Natur und Kunst

Die Symbiose von Natur und Kunst

Die Skulptur nach der Verwandlung. Foto: MZ

Performance in Waakirchen

Seit sechs Jahren entsteht in einem Waldstück hinter Marienstein unterhalb des Rechelkopfes ein einzigartiges Kunstprojekt. Unter dem Titel AlmResidency arbeiten hier Kunstschaffende direkt in der Natur und für die Natur. Wir waren bei einer Performance dabei.

In dichtem Nebel und bei Regenschauern stehen wir auf einer Almwiese, etwa eineinhalb Stunden Fußmarsch von Marienstein entfernt. Vor uns eine Skulptur aus dünnen Eisenrohren. Stille. Vom Waldrand kommen vier Tänzerinnen und beginnen eine Kommunikation mit der Skulptur.

Natur und Kunst
Vier Tänzerinnen treten in Beziehung mit der Skulptur. Foto: MZ

Sie berühren sie, umschlingen sie, heben Teile davon vorsichtig auf und platzieren sie neu, sehr sorgsam, sehr achtsam gehen sie mit dem Werk um und verwandeln es durch ihren gemeinsamen Tanz. Die Szenerie wirkt durch den Nebel magisch und erhält ihren unwirklichen Reiz.

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Magischer Reiz der Performance im Nebel. Foto: Magdalena Jooss

Immer wieder probieren die vier Tänzerinnen neue Stellungen der Skulptur aus, prüfen das Gleichgewicht, justieren neu, finden dabei auch liebevolle Haltungen zueinander, bis sie schließlich mit der Verwandlung zufrieden scheinen und sich zurückziehen.


Auch die Tänzerinnen finden Beziehungen zueinander. Foto: MZ

Eleonore Barbara Bovet, Erica D’Amico, Nicola Kötterl und Helma Eichlinger sind professionelle Tänzerinnen aus München, die an diesem unwirtlichen Tag auf die Alm gekommen sind, um ein Werk von Herta Seibt de Zinser zu vollenden.

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Herta Seibt de Zinser. Foto: MZ

Die aus Peru stammende Künstlerin erzählt: „Ich habe 2021 an dem Projekt AlmResidency teilgenommen.“ Die Natur sei ihre Inspirationsquelle. In ihr arbeite sie und halte Zwiesprache mit der Pflanzenwelt. „Ich zeichne die Pflanzen ganz naturalistisch.“ Dabei geht sie auf jedes Detail genau ein, auch darauf, was ein anderer nicht sieht.


Eine abstrakte Interpretation. Foto: MZ

Diese Zeichnungen sind die Basis für die nachfolgende skulpturale Arbeit. Während sie streng realistisch zeichnet, sind die Skulpturen kein Abbilden mehr, sondern eine abstrakte Interpretation der Form mit gebogenen Eisenrohren. „Ich arbeite seit 20 Jahren in Metall“, sagt sie. Sie verwende 21 Millimeter dicke und zwei Millimeter starke Stahlrohre, die sie mit einem Schweißbrenner erhitzt und biegt. Einzelne Segmente steckt sie dann zusammen.


Die Verwandlung der Skulptur. Foto: Magdalena Jooss

Die endgültige Form hat immer etwas mit der ursprünglichen Zeichnung zu tun. „Die Performance zeigt jetzt, wie eine Verwandlung entstehen kann“, sagt die Künstlerin. Die Linien und Schwünge der Skulptur stehen für die Form der Pflanze, die sie hier gezeichnet hat.

Man muss die Skulptur umrunden, um den vollen Eindruck von der Wirkung zu erhalten, denn sie besteht ja eigentlich nur aus Luft, umgeben von dünnen Linien, die sich jetzt vor dem Nebel abheben.

Im Herbst des vergangenen Jahres lebte Herta Seibt de Zinser wie auch die drei anderen ausgewählten Kunstschaffenden Seunghoon Baek, Nelly Stein und Sobia Zaidi für zehn Tage in einer Almhütte hier am Rechelkopf und widmete sich ihre Naturstudien.

