Holocaust

Alfred Roßner ist der Oskar Schindler des Vogtlandes

Buchcover „Der stille Handel“ von Hannah Miska. Foto: MZ

In „Schindlers Liste“ lernten wir einen Industriellen kennen, der zahlreiche Juden vor dem Transport nach Auschwitz rettete. Er war nicht der einzige Held. Hannah Miska porträtiert in ihrem Buch „Der stille Handel“ einen weiteren Lebensretter im Schatten der SS. Ein Beitrag zum 27. Januar.

Im Holocaust-Museum in Melbourne traf die Schlierseer Autorin Hannah Miska Überlebende der Judenverfolgung des NS-Regimes. Aus den Gesprächen mit ihnen entstand das Buch „So weit wie möglich weg von hier – Von Europa nach Melbourne – Holocaust-Überlebende erzählen“. Besonders beeindruckte sie die Begegnung mit Kitia Altmann, geborene Szpigelman.

Lesetipp:

KulturBegegnungen Nr.27, Seite 21

Gerechter unter den Völkern

Diese verdankte ihre Rettung Alfred Roßner und hatte den erfolgreichen Antrag in Yad Vashem initiiert, ihn als den „Gerechten unter den Völkern“ zu ehren. Sie schrieb auch ein Buch über die im Holocaust ermordeten Menschen, die ihr begegnet sind. Um sich derer zu erinnern, die niemanden haben, der an sie denkt.

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Cesia Sznall und Kitia Szpigelman v.l. vor dem Tode gerettet durch Alfred Roßner 1945 in Schweden. Foto: privat

Kitia Altmanns Erzählungen über ihren Lebensretter Alfred Roßner weckten die Neugier Hannah Miskas für diesen Mann, den ebenfalls kaum jemand kennt. Aber auch beim Mitteldeutschen Verlag in Halle, bei dem das erste Buch der Autorin erschien, war das Interesse groß. Geschäftsführer Roman Pliske habe sie gefragt, ob sie eine Biografie über Roßner schreiben wolle, erzählt Hannah Miska.

Alfred Roßners kurzes Leben

Damit habe eine interessante aber auch mühselige Recherchearbeit begonnen, die sich aber letztlich lohnte. Hannah Miska fand Nachkommen derjenigen, die in Alfred Roßners kurzem Leben von 1906 bis 1943 eine Rolle spielten, sie recherchierte im Internet und fand im Geburtsort Roßners, im vogtländischen Falkenstein, Unterstützung.

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Autorin Hannah Miska. Foto: privat

Dort fand auch die Buchpremiere statt, zu der sehr viele Interessierte kamen, freut sich die Autorin. Die offiziellere Premiere wird im April im Museum für Stille Helden in Berlin stattfinden. Zudem habe der Verlag Lesungen zur Leipziger Buchmesse organisiert.

Thema für die Schulen

„Ich wünsche mir, dass das Thema auch in den Schulen behandelt wird“, sagt die Schlierseerin, sie komme gern zu Lesungen. Denn die Botschaft, die Friedensnobelpreisträger Eli Wiesel so formulierte: „Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Schweigen ermutigt den Peiniger, niemals den Gepeinigten“ ist in der heutigen Zeit besonders wichtig.

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Alfred Roßner (rechts) mit Freunden vor Ausbruch des Krieges im Vogtland. Foto: privat

Alfred Roßner war im Unterschied zu Oskar Schindler kein selbständiger Unternehmer, sondern Angestellter der SS. Damit, so erzählt Hannah Miska, habe er weniger Geld und auch weniger Freiraum gehabt. Aber er schöpfte alles, was möglich war, aus, selbst ständig sich der Gefahr der Verhaftung aussetzend.

Angst, Zivilcourage und Liebe

In Oberschlesien wirkte er als Treuhänder einer Textilfabrik und forderte polnische und jüdische Arbeiter an, um Uniformen zu nähen. Damit bewahrte er zahlreiche Menschen der Gegend vor der Deportation. Sein Wirken hat die Autorin in Romanform verfasst und ein spannendes, lebendiges Buch geschrieben. Neben all der Not, der Angst, aber auch der Zivilcourage, kommt die Liebe nicht zu kurz, denn Alfred Roßner hatte auch eine Geliebte.

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Roßners große Liebe Lena mit Sohn Dietrich 1951. Foto: privat

Deren Sohn hat Hannah Miska in Israel aufgespürt und sich umfassend mit ihm über das Leben seiner Mutter ausgetauscht. „Ich hatte keine Lust, eine trockene Biografie zu schreiben“, sagt sie, „das Buch soll die Herzen der Menschen erreichen.“

Seinem Gewissen gefolgt

Das tut es ohne jede Frage. Der Leser lebt und leidet mit den Figuren des Romans und er erfährt eine Menge Wissenswertes über die Zeit der Kriegsjahre in Ostoberschlesien, eine Region, über die es kaum Literatur gibt. Und er nimmt teil und darf sich anstecken lassen von dem Mut eines Mannes, der trotz Verfolgung und Angst seinem Gewissen folgt.

Morgen ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Hannah Miska fasst die Botschaft ihres Buches so zusammen: „Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Rassismus, Diskriminierung, Ausgrenzung und Antisemitismus wachsen immer wieder nach, wie wir oft genug beobachten oder gar erfahren müssen. Aus unserer Geschichte erwächst ein Auftrag: unsere jungen Menschen zu Mitbürgern zu machen, die aktiv etwas für die Demokratie tun, die mutig und couragiert auftreten und nicht wegsehen, wenn Unrecht geschieht.“

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