Rumble in the Jungle – Book
Die zwielichtige Affenbande entführt Mogli und versucht ihm Bananen schmackhaft zu machen. Foto: Theater LIBERI
Familien-Musical in Miesbach
Das Dschungelbuch ist gar kein einzelnes Buch. Sondern es sind Bücher. Affen, die döflich sind, sprechen sächsischen Dialekt und Kinder lieben Lieder über Bananen. Unser Autor Sebastian Urmel Saurle im Dschungel der Weisheit…
Es gibt immer was Neues zu lernen. Gerade wenn es sich um augenscheinlichen „Kinderkram“ handelt. Aktuelles Beispiel: das Familien-Musical „Das Dschungelbuch“ im Waitzinger Keller. Beim Schreiben des Artikels stellt sich heraus, dass das Original Dschungelbuch von Rudyard Kipling aus dem Jahre 1894-95 kein einzelnes Buch ist, sondern aus sieben Bücher besteht. Von diesen befassen sich lediglich die ersten drei mit Mogli und dessen tierischen Begleitern, und das wiederum nicht so, wie es landläufig erzählt wird.
Das Original „Dschungelbuch“ von R. Kipling aus dem Jahre 1894. Foto: wikipedia
Erinnerungen und spontane Assoziationen liegen jedoch eindeutig bei Walt Disneys abendfüllender Zeichentrickversion. Balu der Bär und dessen „Gemütlichkeit“ sind Meilensteine des (kindlichen) Wohlgefühls. Aber auch die Schlange Kaa mit ihrem kreisend-hypnotischen Blick und der säuselnden „Vertrauens“-Frage faszinierten. Lag vermutlich in Kaas Absicht. Und die Musik natürlich. Ohrwürmer noch und nöcher. Ja, die Musik…
Walt Disney vs. Theater LIBERI
Walt Disneys Erfolgsformel ist, mit Ausnahmen, alte Geschichten und Märchen familien- und besonders kindertauglich umzuschreiben und mit viel Musik, hin und wieder auch zu viel Musik, auszuschmücken. Von singenden Luxuskätzchen bis hin zu tanzenden Kronleuchtern war und ist vor Disneys Vermenschlichung der Tiere und Dinge nichts sicher. Aktuelle Musical-Macher sind dieser Vorarbeit oftmals vermutlich dankbar. Der Erfolg ist ja bereits mit den musikalischen Evergreens garantiert. Balu und die Sache mit der Gemütlichkeit lassen grüßen.
Balu der Bär und die Schlange Kaa in der Inszenierung des Theater LIBERI. Foto: Theater LIBERI
Und hier kommt nun das Theater LIBERI aus Bochum ins Spiel und dessen Inszenierung des Dschungelbuchs. Gleich vorweg: Es gibt kein „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“-Ohrwurm-Evergreen-Feelgood-Forever-Number-One-Hit. Es gibt gar keine alten Hits zu hören. Ist das ein Problem? Für die Erwachsenengeneration bedeutet dies sicher ein wenig Wehmut. Für das ganz junge Publikum eher nicht.
Text, Musik, Bühnenbild, Kostüme – alles hausgemacht
Denn was das Theater LIBERI um Produzent Lars Arend und Autor Helge Fedder machen, ist nichts anderes, als das, was Walt Disney macht: „Um die altbekannten Geschichten nach unseren eigenen Vorstellungen neu und modern inszenieren zu können, sind die Stücke von A bis Z Eigenproduktionen. Texte, Musik, Bühnenbild, Kostüme – alles wird von uns selbst konzipiert und umgesetzt“, erklärt Arend, der die künstlerische Gesamtverantwortung trägt.
Das Dschungelbuch mit Eigenkonzept
Wobei vermutlich die Frage der Lizenz- und Urheberrechte und damit verbundene finanzielle Forderungen von Seiten des Megakonzerns Disney sicher auch eine Rolle spielen dürften. In diesem Zusammenhang drängt sich aber die Frage auf, warum die Figuren, trotz des betonten Eigenkonzepts, zumindest auf Plakaten und Werbematerial den Disney Charakteren so ähnlich schauen (müssen).
Werbeplakat für Theater LIBERIs „Das Dschungelbuch“ Foto: Theater LIBERI
Affe mit sächsischem Dialekt ist der King
Und trotzdem. Die zweistündige Produktion mit 20-minütiger Pause funktioniert. Das voll professionelle sechsköpfige Ensemble bringt fast alle Figuren des bekannten Dschungelbuchs spielfreudig und schnörkellos auf die Bühne. Ali Marcel Yildiz als Mogli zu beobachten, wie er unter Wölfen aufwächst und einem Entwicklungsroman gleich, Identität und Zugehörigkeit sucht, gefällt einfach. Auch alle anderen DarstellerInnen scheinen Freude an ihrem, betont professionellen, Spiel zu haben.
Besonders bemerkenswert ist die Textbearbeitung und dessen Umsetzung auf der Bühne. Ohne weiteres könnte diese Version auch als reines Hörspiel funktionieren, dank der wunderbar geschulten Stimmen aller Beteiligten. Zu denen auch ein Mitglied der zwielichtigen Affenbande zählt, welches seine offensichtlich fehlende Intelligenz durch den sächsischen Dialekt scheinbar hervorheben möchte.
Ohrwurmgarant im Dschungelbuch
Die Affenbande ist, neben Balu dem Bär, auch der Publikumsliebling, zumindest bei den kleineren Gästen. Der Grund dafür ist sicher das gewollt kindische Unsinntreiben, aber nicht zuletzt auch die Musik. Der Ohrwurmgarant „Banana-nana“ war bereits in der Pause in Foyer und Toilettenräumen nicht zu überhören. In dieser Hinsicht kann sich das Theater LIBERI einem Vergleich mit Walt Disney durchaus stellen.