Wenn Geschwister Abschied nehmen müssen

Die Mitwirkenden mit ihrer Regisseurin. Oben: Basti, Hannah, Adeline, Alina, Finley, Laurin, Romy, Helena, Helene, Lilly, Katharina, Fiona, Unten: Christoph, Hannah, Julius, Alexander, Stefanie, Konstantin, Alina. Foto: Stefanie von Poser.

Theater in Weyarn

Stille und dann nicht enden wollender Applaus, im Stehen. Viele Taschentücher, keine Worte vor Rührung aber auch vor Hochachtung finden können. So endete ein Jugendprojekt von KulturVision in Kooperation mit der Hospizgemeinschaft im Domicilium Weyarn.

Beide Vereine feiern in diesem Jahr ihren 20. Geburtstag. Grund genug, etwas gemeinsam zu organisieren. Nach den Veranstaltungen im Rahmen der Aktionswoche „Angst und Hoffnung“ im Domicilium war es der Wunsch beider Vereine, das Thema Tod und Sterben mit Jugendlichen zu bearbeiten.

Stefanie von Poser
Stefanie von Poser führt in das Projekt ein. Foto: MZ

Dazu gelang es, Stefanie von Poser zu gewinnen, die schon vor Jahren das Theaterstück „Schwestern“ von Theo Fransz mit zwei professionellen Schauspielerinnen inszeniert hatte. Die aus vielen Film-, Theater- und Fernsehproduktionen bekannte Schauspielerin wird ab nächste Woche wieder als Emily in der ZDF-Serie „Die Bergretter“ zu sehen sein.

Jetzt aber sollten Jugendliche spielen. Die Schauspielerin und Regisseurin führte dazu Schülerinnen und Schüler des Karlsgymnasiums in München und des Gymnasiums Miesbach zusammen. Und sie nannte das Stück entsprechend der zwei Geschlechter genderfrei um in „Geschwister“. Nicht Mathilde und Zus wie im Original, sondern Conny und Lu heißen die beiden Protagonisten.

Ihre Idee war es darüber hinaus, bei den einzelnen Szenen die Darsteller zu wechseln. Um bei den 18 Mitwirkenden den Überblick zu behalten, waren Conny und Lu jeweils unterschiedlich gekleidet.


Laurin und Christoph. Foto: MZ

Das Stück von Theo Fransz erzählt auf berührende Weise, wie zwei Geschwister es schaffen, voneinander Abschied zu nehmen. Ganz langsam erschließt sich dem Zuschauenden, was hier passiert. Ein Junge liegt im Bett und will schlafen, ein zweiter steht daneben und friert. „Du hältst mich jede Nacht wach, geh doch weg.“

Jede Nacht kommt Lu und sucht Wärme bei Conny. Jede Nacht sprechen die Geschwister miteinander und spielen, so wie sie es früher gemacht haben. Sie streiten und lachen miteinander. Lu tröstet Conny, denn diese/r meint an dem schrecklichen Unglück, bei dem Lu gestorben ist, Schuld zu haben.


Finley und Konstantin. Foto: MZ

In sehr unterschiedlichen Szenen begegnen sich die Geschwister, sie machen Rollenspiel, sie spielen Prinz und Prinzessin, Lu erzählt von ihrer Existenz nach dem Tod, von Sphärenmusik, die die Lebenden nicht hören können, von Engeln, die ganz anders aussehen als die Lebenden sich ausmalen.

Conny kann sich nicht trennen: „Ich will nicht, dass es vorbei ist.“ Sie/er erzählt, dass die Eltern meinen, sie/er sei verrückt geworden, weil sie/er nachts immer spricht. „Sie wollen mich zu jemandem schicken.“ Und Conny fragt: Warum hast du nicht auf mich gehört?“


Fiona und Alina. Foto: MZ

„Bleib stehen“, rief sie/er, als der Zug kam, und „ich habe dich ermordet“. Zarte, berührende Szenen wechseln sich ab mit lustigen und lauten, etwa als die beiden Geschwister das Märchen von Prinz und Prinzessin spielen. Conny will, dass das Märchen gut ausgeht, aber Lu meint, Märchen seinen nie fair.


Tanzszene. Foto: Stefanie von Poser

Mehrfach baut Stefanie von Poser Tanzszenen ein, bei denen alle Mitwirkenden dabei sind, fröhliche, heitere Musik, lachende Gesichter.

Dann aber: „Ich will nicht mehr mit dir tanzen, du bist tot“, sagt Conny. Und Lu antwortet: „Ich will dir helfen.“ Aber Conny sagt: „Ich will auch tot sein.“ Lu möchte, dass Conny Abschied nehmen kann, dass sie aufhört zu trauern, damit auch sie/er gehen kann und frei ist. „Ich will weg, wenn du lachst, kann auch ich lachen.“

Stefanie von Poser
Alina und Alina. Foto: MZ

„Aber wo gehst du hin?“ fragt Conny, „zu Oma?“ Und beide schütteln sich bei dem Gedanken, dass es dann Nierchen zu essen gibt.

Mit einem letzten Kuss verabschieden sich die Geschwister voneinander und das letzte Lied fasst die Botschaft des Stückes zusammen: „Ich will keine Trauerreden, ich will, dass ihr feiert. Das Leben ist schön und ich singe mit euch mit.“


Basti und Katharina. Foto: MZ

Das Stück ist ein Balanceakt, in dem das Thema Tod gleichermaßen ernst und humorvoll mit temperamentvollen Dialogen, Spielen, Tänzen und Musik behandelt wird. Stefanie von Poser gelingt es, das Tabuthema Tod eines Kindes fantasievoll mit ihren 18 Jugendlichen umzusetzen. Sie alle spielen großartig, voller Hingabe, authentisch, witzig, berührend und schenken damit dem Publikum Mut und Zuversicht.

Die Gäste im vollbesetzten Saal des Domicilium waren sich einig: Das muss noch viel öfter aufgeführt werden. Gestern spielte das Ensemble im Karlsgymnasium München.

Das Projekt „Geschwister“ ist Teil des Jugendprojektes JuKu, das Miesbacher Jugendliche des Haindlkellers mit Unterstützung durch das Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit organisiert haben und das nach mehreren Workshops am 15. November mit einer Vernissage und einer Jugendbürgerversammlung und am 16. November mit einem Bunten Abend mit Theater, Musik, Poetry Slam und anderem zu Ende geht.

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