Radio Europa

Brillant, fulminant, rasant

Radio Europa im Barocksaal Tegernsee. Foto: MZ

Konzert in Tegernsee

Am Donnerstagabend wurde die Tegernseer Woche einmal ganz anders eröffnet. Mit dem Ensemble Radio Europa gab es nicht nur eine Hymne auf Europa, sondern insbesondere einen musikalischen Genuss der Extraklasse.

Die Herren Vivaldi, Mozart und Beethoven haben es hoffentlich von ihren Wolken aus ebenso genossen wie das Tegernseer Publikum im ehrwürdigen Barocksaal, der unter den aberwitzigen Klängen zu beben schien.

Ein Dank an Birgit Halmbacher, die mit der Einladung von Radio Europa diesen Abend zu einem Glanzpunkt werden ließ. Bürgermeister Johannes Hagen hatte in seiner Begrüßung und Eröffnung der Tegernseer Woche betont, dass der Europagedanke ebenso wie die Erinnerung an Max Joseph I. im Zentrum der diesjährigen Veranstaltungsreihe stehe.


Bürgermeister Johannes Hagn eröffnete die Tegernseer Woche. Foto: MZ

Eine Reise durch Europa, so kündigte Roland Duckarm, Schlagzeuger und Perkussionist der Formation an, werde man heute Abend erleben. Sie würden sich als Abenteurer Europas bezeichnen und so wie bei Indiana Jones brauche es eine Assistentin. Manuela in der ersten Reihe bekam das Amt und hatte Stimmen zu sammeln.

Schon das erste Stück hinterließ Begeisterung beim Publikum. Die fünf großartigen Solisten von Radio Europa, seit 2012 miteinander unterwegs, um den Gedanken an ein geeintes Europa via Musik zu transportieren, zündeten ein Feuerwerk und zündeten damit auch das Publikum an. Der Gedanke dabei ist, Musik überwindet alle Grenzen und dadurch miteinander das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu erleben.

Radio Europa
Stimmen nach 15 Minuten. Foto: MZ

Aber mit welch einer musikalisch atemberaubenden Virtuosität, ja Genialität sind die fünf Ausnahmemusiker unterwegs. Klingt es eingangs mit „Usti Usti Baba“ aus Nordmazedonien nach Balkanrhythmen, die jazzig aufbereitet sind, so dass ein jeder solistisch gefeiert werden kann, kommt im nächsten Stück Mozart an die Reihe. „Alla Turca“ nennt Jörg Widmoser sein Arrangement, in dem anfangs unschwer der Türkische Marsch zu erkennen ist, dann aber findet die Verwandlung statt.

Die Stücke des Abends stammen größtenteils aus der aktuellen CD mit dem verheißungsvollen Titel „Secret Sounds and Hidden Treasures“ und genauso ist die Musik zu verstehen. Radio Europa erweckt geheime Klänge und versteckte Schätze an das Licht und versieht sie mit neuem Sound und neuen Rhythmen.

Radio Europa
Europas schnellster Jazzgeiger Joerg Widmoser. Foto: MZ

Diese gilt es zu erraten. Roland Duckarm bezieht immer wieder das Publikum mit ein und will die Taktfolge des eben gehörten Stückes „Ventseslavovo Horo“ wissen. Erst nach längerer Raterei kommt das richtige Ergebnis heraus: 13/8-Takt, sehr ungewöhnlich.

Ungewöhnlich auch „Per Vettor Delfino da Venezia“, das Joerg Widmoser nach Antonio Vivaldi umschrieb und arrangierte und mit Leichtigkeit die drei Sätze mit der Geige verbindet. Vor 41 Jahren gründete der österreichische Ausnahmemusiker das Modern String Quartett, mit dem er Klassik, Jazz und moderne Musik auf einzigartige Weise verknüpft. Ab 2005 ist er mit dem Orchestre Europa unterwegs und startet 2012 mit Radio Europa.

Radio Europa verkörpert Europa

Dabei sind der Gitarrist Andreas Wiersich, aus Bayern stammend, aber mit schlesischen Ahnen, dazu der Akkordeonist Wolfgang Lell, dessen Vater aus dem russischen Saratow kommt. Kontrabassist Alex Bayer wuchs in Stockholm und Mailand auf und Drummer Roland Duckarm ist ungarisch-deutscher Abstammung.

So verkörpert Radio Europa schon in personifizierter Form das vereinigte Europa und repräsentiert gemeinsam Musik in Vollendung.

Und überrascht. Denn Joerg Widmoser holt ein Instrument hervor, dass wohl noch niemand gesehen oder gehört hat, ein Cello im Geigenformat. Mit dunkler Intonation spielt er „Djelem Djelem“.

Gänsehautfeeling bei der Europahymne

Mit einem irrwitzigen Tempo geht es in die Pause. Die „Gipsy Variationen“ seien ihr schnellster Stück, hatte Roland Duckarm angekündigt, es ist aber auch ihr witzigstes, denn Alex Bayer malträtiert nicht nur seinen Bass, sondern auch seine Stimme, summt und singt und zupft, dass es nur so kracht.

Gänsehautfeeling nach der Pause, denn mit dem Schlusschor „Ode an die Freude“ aus Beethovens 9. Sinfonie erklingt die Europahymne. Die Geige beginnt, der Reihe nach stimmen alle Musiker ein, die Musik schwillt an, wird triumphal, aber ehe es pathetisch wird, kommt der Umschwung zur schrägen, rhythmischen Interpretation von Radio Europa, bevor sich Beethoven am Ende wieder erkennt.

Radio Europa
Beim Sirtaki Joerg Widmoser und Andreas Wiersich. Foto: MZ

Den Sirtaki von Mikis Theodorakis spielen die Fünf in großer Freude, wollen eigentlich auch tanzen, aber die Instrumente behindern die wippenden Beine, Joerg Widmoser zupft die Geige wie eine Gitarre..

Soli für den Drummer auf Blumentöpfen, verblüffend, originell und virtuos und den Geiger, der mit seiner Komposition „Fiddlers of Ireland“ ein ganzes Orchester erklingen lässt und sekundenlange Stille im Publikum erzeugt, bevor tosender Applaus einsetzt.


Roland Duckarm. Foto:MZ

Von seinen Musikerkollegen wird Joerg Widmoser am Ende des Konzertes gefeiert, 70 Jahre wird er alt und bekommt kulinarische Köstlichkeiten en masse überreicht. Er sei gern mit der Truppe unterwegs, meint der Gefeierte und untertreibt: „Und die Musik funktioniert auch.“

Natürlich geht es nicht ohne Zugaben. Mit dem populären Monti-Csardas feuert Radio Europa noch einmal seine ganze Musikalität, Originalität und Virtuosität ab, ein Abend, der lange nachklingt.

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Radio Europa beim Schlussapplaus. Foto: MZ

Das Programm der Tegernseer Woche ist hier abrufbar. Besonders hinzuweisen ist auf das Konzert, das zum Thema Max Joseph I. passt am 2.10. mit MaxJoseph im Theaterzelt im Kurgarten und das Konzert „Musik verbindet“ United in Harmony, das wie Radio Europa den europäischen Gedanken musikalisch repräsentiert.

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