Mensch Frau: 100 Jahre Frauenwahlrecht
Mit Sekt auf 100 Jahre Frauenwahlrecht anstoßen: ensemble peripher. Foto: Petra Kurbjuhn
Szenische Lesung in Holzkirchen
Hat sich etwas verändert? Haben wir alles erreicht, was wir wollten? Diese Fragen standen im Zentrum des unterhaltsam-historischen Streifzuges im Foolstheater durch die Rechte der Frau. Immerhin, Lydia Starkulla, Christina Günther-Vieweg und Pia Kolb konnten auf 100 Jahre Frauenwahlrecht anstoßen.
Egal wie man zum Internationalen Frauentag stehen mag, der Anlass ist es wert, gefeiert zu werden: Seit 1918 dürfen Frauen in Deutschland wählen. Das war ein großer Schritt hin zur Gleichberechtigung der Geschlechter, die vollends im Grundgesetz der Republik Deutschland zementiert wurde.
Sorgfältige Recherche
Das ensemble peripher hatte in sorgfältiger Recherche zusammengetragen, was das Publikum im Foolstheater, darunter auch zahlreiche Männer, interessiert, mit Zwischenapplaus und Heiterkeit interessiert aufnahm. Die drei Schauspielerinnen Lydia Starkulla, Christina Günther-Vieweg und Pia Kolb lasen, spielten, tanzten, sangen und ja stießen auch immer mal wieder mit unterschiedlichen Getränken auf die Frau an.
Es begann mit einem Problem: Die Deklaration der Menschenrechte in der Französischen Revolution forderte bekanntlich: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Warum nicht Schwesterlichkeit? Der Frau fehle die Qualifikation hieß es damals, sie durften keinen politischen Vereinen beitreten und waren Gesetzen unterworfen, die ausschließlich von Männern gemacht wurden.
Christina Günther-Vieweg und Pia Kolb erzählen von Louise Otto. Foto: Petra Kurbjuhn
Dagegen lehnten sich mehrere mutige Frauen, die in Wort und Bild gezeigt wurden, auf. Louise Otto zum Beispiel, die die erste Frauenzeitung herausgab und den Allgemeinen Deutschen Frauenverein gründete. Oder die Führerin der proletarischen Arbeiterbewegung Clara Zetkin, die gleichen Lohn für gleiche Arbeit forderte. „Schon damals?“ schrie Lydia Starkulla wütend.
Christina Günther-Vieweg und Pia Kolb erzählen von Clara Zetkin. Foto: Petra Kurbjuhn
Die englische Sufragettenbewegung, die nicht ganz friedlich verlief, wurde von Friedensbemühungen der Frauen im 1. Weltkrieg abgelöst und dann kam endlich 1918 das Wahlrecht für die Frau. Dabei hatte ensemble peripher interessante Zahlen parat: Über 80 Prozent Wahlbeteiligung der Frauen im Jahr 1919 stehen 9,6 Prozent Frauenanteil in der Nationalversammlung gegenüber.
Mindestlohn? Schon damals?
Und das Selbstbewusstsein in den zwanziger Jahren wächst. Die drei Schauspielerinnen tanzen wilden Charleston und im eingespielten Lied heißt es: „Raus mit den Männern aus dem Dasein, dem Dortsein, dem Hiersein“. Dem gegenüber aber stand das, was wohl der Anfang der Geschlechterbeziehung war, die Prostitution. Ein Ausschnitt aus dem Film „Metropolis“ zeigt lüstern blickende Männer, die einer Show zusehen.
Und wieder darf Lydia Starkulla schreien: „Mindestlohn? Schon damals?“
Lydia Starkulla und Pia Kolb. Foto: Petra Kurbjuhn
Aber das spielt im Nationalsozialismus, der „Rückkehr ins Mittelalter“, keine Rolle mehr, denn jetzt ist die Frau in erster Linie Mutter, der Muttertag löst den Frauentag ab. Nach 1945 aber ist die Arbeit der Frau in der Trümmerwelt Deutschlands sehr gefragt.
Das bisschen Haushalt
Und wieder eine Rückwärtsrolle, denn in den fünfziger Jahren ist das Frauenidol Sissy im rosa Rüschenkleid, und Romy Schneider säuselt: „Du bist ein Mann.“ Der Frau daheim indes wird „Frauengold“ mit 16 Prozent Alkohol empfohlen. Denn ihr Alltag ist von „Das bisschen Haushalt“ geprägt. Christina Günther-Vieweg robbt mit dem Wischlappen über die Bühne, während sie das Lied singt, aber es gibt noch zwei Probleme, die die deutsche Frau damals hatte. Was soll ich anziehen und was soll ich kochen? Das Handbuch für die gute Ehefrau gibt weise Ratschläge, wie der Göttergatte zufrieden zu stellen ist.
Pia Kolb und Lydia Starkulla. Foto: Petra Kurbjuhn
Aber es gibt mit Elisabeth Schwarzhaupt auch die erste deutsche Ministerin und Simone de Beauvoir ruft die Frauen zur Selbstbestimmung auf. Dem gegenüber steht der beginnende Sexismus, der aus den Bondfilmen offen zutage tritt, wenn Sean Connery seiner Partnerin auf den Po klatscht. Oder beim Spot „Der 7. Sinn“, wenn Frauen bescheinigt wird, nicht Auto fahren zu können. Ein Wechselbad sind die sechziger und siebziger Jahre: Pille und Kampf gegen den Paragraf 218, sexuelle Befreiung und gleichzeitig Sexismus und Frauenfeindlichkeit.
Nein heißt Nein!
Immer wieder streuen die drei Miminnen auf der Bühne Zitate von Schriftstellerinnen ein, die eine neue Sprache, neue Bilder finden, die den Hunger nach Leben ausdrücken, die sich dafür einsetzen, dass Frauen ihren Körper und die Macht darüber zurückerhalten.
Und was hat sich nun wirklich verändert? Der ebenso lehrreiche, motivierende wie unterhaltsame Abend endet mit dem Aufruf von Rita Süßmuth: „Empört Euch, engagiert Euch! Nein heißt nein!“