Motorsägen, Macht und Menschliches

Kunstausstellung auf der Burg in Burghausen

Der renommierte Bildhauer Andreas Kuhnlein präsentiert auf der längsten Burg der Welt in Burghausen bis 31. Oktober eine Auswahl seiner Werke. Die zerklüfteten Holzskulpturen nehmen Bezug auf die Machtstrukturen durch die Jahrhunderte – und ihre Vergänglichkeit.

Nur etwa 100 Kilometer östlich von München liegt Burghausen, eine pittoreske Kleinstadt mit 1000-jähriger Geschichte. Mittendrin, auf einem Hügel zwischen Salzach und Wöhrsee, thront die Burg, das Wahrzeichen der Stadt. Mit einer Länge von 1051 Metern gilt sie als längste Burganlage der Welt. In den Innenhöfen dieses imposanten Bauwerks stehen noch bis Ende Oktober 30 Skulpturen des bekannten Bildhauers Andreas Kühnlein aus Unterwössen im Chiemgau.

Andreas Kuhnleins geschichtliche Skulpturen

„Ich wurde vor zwei Jahren gefragt, ob ich nicht anlässlich der 1000-Jahr-Feier der Stadt Burghausen etwas machen könnte“, erzählt Andreas Kuhnlein während einer exklusiven Führung für die Mitglieder von KulturVision.

Schon lange beschäftigt sich der Künstler mit historischen Themen. So schuf er etwa für die große Schau „Otto der Große – Bayern und Europa“, die 2001 im Kloster Seeon und in Parallelausstellungen in Magdeburg und Volterra zu sehen war, zahlreiche geschichtliche Figuren.

Andreas Kuhnlein, Ausstellung, Burghausen 2025
Die weitläufige Burganlage mit den Werken von Andreas Kuhnlein. Foto: CS

In drei Vorhöfen des Burggeländes fanden einige dieser Figuren nun bis Ende Oktober eine neue Heimat. Hinzu kamen noch zwei neue Skulpturen, die mit der Historie der Burg eng verknüpft sind: Herzog Georg der Reiche und Herzogin Hedwig, die im 15. Jahrhundert auf der Burg lebten. Der Titel von Andreas Kuhnleins Schau: „Macht und Vergänglichkeit“, ein Schlüsselthema für ihn.

Bundesgrenzschutz – berufliche Stationen von Andreas Kuhnlein

Hintergrund dafür ist, dass der gelernte Schreiner und spätere Landwirt in den 70er-Jahren beim Bundesgrenzschutz arbeitete. Insgesamt neun Jahre. Eine prägende Zeit, in der er viele gewaltsame Auseinandersetzungen erlebte – wie etwa bei den Anti-Atomkraft-Protesten in Brokdorf oder bei Gerichtsprozessen gegen die Terrororganisation Rote-Armee-Fraktion. Diese Erfahrungen führten dazu, dass sich der Künstler bis heute kritisch mit den Themen Macht, Gewalt und Menschlichkeit auseinandersetzt.

„Einzug der Bischöfe“ in der Nähe des alten Folterturms

„Ich habe die Innenhöfe aufgeteilt in weltliche und kirchliche Macht und einen Bereich mit Bauern, Kaufleuten, Gerichtsbarkeit und Kirchenvertretern“, erzählt Andreas Kuhnlein bei der Führung mit KulturVision sein Konzept für die Schau.

Im dritten Vorhof etwa steht sein eindrucksvolles Werk „Einzug der Bischöfe“. Wie ein Kreuz ordnete er die zwölf schmalen, über zwei Meter hohen Holzfiguren in der Nähe des alten Folterturms an. Auffällig: die glatten Oberflächen der Ornate und Mitren. „Das repräsentiert für mich die Standhaftigkeit einer Institution, die immerhin schon seit 2000 Jahren besteht“, erklärt er.

Andreas Kuhnlein, Burghausen 2025, Einzug der Bischöfe
„Einzug der Bischöfe“ auf der Burg in Burghausen. Foto: CS

Betrachtet man die Figuren von der Seite, fallen ihre vorgestreckten Hälse, die fast waagrecht aus den Bischofsgewändern herausragen, auf. Sie verleihen den Figuren eine Starrheit, die mit dem System, das sie repräsentieren, korrespondiert.