Lesetipp: Künstlerinn und Künstler zur Almresidency eingeladen

Die hundertjährige „Ochsenhütte“ sowie das etwas höher gelegene „Jagaheisl“ stellte Forstwirt Leonhard Bendel für das besondere Projekt zur Verfügung. In Magdalena Jooss und Janina Totzauer fand Leonhard Bendel zwei Münchner Künstlerinnen, die das Projekt „AlmResidency“ inhaltlich verstanden haben und in die Hand nahmen. Sie waren es auch, die die Tänzerinnen zur Performance auf der Almwiese einluden.

Lesetipp: Natur, Mensch, Heimat in der 33. Ausgabe der KulturBegegnungen, Seite 16 finden Sie ein Interview mit Leonhard Bendel.

Die Idee dabei ist, dass Künstlerinnen und Künstler in engem Kontakt mit der Natur in einfacher Weise leben und arbeiten. „Um den Raum oder das Waschwasser zu erwärmen, wird im Holzofen geheizt, das Wasser kommt direkt von der Quelle und der Strom vom Solarpanel vom Dach, als Kühlschrank dient der Kellerraum und geweckt wird man von den Vögeln im Wald und den ersten Sonnenstrahlen.“ So steht es auf der Webseite.

Kunst in der Natur

Jedes Jahr wird das Projekt ausgeschrieben und ein Juror wählt unter den Bewerbenden aus. Die Ergebnisse der Arbeit werden dann bei einer Ausstellung in München gezeigt. Aber nicht nur. Die Kunstwerke sollen auch Bestandteil der Natur werden und damit Wandernden zugänglich sein.

Auf dem Wurzelweg ist derzeit eine riesige Fotoplane installiert, auf der der Ort direkt dahinter zu sehen ist. Das Bild soll darauf hinweisen dass wir uns mehr auf das Jetzt um uns herum konzentrieren sollen, auf die eigentliche Schönheit der Natur. Dann finden sich am Ende des Weges verstreut die Spiegel der pakistanischen Künsterlin Sobia Zaidi, die allein im Winter auf der Hütte war. Durch das Fotografieren des sich selbst im Wald im Spiegel soll eine Interaktion entstehen zwischen dem Selbst, dem Inneren und der Natur um sich herum. Magdalena Jooss sagt: „Sie würde sich auch wahnsinnig freuen wenn die Wanderer sich selbst aufnehmen, mit dem Hasthag #asmuchearthasyouwant fotografieren, auf Instagram zum Beispiel hochladen.“

Die Arbeit der Schmuckkünstlerin Nelly Stein ist ganz überall im Wald verteilt, keiner weiß wo. „Sie hat Wanderschmuck gemacht und mit einem QR-Code versehen. Dieser erklärt dass dies Wanderschmuck ist, jeder darf ihn tragen, am Ende der Wanderung dafür einen anderen Ort aussuchen so dass der nächste ihn tragen kann!“; erklärt Magdalena Jooss.


Die Tänzerinnen ziehen sich zurück. Foto: Magdalena Jooss

Heute dürfen die Teilnehmenden der Performance auf der Almwiese einen Eindruck von der Symbiose von Natur und Kunst miterleben. Sie erleben aber auch, wie die Natur sich verändert hat. Unregelmäßiger Regen, dazwischen Dürreperioden setzen dem Wald und dem Boden zu. Wir stehen im Matsch, der Boden kann das Wasser nicht mehr aufnehmen.

So sind die Bewerberinnen und Bewerber für dieses Jahr dazu aufgerufen, sich auch mit diesem Thema wie auch den äußeren aktuellen Geschehnissen auseinanderzusetzen.

Die Ergebnisse von 2021 sind bei einer Ausstellung in München in der Adalbertstraße 44 bis zum 22. Mai zu sehen. Die Skulptur von Herta Seibt de Zinser wird am 27. Mai auf einer Waldlichtung zwischen den beiden Hütten fest verankert und bereichert damit die Symbiose und Natur und Kunst von AlmResidency. Die Bewerbung für 2022 ist abgeschlossen. Ein ausgeschilderter Wanderweg ist in Planung.

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