
Tierisch menschlich – Gruppe Schamott
Die Künstlerin Andrea Keinert schuf diese Fliege aus Ton und Draht. Foto: CS
Vernissage in Gmund
Im Jagerhaus Gmund können Besucher seit Freitag die Werke der Künstlergruppe Schamott sehen. Die acht Bildhauerinnen aus dem Münchner Osten zeigen ihre beeindruckenden Skulpturen aus Ton, Keramik und Holz – sowie die abstrakten Bilder ihrer Mentorin Sigrid W. Mathews.
Wer das Jagerhaus betritt, wird von einer riesigen Fliege an der Wand begrüßt. Das schwarze Insekt mit goldfarbenen Facettenaugen hängt gleich im Eingangsbereich. Sie besteht aus einem schwarzen Korpus aus Ton, Flügeln und Beinen aus Draht und goldbemalten Facettenaugen. Das Insekt kreierte die aus dem Allgäu stammende Künstlerin Andrea Keinert, die sich eigentlich bevorzugt der menschlichen Figur widmet.
Andrea Keinert mit ihrem Werk „Dicke Luft bei Schiessers“. Foto: CS
„Ich bin für meine fülligen Frauenfiguren bekannt“, sagt sie im Gespräch mit KulturVision. Auch diese sind in der Gmunder Schau zu sehen, sowie eine faszinierende Figurengruppe aus grauem Ton mit dem Titel „Dicke Luft bei Schiessers“. Dabei handelt es sich um drei voneinander abgewandte, sitzende Männer in Feinripp-Unterwäsche. Sie wirken gleichgültig und entspannt, obwohl die Stimmung zwischen ihnen nicht gut zu sein scheint.
Künstlergruppe Schamott existiert seit über 20 Jahren
Freundschaftlich zugewandt dagegen sind sich die acht Künstlerinnen der Gruppe Schamott. Seit teilweise über 20 Jahren arbeiten Andrea Keinert, Siyana Bedzheva, Elisabeth Fertl, Angelika Paschman, Helga Pelizäus, Eva Radek, Uta Riess und Eva Sárosi schon miteinander.
Die Gruppe Schamott mit Eva Sárosi, Angelika Paschmann, Sigrid W. Mathews, Elisabeth Fertl, Helga Pelizäus, Siyana Bedzheva und Andrea Keinert (von links) . Foto: CS
Wöchentlich treffen sie sich zum künstlerischen Austausch und zur gegenseitigen Inspiration – sie sind aber nicht nur in der Gruppe aktiv, sondern agieren auch als eigenständige Künstlerinnen. Auch Kunstreisen wie etwa ins Kapuziner-Bergkloster Gschnon in Südtirol, wo sie gemeinsam arbeiten und eine schöne Zeit miteinander verbringen, gehören dazu.
Ingrid W. Mathews vor ihren Bildern. Foto: CS
Mentorin der Gruppe ist Sigrid W. Mathews, die Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Künste in Stuttgart studiert, sich aber mittlerweile der Malerei zugewandt hat. Ihre Werke sind sogar in der Sammlung der Pinakotheken in München vertreten. Ihre eindrucksvollen abstrakten Gemälde schmücken die Wände des Jagerhauses und bieten einen wunderbaren Rahmen für die Skulpturen ihrer Schützlinge.
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Büsten von Schamott-Künstlerinnen Siyana Bedzheva, Uta Riess und Elisabeth Fertl
Ähnlich wie Andrea Keinert widmet sich auch Siyana Bedzheva, die vor zehn Jahren Schamott beigetreten ist, der menschlichen Figur. Aus Ton schafft sie ausdrucksstarke weibliche und männliche Figuren. Besonders einprägsam ist die Ton-Büste mit dem Titel „Ein Gesicht ist die spannendste Landschaft“, die auf der Fensterbank im vorderen großen Ausstellungsraum steht. Es handelt sich dabei um einen fast birnenförmigen Kopf eines älteren Mannes mit realistisch ausgearbeiteten Tränensäcken, hängenden Backen, Marionettenfalten und schmalen Lippen. Weil er so echt wirkt, lässt sein kritischer Blick den Betrachter nicht ungerührt.
Die Büste „Ein Gesicht ist die spannendste Landschaft“ von Siyana Bedzheva. Foto: CS
Details und Feinheiten eines Gesichts zeigen auch die Keramik-Büsten von Uta Riess. Sie stellt beispielsweise die Köpfe zweier Frauen, eine jung und eine alt, gegenüber. „So wie du bin ich auch einmal gewesen“, lautet der Titel für die ältere Frau, „Ob ich einmal so sein werde wie Du“ der der Jüngeren. Die Künstlerin wirft damit Themen wie Vergänglichkeit der Jugend und des Älterwerdens auf – etwas Existenzielles also, was jeden früher oder später einmal betrifft und beschäftigt.
Zwei Büsten aus Holz von Elisabeth Fertl. Foto: CS
Einen starken Kontrast zu den in der Schau gezeigten Köpfen aus Ton bilden die expressionistisch wirkenden Büsten aus Lindenholz von Elisabeth Fertl. Ihre Oberflächen zeigen Schnitzspuren – absichtlich nicht wegpoliert oder geglättet. Die Gesichtszüge reduziert, aber ausdrucksstark. Auch diese beiden Büsten scheinen in Dialog miteinander zu stehen. Die weibliche Figur „Älteres Mädchen“ hält die Hände gekreuzt über ihrer Brust und blickt nach oben, als ob sie für etwas zu bitten oder auf etwas zu hoffen scheint. Die männliche Figur trägt den Titel „Na, nix da“ und sieht mit der nach außen gerichteten Handfläche über der Brust aus, als ob sie eine Art Abwehrhaltung einnimmt.
Die Künstlerin und Soziologin Helga Pelizäus mit einem ihrer Werke. Foto: CS
Hunde und andere Kreaturen von Helga Pelizäus und Angelika Paschmann
Auffällig und ganz anders als die Keramikwerke der anderen Schamott-Künstlerinnen, sind die von Helga Pelizäus, einer Soziologin mit dem Forschungsschwerpunkt Alter und digitale Technik. In kleinen Glaskästen schafft sie häusliche und bewusst kitschig wirkende Szenerien mit aus Keramik gefertigten Hunden. Sie nimmt dabei Bezug auf den dystopischen Roman „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley, der eine Welt beschreibt, in der alle glücklich sind und kein kritisches Denken mehr stattfindet – allerdings als Resultat einer totalen Diktatur.
Angelika Paschmann tanzt zu ihrem Werk „Wo ist Schneewittchen“. Foto: CS
Mit tierischen und mythologischen Wesen aus Ton wartet die Künstlerin Angelika Paschmann auf. Ihre Leidenschaft gilt der Raku-Technik, einer Rauchbrandtechnik, die im 16. Jahrhundert in Japan und Korea entstanden ist. Dabei erhitzt man glasierte Objekte bei 1000 Grad im Gasofen und räuchert sie dann in einer Tonne. Dadurch entstehen Risse und individuelle Oberflächen. Zu ihrem spielerischen Werk „Wo ist Schneewittchen“, das aus sieben Zwergen besteht, gab es bei der Vernissage noch eine kleine Performance dazu: Mit einer Zipfelmütze auf dem Kopf führte die Künstlerin zusammen mit zwei Begleitern einen Tanz auf und rundete so den Eröffnungsabend der Schau auf amüsante Weise ab.