
Zwischen Himmel und Erde
Elisabeth Mücksch, Johanna Veit, Tenor Friedrich Bracks, Jonathan Kilian Müller Saretz und Michael B. Gernert (v.l.). Foto: MH
Konzert in Gmund
Lieder der besonderen Art bot das Calmus Ensemble aus Leipzig seinem Publikum beim Internationalen Musikfest am Tegernsee. Fünf Sänger und Sängerinnen interpretierten a-cappella-Musik vom Feinsten unter dem Titel „Zwischen Himmel und Erde“ und fanden dabei zu einem betörenden Wechselspiel zwischen Tag und Nacht, Geist und Natur.
Die Tenne in Kaltenbrunn war wieder Treffpunkt einer erlesenen, kundigen Zuhörerschaft, die konzentriert und genussvoll den beiden Sängerinnen Elisabeth Mücksch (Sopran) und Johanna Veit (Alt) sowie dem Tenor Friedrich Bracks, dem Bariton Jonathan Kilian Müller Saretz und dem Bassisten Michael B. Gernert lauschte.
Musik in der Tradition des Thomanerchors
Schon seit über 25 Jahren besteht das Calmus Ensemble, das geprägt ist von der Musik des einzigartigen Thomanerchors und von Leipziger Komponisten. Auch die jetzigen Mitglieder fügen sich traumhaft in diese Tradition ein und singen sowohl Musik im alten Kirchenstil der Renaissance als auch klassische Chorstücke und Werke der Romantik bis hin zu Pop, Jazz und Neuer Musik. Sie beherrschen sämtliche Stilrichtungen und Epochen und geben an diesem Abend einen kleinen Einblick in ihr umfassendes, sängerisches Können.
Der rote Faden
Als roter Faden zieht sich eine Messvertonung des englischen Komponisten William Byrd (1543-1623) durch den Abend. Beginnend mit dem Kyrie aus der Messe für fünf Stimmen, kurz und prägnant vorgetragen, stilistisch und sängerisch perfekt intoniert, werden im Folgenden das Gloria, das Credo, Sanctus und Benedictus sowie das Agnus Dei ebenso glänzend zu Gehör gebracht. „Im 16. Jahrhundert waren Messen nach katholischer Liturgie in England verboten und wurden deshalb in Privathäusern aufgeführt“, erklärt Jonathan Kilian Müller Saretz zu Beginn. „Es gab Priesterlöcher, also geheime Räume, in denen Priester versteckt waren.“ Gefühlvoll, klar, gleichsam in höhere Sphären vordringend und mit intensiven, reinen Tönen begeistert das Calmus Ensemble mit dieser lateinisch gesungenen Messe.
Liedgut aus verschiedenen Epochen
Geschickt führen die Ensemblemitglieder abwechselnd in die einzelnen Programmblöcke ein. Von Johann Georg Ebeling (1637-1676) tragen sie ein bewegendes Morgenlied vor. „Die güldene Sonne“ wird zu einem kunstvollen Stimmungsbild. Akzentuiert und mit großer Textverständlichkeit dringt das Ensemble in himmlische Sphären vor und beschreibt gleichzeitig romantisch die Natur. Beim „Morgengebet“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) schwingen sich die fünf exzellenten Stimmen sehnsuchtsvoll in ungeahnte Höhen. Für die drei kurzen Lieder von Johannes Brahms (1833-1897) stellen sich die Sängerinnen und Sänger an drei unterschiedlichen Plätzen im Saal auf und vermitteln so ein differenziertes Hörerlebnis. Der Klang kommt klar und direkt an. Die hellen Stimmen weiten den Raum und treffen in Herz und Gemüt. Schade, dass an diesem Abend viele Stuhlreihen unbesetzt blieben und diese Gesangskunst nur einem erlesenen Publikum vorbehalten war.
Weiter ging es mit dem Leipziger Block in „nächtliche Gefilde“. 25 Jahre war Gustav Schreck (1849-1918) als Thomaskantor tätig. Hugo Distler (1908-1942) lebte und studierte in Leipzig und auch Max Reger (1873-1916) war einige Jahre hier als Universitätsmusikdirektor ansässig und lehrte als Professor am Königlichen Konservatorium.
Geschichten vom Leben, Einblicke in tiefe menschliche Gefühle, Ängste und Nöte, nächtliche Sorgen und Gedanken beschreiben diesen Liedblock. Traurig, melancholisch, fast tragisch muten die Gesänge an. Wunderbar aufeinander abgestimmt, einander zugewandt, scheinbar leicht und unangestrengt, doch hörbar präzise, präsentiert sich das Ensemble in diesem Spannungsfeld zwischen sakralem und irdischem Liedgut.
Loreley, Liebeslieder und Vogelstimmen
Verwoben, verlockend, verzückt bewegen sich die Künstler im zweiten Teil zwischen den sirenenhaften Werbungen der bekannten Melodien der Loreley, volkstümlichen Liebesliedern und fröhlichem Vogelgezwitscher.
„Wir singen die Lieder oft nicht so wie sie komponiert wurden“, erklären Elisabeth Mücksch, Johanna Veit und auch Friedrich Bracks augenzwinkernd unterhaltsam und unterstreichen die Wertigkeit ihres frischen, unverwechselbaren Sounds.
Wieder sehr textverständlich, anrührend, mit leichter Ironie vorgetragen, singen sie Heinrich Heines Gedicht „Die Loreley“ aus dem Jahr 1824 in der Liedfassung von Friedrich Silcher (1789-1860) und wenden sich dann nochmals mit dem Volkslied „Da unten im Tale“ Johannes Brahms zu und zitieren den Text: „Da unten im Tale läuft`s Wasser so trüb und i kann dirs nit sagen, i hab di so lieb.“ Mit Gustav Holst (1874-1934) und dem Liebeslied „I love my love“ beschließt das Ensemble den manchmal traurigen Liebesreigen.
Zum Schluss wird es richtig fröhlich. Da freuen sich die Vögel über den Beginn des Frühlings und schnattern und gackern und jubeln und jauchzen. Nun kann das Quintett sein komödiantisches Talent entfalten und auf Englisch und Französisch voll ausleben.
Nach dem frenetischen Applaus besticht das Calmus Ensemble mit modernen, witzigen, jazzigen Zugaben und sagt: „Das können wir auch.“ Stimmt!
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