Typisch für Andreas Kuhnleins Formensprache ist die zerklüftete Oberfläche, mit der er die düsteren Gesichter der Bischofsfiguren gestaltete: „Das symbolisiert für mich die Vergänglichkeit, der sie unterworfen sind – wie alle anderen auch.“

Kaufleute und hart arbeitende Bauern

Im zweiten Innenhof spiegelt sich das Leben der normalen Bevölkerung wider. Andreas Kuhnlein zeigt seine Kaufmannsfiguren, die Säcke mit sich herumtragen, und hart arbeitende Bauern, die gebückt oder kniend das Feld bestellen. „Die Bauern sind ja fast zerrieben worden zwischen der weltlichen und kirchlichen Macht“, betont der Künstler. Der Druck, einen Teil ihrer Ernte an die Obrigkeit abgeben zu müssen, war ihr ständiger Begleiter und bedrohte ihre Existenz.

Andreas Kuhnlein, Burghausen 2025, Gerichtsbarkeit
Andreas Kuhnlein mit seiner Skulpturen-Gruppe „Die Gerichtsbarkeit“. Foto: CS

Zerriebenheit kommt auch bei dem Figuren-Duo „Gerichtsbarkeit“ zum Ausdruck, das vor den Mauern des Zeughauses steht: Hier kniet eine Figur mit gebeugtem Haupt und kraftlos herunterhängenden Schultern und Armen vor einer sitzenden Figur, die über sie richtet. Eine Komposition, die das Gefälle von Macht zu Ohnmacht deutlich sichtbar macht.

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Andreas Kuhnlein arbeitet mit Kettensäge und Bunsenbrenner

Charakteristisch für Andreas Kuhnleins Formensprache sind die zerklüfteten Oberflächen seiner Figuren, die Brutalität, Verletzlichkeit und Vergänglichkeit repräsentieren. Sie entstehen durch die groben Schnitte der Motorsäge, mit der er seit Mitte der 90er-Jahre seine Holzstämme aus Ulme und Esche bearbeitet.

Andreas Kuhnlein, Burghausen 2025
Die Bauern-Skulpturen von Andreas Kuhnlein. Foto: CS

„Ich habe gemerkt, dass ich meine Figuren nicht mit Hammer und Meißel, sondern mit der Motorsäge fertigstellen muss“, sagt er. Diese Erkenntnis sei befreiend gewesen. Die einzige Form der Nachbearbeitung erfolgt mit dem Bunsenbrenner: „Damit fackle ich die Splitter ab, die beim Sägen entstehen.“

International anerkannter Künstler mit über 200 Einzelausstellungen

Zur Kunst fand Andreas Kuhnlein in den 80er-Jahren, als ihn sein Chef in der Schreinerei dazu inspirierte, Figuren zu schnitzen. Seit 1983 arbeitet er bereits als freischaffender Bildhauer – auch wenn dies anfänglich nicht einfach war.

Heute kann der 72-Jährige auf eine beeindruckende internationale Karriere mit über 200 Einzelausstellungen und über 120 Ausstellungsbeteiligungen in 16 Ländern zurückblicken. Für sein Schaffen, das den Menschen in seiner Verletzlichkeit und Würde ins Zentrum stellt, erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, wie etwa 2022 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Andreas Kuhnlein, Burghausen 2025
Die Gruppe im 4. Vorhof mit Herzogin Hedwig und Herzog Georg dem Reichen, die einst auch auf der Burg lebten. Foto: CS

Nie eine künstlerische Ausbildung absolviert zu haben, war kein Hindernis für den Chiemgauer. Im Gegenteil, es ermöglichte ihm, jenseits von akademischen Konventionen einen eigenen und unverwechselbaren Stil zu entwickeln, der die Betrachter seiner Skulpturen fesselt. „Du hast das größte Glück gehabt, dass du nie eine Akademie von innen gesehen hast“, attestierte ihm ein entfernter italienischer Verwandter und Kunstkritiker einmal. Recht hatte er.

Die Ausstellung ist noch bis zum 31. Oktober 2025 zu sehen. Der Eintritt ist frei. Mehr Info zur Schau unter 1000.burghausen.de/portal/andreas-kuhnlein-macht-und-vergaenglichkeit

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