
Max Beckmann und das Meer
Michael Beck im Gespräch mit Mayen Beckmann und Dr. Hans-Werner Schmidt. Foto: MZ
Gespräch in Tegernsee
Zum Face to Face-Gespräch hatte Michael Beck, Vorstand der Olaf-Gulbransson-Gesellschaft, Mayen Beckmann, die einzige Enkelin von Max Beckmann, und Hans-Werner-Schmidt, ehemaliger Direktor des Museums der bildenden Künste Leipzig, geladen, um mehr über den Künstler und Menschen Beckmann zu erfahren.
Drei Bilder des „gigantischen Malers Max Beckmann“, wie Michael Beck eingangs sagte, sind in der aktuellen, von ihm kuratierten Ausstellung „Picasso – Beckmann – Turner. Geschichten, die das Meer erzählt“ im Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee zu sehen. Was sagen sie über den Künstler aus?
„War er ein glücklicher Mensch?“ ging Michael Beck sofort in medias res. „Ich bin ein unangenehmer Mensch, aber letztlich ein glücklicher Mensch“, zitierte Hans-Werner Schmidt den Künstler selbst. „Ich habe ihn als unglücklichen Menschen erlebt“, sagte Mayen Beckmann. Die Kunsthistorikerin und Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft für moderne Kunst am Museum Ludwig in Köln, die das Erbe des Großvaters verwaltet, konstatierte: „Er wäre lieber erfolgreich, glücklich und reich gewesen.“ Wenn die Nazis nicht in Deutschland die Macht übernommen hätten, dann hätte er anders gemalt.
Meer bei Ostende – Ostende im Sturm. Foto: MZ
Und sie fügte die Frage an: „Ist es gut, immer glücklich zu sein?“ Er habe das Glück gehabt, sein Unglück an der Staffelei zu überwinden, sagte Hans-Werner Schmidt. Max Beckmann gehörte zu den Künstlern, deren Werke von den Nationalsozialisten als „entartete Kunst“ abgewertet wurden, der Künstler emigrierte schon 1938 nach Amsterdam und ging 1947 in die USA.
Die ambivalente Person Max Beckmanns, der nicht nur ein großer Künstler, sondern auch ein eleganter Dandy war, zeige sich in dem Bild der Ausstellung „Meer bei Ostende – Meer im Sturm“, wies Michael Beck auf das in braunen Farben gehaltene Bild hin. Es zeigt den Blick aus dem Hotelfenster mit Staffelei und einer Flasche Wein, sowie eine hingeworfene Melone.
Abend auf der Terrasse. Foto: MZ
„Er liebte die Schaumkronen der Wogen und den Schaumwein in den Bars“, brachte es Hans-Werner Schmidt auf den Punkt. Der Leipziger Kunsthistoriker erklärte, dass sein Museum, obwohl Max Beckmann gebürtiger Leipziger sei, nur ein Bild von ihm gehabt habe. Die 1990 ausgerichtete große Beckmann-Ausstellung in Leipzig aber sei ein Flop gewesen. „Wir wollten ihn heimholen, aber da kam Ballermann“, das Publikum genoss die eben erworbene Freiheit und flog nach Mallorca. Durch eine großzügige Schenkung indes konnte das Museum Bilder erwerben.
Zurück zum Meer. „Für ihn war das Meer ein Medium der Freiheit“, sagte Mayen Beckmann, er habe es als Tourist und als Lebenserfahrung gesehen und als Partner. „Er hatte Angina pectoris und sollte nicht ins kalte Wasser gehen, aber er ging in Carmel in den Pazifik und schwamm weit hinaus.“ Diese Krankheit habe er klein geredet, in seinen Aufzeichnungen finde man die Worte: Wieder Ärger mit Peci gehabt, ergänzte Hans-Werner Schmidt. Letztlich starb der Künstler 1950 an einem Herzinfarkt in Manhattan.
Junges Mädchen am Meer. Foto: MZ
Im Zentrum der Tegernseer Ausstellung hängt ein unfertiges Bild des Künstlers aus dem Jahre 1939, das ein junges Mädchen zeigt. „Niemand weiß etwas über dieses Bild“, konstatierte Mayen Beckmann, „wahrscheinlich ist es eine Amerikanerin an der Riviera“. Es sei eine Zeichnung mit Pastell und nass übermalt mit einem undefinierten Horizont. Wäre es fertig geworden, hätte es die für Beckmann charakteristischen schwarzen Konturen, meinte Michael Beck. Dieses Bild stamme aus der Sammlung Stephan Lackner.
„Er war fasziniert vom zeichnerischen Duktus bei unfertigen Bildern Beckmanns“, erklärte die Enkelin. Der Sammler habe den Großvater, als er nach der Emigration knapp bei Kasse war, finanziell regelmäßig unterstützt. Max Beckmann sei eigentlich schon 1933 nach der Machtergreifung der Nazis heimatlos geworden, meinte Michael Beck und Mayen Beckmann ergänzte, er habe einen Tag vor der Ausstellung der „entarteten Kunst“ in München 1937 Deutschland für immer verlassen und 1947, als er endlich in Amsterdam einen Pass erhielt, Europa den Rücken gekehrt.
Gemeinsam mit seiner zweiten Frau, die er 1924 kennenlernte. Mathilde von Kaulbach habe jahrelang schon von ihm geträumt, erzählte Mayen Beckmann und bei der ersten Begegnung gewusst, das ist er. Der Künstler trennte sich von seiner ersten Frau Minna, aber beide Frauen hätten sein Leben geprägt.
Milton Avery: Sitzende am Meer. Foto: MZ
„Er war einer der größten Maler Deutschlands“, resümierte Michael Beck und bat seine zwei Gäste ihre Lieblingsbilder zu benennen. Er priorisiere das Hochformat, spannungsvoll habe hier der Künstler das Thema Meer ungewöhnlich eingeengt. Ihr Lieblingsbild sei das mit den blauen Wolken und in der Ausstellung gefalle ihr das Gute-Laune-Bild von Milton Avery sehr gut.
Egon Schiele: Hafen von Triest. Foto: MZ
Sein Favorit sei in der Ausstellung Egon Schiele, verriet Hans-Werner Schmidt. Auf die letzte Frage von Michael Beck, ob es denn einen Nachfolger Max Beckmanns gebe, antwortet der Leipziger Kunsthistoriker: „Von den Themen her ja, sonst nicht.“ Und er zitierte den Künstler selbst. Dass das Weltall groß und der Mensch klein sei, diese Einsicht verdanke er nicht den Wissenschaftlern wie Albert Einstein, sondern dem Verfasser eines Tangos.
Zum Weiterlesen: Das Meer kommt an den Tegernsee