Alexander Pointner an der Orgel

Orgelspektakel zum Stummfilm

Alexander Pointner begleitet den Stummfilm live an der Orgel. Foto: Andrea Reents

Filmvorführung mit Live-Improvisation in Miesbach

Kino in der Kirche? Und ob. Diesmal war es sogar ein echtes Spektakel: Ein Gruselfilm aus dem Jahr 1913. Nicht jugendfrei, damals. Heuer mit Alexander Pointner, der an seiner Orgel wahrlich alle Register zog.

Wahrscheinlich hat es so etwas noch nie gegeben, meinte Martin Reents vom „Kino in der Kirche“-Team zur Einführung in die Veranstaltung am Freitag Abend in der Apostelkirche der Evang.-Luth. Kirchgemeinde Miesbach: Einen Gruselfilm in der Kirche. Und dazu mit Live-Improvisation auf der Orgel. Obwohl sich mit Livemusik begleitete Stummfilme in den letzten Jahren wieder größerer Beliebtheit erfreuen, ist die Begleitung an der Orgel eine Seltenheit. Und ein echter Augen- und Ohrenschmaus. Denn die Leinwand ist riesig, die Akustik ausgezeichnet und Alexander Pointner einer der wenigen Organisten, der die Kunst der Improvisation und des genauen Timings beherrscht.

Es ist wieder Kino-in-der-Kirche-Zeit: Diesmal mit Livemusik von Alexander Pointner an der Orgel zum Stummfilm
Es ist wieder „Kino in der Kirche“-Zeit!. Foto: Ines Wagner

In Miesbach kamen am Freitag in der Apostelkirche die Fans von Stummfilm und vor allem von Alexander Pointner, der das Miesbacher Gymnasium besuchte, nun bereits zum fünften Mal in diesen Genuss. Und weil sich Besonderes immer schnell herumspricht, war die Kirche bis auf die letzten Plätze gefüllt. Nach der Aufführung des „Faust“ im letzten Jahr stand jetzt der Stummfilmklassiker „Der Student von Prag“ auf dem Programm.

Der 1913 an Originalschauplätzen in Prag gedrehte Film sei keine leichte Kost, hieß es eingangs. Hauptdarsteller des Films war der berühmte Theaterschauspieler Paul Wegener vom Deutschen Theater Berlin. Eine Parallele übrigens auch an den Tegernsee: Paul Wegener war ein enger Freund Olaf Gulbranssons, wie ein überlieferter Briefwechsel mit Illustrationen von Wegeners Kopf belegen.


Olaf Gulbransson – Brief an Paul Wegener. Foto: KN

Der Film basiert auf einer Novelle des Oberbibliothekars Balduin Möllhausen, der in der Tradition unheimlicher Geschichten von Edgar Allan Poe und E.T.A. Hoffmann schrieb. Der arme Student Balduin verkauft sein Spiegelbild für 100.000 Gulden dem Scharlatan Scapinelli, erkauft sich damit gesellschaftlichen Ruhm und erobert das Herz der Komtesse Margit. Aber sein schauriges Spiegelbild begleitet ihn nicht nur auf Schritt und Tritt, sondern zerstört sein Leben. Die doppeltbelichteten Szenen, in denen das „zweite Ich“ Balduins auftauchen, waren revolutionär und machten den Film schon früh zu einem Kunstwerk.

Zehntelsekundengenaues Orgelspiel

Ohne eine einzige Note, ganz improvisierend, begleitet Alexander Pointner den Film Szene um Szene. Wo sonst die Partitur liegt, steht ein Bildschirm, damit die Musik zehntelsekundengenau auf die Handlung passt. Keine einfache Sache bei einem Film von 85 Minuten. Aber Pointner hat sich gut vorbereitet. Er improvisiert über Leitmotive, den Doppelgänger begleitet er beispielsweise mit Klängen Franz Schuberts, das Zigeunermädchen Lyduschka mit böhmischen Melodien.

Alexander Pointer zieht alle Register

Erstaunlich, fantasievoll und ungewohnt schallt die Orgel von der Empore. Sie erfüllt den Kirchenraum, spektakulär aufbrausend, feingliedrig perlend oder keck tirilierend. In den Szenen einer Jagd meint man Posaunen und Fanfaren zu vernehmen. Pointners kreatives Spiel zieht die Zuschauer hinein in die wackeligen schwarz-weiß-Bilder, die unheimlichen Grimassen des entsetzten Balduins, die starre Maske seines Doppelgängers. Ja, es ist ein unheimlicher Film. Am Ende triumphiert die Orgel mit Scapinellis Siegesgelächter und der Spiegelbild-Doppelgänger hockt stumm auf Balduins Grab.

Alexander Pointner begleitet live an der Orgel den Stummfilm "Der Student von Prag"
Szene aus dem Film: Entsetzt erblickt Balduin seinen Doppelgänger. Foto: KN

„Man kann kaum wünschen: Gute Unterhaltung!“, meinte Organist Alexander Pointner zu Beginn, eher: „Schön, dass Sie sich darauf einlassen.“ Ja, das haben wir! Der nächste Stummfilmklassiker ist bereits in Planung und nächstes Mal braucht man vielleicht schon zusätzliche Klappstühle, aber: Wir werden uns gerne wieder drauf einlassen!

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