shakespeare-Komödie das Publikum. Foto: SB
Doch zu viel sei an dieser Stelle nicht verraten, denn wer sich „Viel Lärm um Will“ der Jungen Bühne Miesbach entgehen lässt, dem sei an dieser Stelle nicht mehr geholfen. Die vielen Zwischenapplause, Lacher und gespannte Aufmerksamkeit des Publikums sowie der minutenlange Schlussapplaus bei der Premiere im Saal des Bräuwirt Miesbach lassen jedenfalls keinen Zweifel mehr offen – auch nicht bei den Nicht-Shakespeare-Kennern: traut euch und lasst euch begeistern.
Die Theatergruppe sucht zudem für ihre Kulissen in der theaterfreien Zeit einen trockenen, abschließbaren Bereich von ca. 15 bis 20 Quadratmeter im Raum Miesbach. Kontakt unter jungebuehnemiesbach@googlemail.com.