
Kämpfer gegen Floskeln und Sprachschluderei
Von Tauben und Denkmälern. Foto: Pixabay
Buchtipp von KulturVision
Mit seinem achten Band “Von Tauben und Denkmälern“ in der Reihe „Prost & Prosa“ landete der Otterfinger Sprachakrobat Volker Camehn wieder einen Volltreffer. Die Texte sind eine gelungene Mischung aus Außen- und Innenreflexion.
Den Titel habe er von der Bruckmühler Malerin Maria Ziegler übernommen, die anlässlich der Otterfinger Kulturwoche 2024 schrieb: „Als Künstlerin muss man sich damit abfinden, dass man manchmal das Denkmal und manchmal die Taube ist.“ Dieses starke Bild wolle er ergänzen, das gelte nicht nur für Künstler.
Als Sprachkünstler vereinigt Volker Camehn in seinem Band Kolumnen, die er als Journalist für den Münchner Merkur verfasste und die damit einen Bestand bekommen, den sie verdienen. Dazu gesellt er Gedichte, zumeist sehr knapp und verdichtet, wie es sich halt für Gedichte gehört. Sie sind fast immer sehr privater Natur, haben mit Liebe und Trennung, mit Wut und auch Humor zu tun.
Volker Camehn. Foto: Enno Hoppe
Am besten gefällt mir:
Wortstamm
Im Narrativ
Da steckt ganz tief
Das Wörtlein Narr.
Alles klar?
Mir aus dem Herzen geschrieben, denn heute kann man keinen wissenschaftlich verbrämten Text aus allen möglichen Sparten lesen, wo es nicht von Narrativen wimmelt, wo es doch die Erzählung auch tun würde.
Wichtig sein Gedicht „Mobilmachung“, in dem er mit intelligenten Spielereien gegen dieses unsägliche Wort „kriegstüchtig“ vorgeht: „kriegstüchtig durch Kriegmöchtich“.
In seinen scharfsinnigen Kolumnen widmet sich Volker Camehn sehr unterschiedlichen Themen, von Liebe und Aberglaube bis hin zum überflüssigen ständigen Rasenmähen mit scharfer Kante.
Alles gut?
Aber auch hier karikiert er unsere Sprachverhunzung und trifft damit ins Schwarze. Als „allumfassende Befindlichkeitserkundung“ bezeichnet er das ewige „Alles gut?“, das eigentlich gar keine ehrliche Antwort erwartet. Den Frager könne man maximal abschrecken, wenn man sich zu Details hinreißen lässt.
Um Floskeln wie „zeitnah“, „Zeitfenster“, „Content“ oder „implementieren“ geht es auch in einer anderen Kolumne, in der ein Freund kommentiert: „…so reden Leute, die nichts produzieren.“
„Von Tauben und Denkmälern“. Foto: MZ
Platter Trost à la „wird schon wieder“ hilft wahrlich nicht und zu diesem Thema gibt es eine Reihe von Kalendersprüchen, die man sich besser verkneift, wenn es dem Freund/der Freundin wirklich schlecht geht.
Aber er nimmt nicht nur Sprachschluderei und Floskeln an, sondern auch Themen des gesellschaftlichen Alltags, so dem Altern, dem Essen, dem Geschenkekauf, guten Vorsätzen und den Radfahrern. Diese fragt er: habt ihr ein Rad ab? Nur weil ihr die Guten, die Abgasfreien seid, dürft ihr euch immer Vorfahrt und alles Recht nehmen? Und gefährdet ihr auch zuweilen Fußgänger?
Besonders gefällt mir die Kolumne, in der der Autor die ständig benutzte Redewendung „das macht was mit mir“ geißelt. Das gilt auch für: „wie geht es dir damit?“ Sehr sarkastisch, sehr witzig und am Ende lakonisch, wenn er schreibt: Ich mach‘ jetzt trotzdem einfach mal weiter.
Perfekte Sprachbeherrschung
Volker Camehn ist ein konsequenter Kämpfer gegen Floskeln und Sprachschluderei, er selbst beherrscht die Sprache perfekt und kann ganz wunderbar damit spielen, ob Gedicht oder Kolumne. Und auch in seinen Liedern.
Einige Liedertexte hat er angehängt, die Lieder findet man auf seinem YouTube-Kanal. Seit 2020 arbeitet er mit dem Münchner Gitarristen Stefan Sandmeier unter dem Bandnamen DIE WAAGEN zusammen und veröffentlicht Lieder in Social Media.
Zum Weiterlesen: Mit Wortwitz und Lyrik für Toleranz und Demokratie