Fritz von Thun

Von Sinnlichkeit und Sinn

Hausherr Michael Beck, Vorsitzender der Olaf Gulbransson Gesellschaft, Fritz von Thun und Volker Giesek (v.l.). Foto: Sonja Still

Lesung in Tegernsee

Friedrich von Thun schenkte passend zur derzeitigen Ausstellung eine Lesung mit Musik. Volker Giesek tönt gegen den Kampf an. Ein Reise übers Meer im Tegernseer Gulbransson Museum.

Eine große Geschichte, vorgetragen von einem großartigen Friedrich von Thun: Dem Publikum schenkte der Grandseigneur des deutschen Schauspiels eine glückhafte Stunde. „Ich kann nichts sagen“, meinte eine Besucherin, „ich will schweigen und dieses Gefühl mitnehmen. Es war aufregend und tröstlich zugleich.“

Lesetipp: Max Beckmann und das Meer

Friedrich von Thun hatte seine Geschichte vom Meer zur Ausstellung „Picasso, Beckmann, Turner und andere. Geschichten, die das Meer erzählt“ selbst bearbeitet. Er las Ernest Hemingways „Der alte Mann und das Meer“. Es ist wohl die berühmteste Novelle des US-amerikanischen Nobelpreisträgers, die 1952 erschien.

Der Kampf mit dem Fisch

Im Mittelpunkt steht der kubanische Fischer Santiago, der seit 84 Tagen erfolglos auf Fischfang geht. Die Fischer im Dorf halten ihn für vom Pech verfolgt und meiden ihn. Nur der Junge, er heißt Manolin, hält zu ihm, darf aber nicht mehr mit dem Alten hinaus aufs Meer, um zu fischen. Also fährt Santiago allein. Allein und sehr weit fährt er auf das Meer hinaus. Ein riesiger Marlin beißt an. Der Kampf mit dem Fisch zieht sich über fast drei Tage. Sie kämpfen miteinander, mit den Gewalten und den Gefühlen. Santiago respektiert den Marlin als ebenbürtigen Gegner. Doch am Ende fressen Haifische die Trophäe seines letzten Kampfes.

Erschöpft findet der Junge Santiago in der Hütte. Eine Kanne Kaffee, die Erinnerung der Nachbarn an einen alten Fischer und doch auch etwas Großes bleibt: die Liebe des Jungen zu diesem alten Mann.

Fritz von Thun
Volker Giesek und Friedrich von Thun bei der Lesung. Foto: Sonja Still

Friedrich von Thun hat den berühmten Text für seine Lesung so bearbeitet, dass er nicht nur allgemein als eine Parabel auf den existenziellen Kampf des Menschen zu verstehen ist. Es ist eine Geschichte geworden, die Würde und Größe aufruft, auch wenn das Alter einen schwer angeht. Es ist eine Geschichte, in der der Wille und die Beharrlichkeit noch einmal die Kraft und den Stolz des Altgewordenen aufzeigt.

Wie ein Bittgang zur Wallfahrt

Durch die Sprache des von-Thunschen Textes klingt viel durch, was aus einem echten Leben kommt. Die Hände Santiagos sind von tiefen Spuren „durch Sonne von Hautkrebs“ geschunden, sein Gesicht von „Erosionen des Lebens“ gezeichnet und „alles war alt, bis auf die Augen“.

Als der Marlin anbeißt, als das Blut die See verfärbt, dealt Santiago, der Alte, mit Gott: „Ich bete hundert Vaterunser, wenn ich ihn fangen kann!“ Er verspricht Ave-Marias in Reihe. Friedrich von Thun liest solche Sätze nicht, er stammelt sie, schneller und leiser werdend, fast wie am Bittgang zur Wallfahrt. Ein Zuhörer mit Lebenserfahrung weiß: Da spricht einer, der auch Lebenskämpfe geführt, der auch so manche Verzweiflung hinwegbeten wollte.


Fritz von Thun mit Sohn Max. Foto: Sonja Still

Der Musiker, Volker Giesek, setzt zur rechten Zeit den Klang. Improvisiert, fühlt ein und lässt mitfühlen, was an der Stelle im Text mitschwingt. Er spielt Jazz, manchmal Popklänge, manchmal eine Passage, mal ein paar Töne. Der Zuhörer kann sich erholen, sich verorten, bevor es wieder weiter geht im Kampf.

„Mir ist es gleich, wer wen tötet“, sagt Santiago und zeigt sich noch einmal als kraftvoller Krieger. Ein aufrechter, wenn auch alter Mann gibt nicht auf. Er zelebriert die Kraft des Durchhaltens. Das Scheitern mag ein bitteres Ende sein. Doch wer den Weg geht, kann ihn aufrecht und in Würde beschreiten. Die Geschichte beschreibt mit aller Sinnlichkeit den Kampf und doch liegt darin auch ein zeitloser Sinn.

Die Ausstellung „Picasso, Beckmann, Turner und andere. Geschichten, die das Meer erzählt“ ist im Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee noch bis zum 20. Juli 2025 zu sehen.

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