Künstliche Intelligenz hinter der Kamera

Erforscht, wie Künstliche Intelligenz im Film eingesetzt werden kann: Sylvia Rothe. Foto: Robert Pupeter

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Thema, dem wir im Onlinemagazin immer wieder nachgehen. Denn nur eine die Technikentwicklung begleitende Auseinandersetzung mit dem, was KI kann und was sie tun soll, ermöglicht einen Einsatz dieser Technologie, der den Nutzern zu Gute kommt. Zu den Einsatzszenarien von KI speziell im Film forscht Sylvia Rothe. Die studierte Mathematikerin ist Professorin für KI in der Medienproduktion an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München. Mit ihr haben wir darüber gesprochen, wo KI sinnvoll ist – und ob sie den Menschen irgendwann ersetzen wird.

Virtuelle Produktionen mit Künstlicher Intelligenz

KulturVision:
Frau Rothe, was genau macht man denn eigentlich als Professorin für KI in den Medien?

Sylvia Rothe:
Der Arbeitsbereich ist sehr vielfältig. Zum einen unterrichten wir natürlich die Studierenden in den neuen Möglichkeiten, die KI bietet und setzen uns dabei auch mit ethischen und rechtlichen Fragen auseinander. Zum anderen sind wir zusätzlich ein Forschungslehrstuhl und untersuchen, wie KI-Tools beschaffen sein sollten, damit Filmschaffende selbst kreativ bleiben können und nicht das Gefühl haben, die KI übernimmt. Eigentlich mag ich den Begriff „künstliche Intelligenz“ nicht. KI ist für mich ein Teilgebiet der Informatik – der Begriff „Kognitive Informatik“ würde besser passen –, aber das können wir nicht mehr ändern. KI ist ein Hilfsmittel, der kreative Input kommt vom Menschen. Ein zweites Forschungsthema sind barrierefreie Medien. KI kann dabei helfen, Filme mit Audiodeskription oder Gebärdensprache zu ergänzen. Wir untersuchen, welche KI-basierten Möglichkeiten es gibt, Filme in Leichter Sprache anzubieten. Ein weiteres Anwendungsfeld, mit dem wir uns beschäftigen ist VFX (Visuelle Effekte), wo tatsächlich die traditionellen Methoden und die KI-Methoden immer mehr miteinander verschmelzen.

KulturVision:
Kann man mit KI auch eine ganz neue Art von Filmen machen?

Sylvia Rothe:
Ja, das ist möglich. Momentan wird KI allerdings vor allem genutzt, um Filme kostengünstiger zu produzieren. Ein großes Thema sind aktuell virtuelle Produktionen. Dabei verschmelzen die digitale und die reale Welt. Es wird real vor einem virtuellen Hintergrund gedreht. Diese virtuellen Produktionen gewinnen im Moment an Bedeutung, weil man Ressourcen sparen kann. Wir erforschen, wie dabei KI genutzt werden kann und wie diese Tools geschaffen sein müssen. Ein Vorteil, den wir an der Filmhochschule haben: Wir können mit den Leuten, die auf diesen Gebieten arbeiten, Interviews führen und herausbekommen, was ihnen wichtig ist.


Dieses Foto zeigt den britischen Schauspieler Jason Statham – und wurde mit einer KI generiert. Manche Kommentatoren befürchten, dass Schauspieler und andere Medienakteure von KI ersetzt werden. Foto: pixabay

Ersetzt Künstliche Intelligenz den Menschen?

KulturVision:
Betrachtet man all diese Anwendungsgebiete von KI im Film, dann ist das ja ein sehr optimistischer Blick auf das Thema. Andererseits sehen viele KI grundsätzlich und auch im Bereich Kultur kritisch. Kommt diese Perspektive auch bei Ihnen und Ihren Studierenden vor?

Sylvia Rothe:
Ja, natürlich, die Studierenden sind oftmals sehr kritisch und wir diskutieren das. In der Europäischen Union arbeitet man an rechtlichen Vorgaben. Es gibt den EU AI Act [2024/1689], aber viele Dinge sind momentan noch ungeklärt. Klar ist aber auch: Es führt kein Weg an KI vorbei und sie bietet ja auch neue Chancen. Zum Beispiel sind für kleinere Produktionen mit KI Dinge möglich, für die sonst das Budget nicht ausreicht.

KulturVision:
Der Mensch wird also nicht von der KI ersetzt?

Sylvia Rothe:
Es werden bei manchen Tätigkeiten sicher in Zukunft weniger Menschen benötigt. Aber es entstehen auch jede Menge neue Betätigungsfelder. Und wir sollten auch nicht alles der KI überlassen. Wenn jemand gut schreiben kann und dies auch gern tut, warum sollte er es dann an eine KI abgeben? Mit Bildern ist es ähnlich. Aber nicht jeder ist ein Zeichentalent. Wer eine gute Idee hat, der kann KI nutzen, um diese zu visualisieren, verschiedenes ausprobieren um dann anderen zeigen zu können, so soll das Dorf oder der Hauptcharakter aussehen. So lange es den Wunsch nach Kreativität gibt, werden Menschen immer auch selbst gestalten.


KI ersetzt den Menschen nicht, sondern ermöglicht neue Spielräume. Foto: pixabay

Die emanzipatorische Kraft der Künstlichen Intelligenz

KulturVision:
Für viele Menschen drohen die echten Gefahren von KI an ganz anderer Stelle. Immer wieder genannt wird der ökologische Schaden, den die Verwendung von KI anrichtet.

Sylvia Rothe:
Ja, das stimmt, allerdings sind die Zahlen, die da genannt werden, nicht immer ganz korrekt. Und bei Social Media oder Youtube ist der CO2-Abdruck auch recht groß. Momentan wird viel daran gearbeitet, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Auch die großen KI-Anbieter wollen auf diesem Gebiet Kosten sparen und ich glaube, dass einige der Entwicklungen auch Positives in Sachen Klimaschutz bewirken können.

KulturVision:
Wir sprachen bislang immer davon, dass professionelle Filmemacher, Studios oder Produzenten KI verwenden. Ist KI nicht auch ein Instrument, um das Filmemachen jedem Menschen zu ermöglichen, KI also als Empowerment?

Sylvia Rothe:
Ja, diese empanzipatorische Kraft hat KI auf jeden Fall. Es gibt inzwischen ganze Communities, die mit Hilfe von KI Filme machen und sich gegenseitig unterstützen und austauschen. Das sind oft Menschen, die es lieben Filme zu machen, aber nicht die Möglichkeit haben, große Kameras oder große Studios dafür zu nutzen. KI kann ihnen dabei helfen, ihre Filmidee umzusetzen. Aber KI ist dabei nur ein Tool. Es braucht trotz allem das Wissen darüber, was einen guten Film ausmacht, wie Bilder wirken und wie man mit Geschichten Menschen erreicht.

Lesetipp: Sylvia Rothe: Von der Mathematik zum Dokumentarfilm

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