Der automobile Mensch

Der automobile Mensch

Parkplatz oder Innenstadt für Menschen? Filmfoto: Anschi Hacklinger

Kino in Weyarn

„Was glauben Sie, schaffen wir die Klimaziele noch?“, frägt die bekannte Stimme von Kabarettist Christian Springer im Trailer des Films „Der automobile Mensch“ von Reinhard Seiß. Organisatorin Anschi Hacklinger freute sich im vollbesetzten Kneipenkino der Weyhalla über das große Interesse auch aus den Nachbargemeinden.

Zum Film eingeladen hatten in Kooperation mehrere Arbeitskreise der Gemeinde Weyarn sowie der ADFC Miesbach. Kneipenkinochef Hubert Gilch kümmerte sich um die Ausleihe des Films.

Mit seinen lakonischen und bisweilen bitterbösen Kommentaren wurden die vielen Beispiele aus Österreich, Deutschland und der Schweiz zu einem wahrhaft unterhaltsamen Film. Und gelegentlich blieb einem das Lachen im Halse stecken ob der vielen Absurditäten, die sich verschiedene Verkehrsplaner leisteten. Im wahrsten Sinne des Wortes.

LKW oder Güterverkehr?

630 Millionen Euro kostete der Autobahnausbau im österreichischen Weinviertel, mitten durch schönste Natur. Für die Schiene war dann leider kein Geld mehr übrig. Am Genfer See schaffte man es, eine bestehende Zugstrecke für den Güterverkehr stillzulegen. Stattdessen fahren nun 80 LKWs. Jeden Tag.

Der automobile Mensch
Anschliessende Diskussion mit den Kinobesuchern. Foto: Olaf Fries

Es geht aber auch anders. Wenn man nur will, so Christian Springer. Der österreichische Filmemacher und Stadtplaner Reinhard Seiß drehte in vier Jahren über sechs Stunden Material in Sequenzen zwischen 3 und 10 Minuten. Inhalt sind neben den genannten Lehrstücken auch viele best practice Beispiele.

Bei Anfragen für seinen Film „Der automobile Mensch“ stellt der Regisseur den Film jeweils individuell zusammen, je nach Gegend und Bedarf. Denn natürlich gibt es einen Unterschied zwischen den Mobilitätsbedürfnissen auf dem Land und in der Stadt.

Stadtplanung für Menschen? Oder für Autos?

Gleich ist allerdings, dass in der Stadt- und Straßenplanung in den letzten Jahrzehnten vor allem für Autos gebaut wurde, weniger für Menschen.

Ausnahmen bestätigen die Regel. In Puchenau bei Linz gibt es die Gartenstadt. Kleine Wohneinheiten, Autos parken außerhalb der Wohnzone. Für Fahrräder ist alles optimal ausgebaut, und: Die weiten Wege vom Parkplatz bis zur Wohnung sind überdacht. Das Wohnklima? Ausgezeichnet. Kein Lärm, keine Gefahr durch Autoverkehr für spielende Kinder.

Lienz nennt sich „Modellstadt für ein schöneres Leben“


Elisabeth Blunik, Bürgermeisterin der Stadt Lienz. Filmfoto: Anschi Hacklinger

Auch Elisabeth Blanik, Bürgermeisterin von Lienz, verfolgt den Ansatz der sanften Mobilität. Stück für Stück wurde in Lienz der Weg geebnet für mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer. Eine Autospur in der Innenstadt ist nur Fahrgemeinschaften gewidmet. Sie sagt: „Die Leute übersehen oft, dass sie auf dem riesigen Parkplatz einer Einkaufsmall zu Fuß einen mindestens so weiten Weg zurücklegen wie in einer Fußgängerzone.“

Dann doch lieber gleich eine Fußgängerzone.

Regionaler Wirtschaftskreislauf in der Peripherie

Aber auch in Deutschland gibt es gute Beispiele: In der Uckermark fahren Kleinbusse im Stundentakt, um Menschen auch aus abgelegenen Dörfern öffentlich zu befördern. In den Bussen nimmt der Fahrer nicht nur Personen, sondern auch Waren und lokale Spezialitäten mit.

In der anschließenden Diskussion nach dem beeindruckenden Film wurde die Gefühlslage zwischen Lachen und Weinen deutlich. Viele wünschten sich, der Film würde einem noch breiteren Publikum zugänglich, vor allem auf der politischen Ebene. Immerhin, Weyarns Bürgermeister Leonhard Wöhr war der Einladung des AKs gefolgt.

Positive Bilanz des AK Verkehr & Mobilität in Weyarn

Er konnte vom jüngsten positiven Projekt in seiner Gemeinde berichten. Nach jahrelanger Wartezeit wird das E-Car-Sharing hoffentlich dieses Jahr noch starten. Und die Autorin selbst ist ganz zufrieden mit dem, was der Arbeitskreis Verkehr & Mobilität aktuell erreicht hat: 50 neue Radlständer für Weyarn, Tempo 30 im Ortszentrum und besagtes Carsharing.

Und nein, Christian Springer ist sehr skeptisch, was die Klimaziele betrifft. Aber er sagt auch: Man muss halt wollen. Dann geht vieles.


Vorfilm des Abends: Clip „Abstand!!!“ von Karsten Scheuren. Foto: Anschi Hacklinger

Ach ja, und zu einem ordentlichen Kinoabend gehört neben der Vorschau für den nächsten Termin natürlich ein Vorfilm: Der kurze Clip „Abstand!!!“, der im August veröffentlicht wurde und auf humorvolle Art und Weise für ein besseres Miteinander im Verkehr wirbt.

Zum Weiterlesen: Her mit dem schönen Leben

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