Die Hinrichtung

Schwarzhumorige Persiflage auf Bürokratie

Der Delinquent (Tobi Egger) wartet auf die Hinrichtung. Foto: MZ

Theater in Bayrischzell

Eine bewunderungswürdige Leistung vollbrachten die drei Schauspieler der Theatergruppe Bayrischzell mit ihrer Version von Bernd Späths Erfolgsstück „Die Hinrichtung“, von der auch der Autor angetan war. Das Publikum feierte die Premiere mit nicht enden wollendem Applaus.

Vor zwei Jahren inszenierte Steffi Baier mit der Theatergruppe Irschenberg um Sepp Grundbacher das Stück, das an vielen Orten umjubelte Aufführungen erlebte. Valentinesk, schwarzer Humor, bitterböse, so schrieben wir in unserer Rezension.

Lesetipp: „Die Hinrichtung“: absurd, grotesk, valentinesk

Umso neugieriger war ich auf die Premiere in Bayrischzell, wo wir als letztes das Stück mit Lokalkolorit „Der Spieleabend“ erlebten.

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Die Dixilandler unterhielten das Publikum im gut gefüllten Klostersaal im Gasthof zur Post mit schmissigem Dixieland bis Martin Acher von der Theatergruppe begrüßte und für die Herrichtung des Saales insbesondere dem Kloster Scheyern, in dessen Besitz der Gasthof seit 2020 wieder ist, dankte.

Die Hinrichtung
Karl Acher und Tobi Egger. Foto: MZ

Das Bühnenbild in Grautönen und marodem Inventar deutet schon darauf hin, dass es ein düsterer Theaterabend wird. In der Mitte hängt das Seil über einer alten Kiste. Und dann tauchen die beiden Hauptprotagonisten auf. Karl Acher ist der Henker a.D Emmerenz Reichlmaier, unwirsch, da er eigentlich einen anderen Termin hat. Heute nämlich würde er als Ehrenschriftwart bei seinem Philantropie-Verein geehrt werden, muss aber für den verunglückten Henker einspringen.

Hilflos und wehleidig

Karl Acher spielt die Rolle des Emmerenz in all seiner Hilflosigkeit, Wehleidigkeit, aber auch Wut darüber, dass er hier nach unsäglichen Gesetzesvorschriften arbeiten muss, dass nichts bei dieser Hinrichtung klappt, ganz authentisch und nachvollziehbar.


Nichts klappt. Foto: MZ

Tobi Egger ist der fast Zweifachmörder Lorenz Demleitner, der zweite ist ihm nämlich ausgekommen. Worum es ging, wird nicht thematisiert, letztlich geht es nur um das Menschenunwürdige einer Hinrichtung, vom Autor in skurillen Szenen und scharfzüngigen Dialogen umgesetzt. Der Schauspieler spielt den Delinquenten, der auf einer ordnungsgemäßen Hinrichtung besteht „sonst gibt es eine Dienstaufsichtsbehörde“ und der ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Rauchen tötet“ trägt, in vollkommener stoischer Gelassenheit.

Gewaltige Textmenge

Er ist derjenige, der im Gegensatz zum Henker a.D. etwas von Handwerk versteht und versucht, die marode Anlage zu reparieren, schraubt, bohrt, hämmert, was das Zeug hält, wodurch es zu den verrücktesten Szenen kommt. Karl Acher und Tobi Egger haben nicht nur eine eineinhalbstündige Vorstellung mit einer gewaltigen Textmenge zu bewältigen, sondern müssen auch akrobatisch fit sein, beides klappt perfekt.


Karl Acher, Martin Wegscheider und Tobi Egger. Foto: MZ

Als dann Hausmeister Spitzelsberger zum Putzen auftaucht, wird das Chaos perfekt. Eigentlich ist das eine Frauenrolle, aber so verrät mir Bürgermeister Kittenrainer vor Beginn der Veranstaltung, Bernd Späth habe zugestimmt, dass die Rolle männlich besetzt werde. Martin Wegscheider setzt zunächst die Bühne unter Wasser, macht dann ausführlich Brotzeit, bringt dann aber die Philosophie ins Spiel, liest Seneca und doziert über Kant und Schopenhauer.

Komisch und ernsthaft

Sehr komisch wird es, als er auf „Beschluss der Bayerischen Staatsregierung“ ein Pissoir für den Delinquenten als letzte Handlung installiert, dessen Abfluss ins Publikum führt. Weniger komisch, eher ernsthaft geht jetzt die Handlung anders weiter als in Irschenberg.


Beim Studium der Gesetze. Foto: MZ

Die drei Protagonisten nämlich outen sich sämtlich als gescheiterte Juristen und ausgerechnet der Mörder hat als Jurist in Brüssel die EU-Richtlinie verfasst, wie eine Hinrichtung vorschriftsmäßig abzulaufen hat. Das folgende Gespräch der drei Beamten ist voller hintergründiger Anspielungen auf die Bürokratie. Es geht um die Richtlinie zur „Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Vollzugsgeräts im vormals geschädigten Zustand“. Absolut bewunderungswürdig, wie die drei Schauspieler das Juristenkauderwelsch herunterbeten, ohne sich zu verhaspeln.

Die Verwandlung

Tobi Egger spielt die Verwandlung vom Delinquenten zum Verwaltungsjuristen in Brüssel glaubwürdig. Karl Acher kann vermitteln dass er als Landesgerichtspräsident nur Aktenberge sah und zum Henker wechselte, um endlich einmal einen Erfolg bei der Arbeit zu sehen. Die ins Absurde gesteigerte Geschichte ergänzt Martin Wegscheider, der als Familienrichter scheiterte und Hausmeister wurde.


Die vier Personen aus dem Publikum sollen das Vollzugsgerät testen. Foto: MZ

Und dann müssen sogar noch vier Personen aus dem Publikum als „sackähnliche Dinge“ sicherstellen, dass die Wiederinbetriebnahme des Vollzugsgeräts im „selbstlosen Dienst an der Rechtsordnung“ funktioniert. Wie das alles dann ausgeht? Unbedingt anschauen!

Bernd Späth lobt die Schauspieler

Tosender Beifall. Bernd Späth lobt im anschließenden Gespräch mit Karl Acher, Tobi Egger und Martin Wegscheider die Inszenierung, auch den Einbau kleiner Extras, wie die Persiflage auf das Gendern oder den Lokalbezug, bei dem die Geitauer aufs Korn genommen werden. Dabei verraten die drei Schauspieler, dass sie ohne Regisseur ausgekommen sind und die Inszenierung zu dritt gestemmt haben. Chapeau!


Tobi Egger und Autor Bernd Späth. Foto: MZ

Die nächsten Vorstellungen Donnerstag, 9.2., Freitag, 10.2., Freitag, 17.2., Sonntag, 19.2. (auch um 15 Uhr) jeweils im Klostersaal im Gasthof zur Post Bayrischzell. Karten bei Schreibwaren Grimm, Telefon 08023-414 oder Abendkasse.

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