Die grüne Fee im Grünen Raum

Angelika Lindholz. Foto: Ursula Glas

Lesung in Bad Wiessee

Eine spannende, fast private Lesung konnten Zuhörerinnen und Zuhörer im Grünen Raum von KulturVision in Bad Wiessee am Samstag erleben. Eingeladen hatte die Kreuther Fotografin Simone Möller, die bis Ende August hier ihre Fotografien ausstellt.

Lesetipp: Perspektive Sehnsucht

„Im Schatten der grünen Fee“ heißt der Roman von Angelika Lindholz. Mit ihrem einfühlsamen psychologischen Gespür entwickelt die promovierte ärztliche Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin die Charaktere dieser tiefgründigen Erzählung. Interessiert an den persönlichen Hintergründen von Tätern kann viel Erfahrung aus jahrelanger ärztlicher Praxis einfließen. Die Autorin verwebt die handelnden Personen geschickt miteinander und lässt sie in Beziehung zueinander treten.

Abhängigkeiten und Sehnsüchte

„Ich schreibe über Menschen mit ihren Sorgen und Nöten, über das Wachsen und Reifen, das Vergehen und Loslassen, über Sehnsüchte und Träume“, erklärt die seit den 1990er Jahren in Bad Wiessee beheimatete Autorin eingangs. Dabei entschlüsselt sie das Wort „Sehnsucht“ in seine zwei Teile: die Sucht und das Sehnen. Beide Teile kämen in ihrem Roman vor. Die Sucht in Form von emotionaler Abhängigkeit und das Ersehnen von Liebe und Glück, von Geborgenheit und Freiheit oder die Suche nach dem Ausloten der persönlichen Möglichkeiten. All diese Facetten vereint Angelika Lindholz eindrücklich in ihrem Manuskript. So vermischen oder überlappen sich Beziehungen, Abhängigkeiten und Perspektiven. Es kommt zu gefühlten oder echten Grenzüberschreitungen, zum Erleben und Erspüren von Ohnmacht und Einengung, zu Selbstzweifeln und Handlungsängsten.

Marie auf der Suche nach sich selbst

Marie, glücklich (?) verheiratet, verabschiedet mit ihrem Ehemann Klaus den Sohn Julian und dessen Freundin Jessy zu einer längeren Reise. Gerne tut sie das nicht. Das Loslassen fällt ihr schwer, zumal sie nicht weiß, wie lange die beiden fortbleiben wollen. Der letzte gemeinsame Abend wird feierlich zelebriert. Doch schnell brechen Julian und seine Freundin auf. Marie beneidet die beiden für ihr „Freisein“ und spürt bei sich selbst die Sehnsucht nach Leichtigkeit und Freiheit. Wie geht es ihr damit, älter zu werden? Konnte sie ihr Leben so gestalten, wie sie es wollte? Konnte sie sich selbst belohnen oder hielt sie sich nur an der Sicherheit fest? War sie wirklich unmäßig, wie ihr Mann das zuweilen behauptete?

Angelika Lindholz
Bei der Lesung. Foto: Ursula Glas

Da tritt Andreas auf den Plan. Er ruft in der Praxis an und bittet um ein Gespräch. Vor 20 Jahren war er in der Forensik ihr Patient, ein verurteilter Straftäter. Seine Stimme auf dem Anrufbeantworter erscheint ihr rau und doch frisch. Gedanken an die vergangene Zeit kommen auf. Soll sie sich melden? Sie entschließt sich, ihn anzurufen und verabredet sich mit ihm.

Da sie sowieso einige Tage verreisen will, trifft sich Marie mit Andreas in München zum Kaffee. Seine „Schokoladenstimme“ verwirrt Marie. Seine Selbstsicherheit versetzt sie in Aufregung. Eine knisternde Spannung entsteht zwischen beiden. Und als Zuhörerin fragt man sich unwillkürlich: welches Geheimnis verbindet Marie und Andreas miteinander?

Angelika Lindholz
Im Gespräch mit der Autorin. Foto: Ursula Glas

Gekonnt baut die Autorin Spannung auf, einfühlsam, klar und pointiert gibt sie den Personen Raum, stellt sie gegenüber, betrachtet sie mit liebevollem Interesse und begleitet sie auf ihrer Suche nach dem eigenen Ich.

Ein Sonnenstrahl lang bis in alle Ewigkeit

So empfindet Marie ihre Begegnung mit Andreas. Er hat sie dazu überredet, ihn an den Bodensee mitzunehmen. Auf der Fähre nach Konstanz stehen sie nun wie ein Liebespaar an der Reling und genießen den Zauber des Moments. Sie fühlen sich wie alte Komplizen und Marie sieht in dunkle Augen und ein warmes Lächeln. Und doch spürt sie am Abend instinktiv, dass sie manipuliert wird, sie fühlt sich unsicher, unwohl. Am nächsten Tag findet sie ihn verändert wieder. Sie hat sich nach dem Einkaufen um zehn Minuten verspätet. Da reagiert er vorwurfsvoll und unversöhnlich. Ihre Entschuldigung nimmt er nicht an.

Dramatik kommt auf. Da bricht Angelika Lindholz die Lesung ab und lässt uns im Ungewissen. Was passiert? Wie endet diese Begegnung? Verhängnisvoll?


Der Grüne Raum in Bad Wiessee. Foto: Ursula Glas

Leider ist der Roman noch nicht veröffentlicht. Die Autorin hat ihn bei einem Literaturwettbewerb im Herbst über den Anne Goldmann Verlag eingereicht und darf bis dahin nichts verlautbaren lassen. Hoffentlich gibt es bis Ende des Jahres Klarheit und diese rasant und stimmig geschriebene Erzählung kann zu Ende gelesen werden. Verdient hätte sie es in jedem Fall.

Im Grünen Raum in Bad Wiessee organisiert KulturVision e.V. regelmäßig Ausstellungen, derzeit stellt Simone Möller Fotografien noch bis zum 31. August 2025 aus. Geöffnet ist jeweils an den Wochenenden von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Weitere Infos zu Simone Möller und ihren Werken bietet die Künstlerin auf ihrer Homepage an.

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf