
Richtig leben ist Vorbereitung auf den Tod
Das Ensemble beim Schlussapplaus mit Tobias Hupfauer (hinten rechts mit Gitarre) und Trachtenvorstand Rupert Eibach (vorn links). Foto: MZ
Theater in Gmund
Zur 950-Jahrfeier der Gemeinde Gmund begeisterte die Theatergruppe des Trachtenvereins D’Neureuther mit der Uraufführung des Stückes „Ägidius – Geschichte aus Gmund“ von Tobias Hupfauer vor ausverkauftem Neureuther-Saal.
Das Publikum bedankte sich mit tosendem Applaus für einen unterhaltsamen, informativen und nachdenklich machenden Abend. Die 24 Mitwirkenden ließen die Vergangenheit ebenso aufleben wie sie Stoff zum Nachdenken für die Gegenwart gaben. Mit großer Spielfreude meisterten sie die sehr unterschiedlichen Szenen.
Mit seinem zweiten Theaterstück hat Tobias Hupfauer wieder bewiesen, dass er nicht nur ein spannendes Stück schreiben, sondern es auch dramaturgisch geschickt und publikumswirksam inszenieren kann. So nutzte er alle Möglichkeiten das Saals aus und ließ sogar in der Mitte spielen, womit er vier Spielorte schuf.

In der Mitte des Saales spielt die erste Begegnung mit den Deichselbohrern. Foto: MZ
Zusätzlich zum Spiel fügt der Regisseur Musik ein, immer wieder erklingt aus verschiedenen Richtungen ein zum Thema passender Chor.
Nach dem Erfolg seines Stückes „Lauris“ im Jahr 2023 hat der Gmunder wieder ein brisantes gesellschaftliches Thema aufgegriffen. Dieses Mal ist es der Überdruss, den so manchen Menschen ergreift, wenn er nicht mehr in der Lage ist, seinem Leben einen Sinn zu geben und nur nach Reichtum giert. Das kann wie bei dem jungen Geschäftsmann Edicius zu Selbstmordgedanken führen.

Der Tod (Andreas Liedschreiber) und Edicius (Korbinian Kölbl). Foto: MZ
Eine geschickte Wahl des Namens, man lese ihn rückwärts. Der Tod aber ist nicht bereit, ihn mitzunehmen, seine Zeit ist noch nicht reif. Stattdessen nimmt er ihn mit auf eine Zeitreise.
Wie Trachtenvorstand Rupert Eibach eingangs erklärte, habe im Rahmen der Jubiläumsvorbereitungen eine Ideenwerkstatt stattgefunden, bei der auch der Wunsch nach einem Theaterstück geäußert wurde. Diesem Wunsch kam Tobias Hupfauer nach und bettete in seine Rahmenhandlung Teile aus der Gmunder Geschichte ein.
Dazu konnte er auf Materialien aus dem Buch von Beni Eisenburg und Gerhard Seidl von den Heimatfreunden Gmund „Originale und Persönlichkeiten aus Gmund 1548 -2023“ zurückgreifen. Hintergrundinformationen zu den sechs im Stück verwendeten Persönlichkeiten sind im Flyer enthalten.

Anna-Maria Liedschreiber als Narr. Foto: MZ
Als drittes Element hat Tobias Hupfauer den Narr eingeführt, der zwischen den Szenen wie in einer griechischen Tragödie philosophisch den Inhalt zusammenfasst.
Das also ist das Setting, in dem die Szenen ablaufen. Zunächst trifft Edicius auf die Soleleitungserbauer Hanns und Simon Reiffenstuel mit ihren Deichelbohrern. Eine heitere Szene, in der auch drei Kinder ihren Schabernack treiben und die Arbeiter ihren Chef austricksen. Und Edicius nimmt mit: Man muss einfach eine wichtige Aufgabe beginnen, machen und das am besten in Gemeinschaft.
Im Gespräch mit dem Tod stellt Edicius fest, dass er nach der schweren Arbeit plötzlich wieder Arme und Beine spürt, eine neue Erfahrung.

Edicius trifft auf Max Obermayer. Foto: MZ
Ein Film des Holzkirchner Filmemachers Thomas Zeug führt in die nächste Begegnung mit dem Viehzüchter Max Obermayr ein, der das Fleckvieh aus der Schweiz ins Oberland holte, eine mühsame Arbeit. Und Edicius lernt: Man muss hinaus in die Welt und sich bewegen, auch das am besten gemeinsam und sich helfen, wenn der Wolf kommt.

Ägidius schreibt einen Brief an den Vatikan und Regina und Georg März als Ehepaar Manhart schauen zu. Foto: MZ
Bei dem Mechanikus Johann Manhart kann Edicius nicht nur eine Menge über die Zeit lernen, sondern auch sein Wissen einbringen. Da gibt es nämlich ein Schreiben vom Vatikan, in dem eine Rechnung nicht bezahlt werden soll. Kommentar: „Je höher die Instanz, desto ausgschamter.“ Als Geschäftsmann weiß Ägidius, wie er sich jetzt nennt, wie man da antworten muss.

Maria Lutz und Max Seesteller als Ehepaar Mayer mit Ägidius. Foto: MZ
Die Freiheit zu verteidigen, das ist die Botschaft, die Ägidius von Johann Mayer, dem Wilden Jager von Gmund mitnimmt. Sein Leben für etwas einsetzen, was es wert ist, auch wenn es schlimm ausgeht. Was aber zählt, das ist die Freundschaft.
Nach der traurigen Szene folgt die irrwitzig komische um die Skirennläuferin Marianne Seltsam, der das Publikum in der Mitte des Saales in ihrer Senioren-Yogagruppe begegnet. Elfriede ist auch schon ein bisschen dement, alle haben Knie- und Hüftprobleme, aber nichts gibt’s, für die Gesundheit muss auch ein Hampelmann gestrampelt werden.

Beim Yoga mit Marianne Seltsam. Foto: MZ
Und Ägidius bekennt dem Tod, dass sein Blick nun immer klarer werde. „Wenn ich an dich denke, wird das Leben wertvoll.“
„Das Leben ist zu kurz für schlechten Wein.“ Das nimmt Ägidius bei dem Gassler Weinfest mit, bei dem es ordentlich zugeht und bei dem er Lena kennenlernt.

Beim Gassler Weinfest. Foto: MZ
Wie das Stück ausgeht, wird nicht verraten. Alle Mitwirkenden tragen mit ihrem Einsatz, ihrer Spielfreude zum Gelingen des Theaterabends bei, einige wenige aber, die das Stück durchgehend tragen, sollen erwähnt werden. Korbinian Kölbl gelingt die Wandlung von Edicius mit Suizidgedanken zum lebensfrohen Ägidius perfekt.
Andreas Liedschreiber ist trotz seiner Maske ein ganz anderer Tod, einer, der zum Leben führt. Allergisch indes ist er gegen Kerschgeist, kein Wunder!
Den Narr spielt Anna-Maria Liedschreiber mit akrobatisch-tänzerischen Einlagen als denjenigen, der den Spiegel vorhält und auch unangenehme Wahrheiten verkündet. Eine Glanzleistung. Einen Gag hat Tobias Hupfauer auch für den Narr parat: Er kommt als Pausengirl und auf der Rückseite steht einmal „Josef Filser“ (der Wirt) und einmal „Hier könnte Ihre Werbung stehen“.