Die Qual der Wahl – Jurysitzung Bayrischzell
Die Qual der Wahl hatte die Jury bei der Auswahlsitzung für die Bayrischzeller Kunstausstellung. Foto: Isabel Sophie Oberländer
Ausstellung in Bayrischzell
Vergangenen Samstag öffnete die alljährliche Bayrischzeller Kunstausstellung ihre Pforten. Zum 70. Jubiläum der Veranstaltung wurde eine besonders sorgfältige Auswahl an Bildern und Objekten getroffen. Die Jury kürte hervorragende Kunstwerke, die noch bis 29.08.2024 im Schulhaus ausgestellt sind.
Auch mehrere Lichtarbeiten aus Papier wurden eingesendet. Foto: IO
Mehr Bewerbungen denn je
Die Flut an Einsendungen ist schlichtweg überwältigend – an nur einem halben Tag Jurysitzung allen Kunstwerken gerecht zu werden eine echte Aufgabe. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Kunstschaffenden, die eine Auswahl ihrer Objekte eingesendet haben, um knapp 30 % gestiegen: 97 Personen, knapp 300 Kunstgegenstände aus mehreren Sparten. Zu Malereien gesellen sich Fotografien, Keramiken, Installationen, Skulpturen, Grafiken, Aquarelle, Drucke und eine Medienarbeit.
Die Jury ist dieses Jahr durchweg weiblich besetzt. Foto: IO
Frauen-Power in Bayrischzell
Besonders erfreut sind die Veranstaltenden über die diesjährige Frauenquote in der Jurybesetzung, die mit Romana Stehling, Claudia Barcheri und Isabel Sophie Oberländer stolze 100% beträgt. Alle drei sind seit Jahren im Kunstbereich tätig, bringen jedoch unterschiedliches Hintergrundwissen mit, sodass die Einsendungen unter verschiedenen Gesichtspunkten unter die Lupe genommen werden.
Die diesjährige Jury stellt sich vor
Claudia Barcheri hat an den Kunstakademien in München und Bologna Bildhauerei studiert. Sie ist selbst Bildende Künstlerin und kann daher die Position der Einsendenden besonders gut nachvollziehen. Romana Stehling und Isabel Sophie Oberländer hingegen sind beide Kunsthistorikerinnen und Kulturmanagerinnen. Romana Stehling wirkte bereits als Kuratorin an verschiedenen zeitgenössischen Ausstellungen in städtischen Kunsträumen sowie in der Pinakothek der Moderne mit.
Kriterien für das Gremium
Was bei der Auswahl der Jurorinnen eine Rolle spielt? Burkhard Niesel, der zusammen mit seiner Frau Marica Doll die Veranstaltung seit zwei Jahren organisiert, erklärt: „Neben der Expertise im Kunstbereich ist uns Unabhängigkeit und Neutralität bei der Jury besonders wichtig, denn keine Künstlerin und kein Künstler soll aufgrund von Kontakten bevorzugt behandelt werden. Außerdem spielen Teamfähigkeit und vor allem kuratorisches Geschick eine große Rolle, denn das Ziel ist es, am Ende die Werke auszusuchen, die im Zusammenspiel miteinander die hohe Qualität der Ausstellung widerspiegeln.“
Claudia Barcheri bei der Probehängung der Bilder. Foto: IO
Die Mischung macht’s
Los geht es. Nun werden eifrig Listen und Marker geschwungen, man argumentiert und notiert, begründet und bespricht. Nach einer Übersichtstour und der ersten Runde folgt der Feinschliff. Welche Werke bleiben final und warum? Neu ist beispielsweise in diesem Jahr, dass auch ein Augenmerk auf den Werdegang der Kunstschaffenden gesetzt wird, denn oft haben die Biografien und die Kunstwerke einen starken Bezug zueinander. Manche Objekte und Bilder erschließen sich aus dem Werdegang, außerdem lässt er Einschätzungen zu, wie viel Erfahrung eine Person bereits hat. Diese Einblicke geben der Jury wiederum die Möglichkeit, bei der Auswahl auf eine Balance zwischen alten Hasen und jungen Talenten zu achten.
Die abstrakte Collage greift die Farben der Nachbarbilder wieder auf. Foto: IO
Farbschwingungen aufleben lassen
Bei der Hängung wurden bewusst Stilbrüche begangen, um den Raum aufzulockern. Es entstanden unerwartete Synergien zwischen Kunstwerken, die sich gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken. Somit werden Vergleiche von Arbeiten der gleichen Stilrichtung vermieden und die Vielfalt der Einsendungen wird betont. „Es geht uns dabei um das Gesamte“, wie Claudia Barcheri es erklärt. Die Künstlerin beschreibt auch ihre Überraschung über die „enorme Vielfalt der Werke. Da sind einige Leuchttürme dabei, unerwartete, intensive Arbeiten.“
Der Ausstellungsraum wird durch Installationen gegliedert und aufgelockert.
Hinter den Kulissen: weitere kuratorische Kniffe
Bei der Auswahl und Hängung achtete die Jury auch auf Harmonien zwischen den Werken. Welche Farben, Themen, Materialien greifen einander wieder auf? Auch eine abwechslungsreiche Nutzung der Räume spielte eine Rolle. Eine Papier- und eine Lederarbeit beispielsweise wurden von der Wand in den dreidimensionalen Raum geholt und können dort ihre volle Wirkkraft entfalten.
Das Gemälde im Hintergrund greift die Marmormaserung der Skulptur wieder auf und schafft somit interessante Verbindungen. Foto: IO
„Die Arbeiten konkurrieren nicht, sondern geben sich Raum.“ (Romana Stehling)
Die Sonne steht bereits sehr tief, als drei Frauen aus dem Kunstbereich etwas erschöpft, aber zufrieden die Schule verlassen. Das Ergebnis: Eine qualitativ hochwertige Ausstellung, ein bunter Mix unterschiedlicher Techniken, eine Hängung, die das Besondere der einzelnen Kunstwerke im Zusammenspiel hervorhebt. Romana Stehling fasst zusammen: „Die Arbeiten konkurrieren nicht, sondern geben sich Raum.“
Einen Raum, den auch Sie, liebe Lesenden noch diesen Monat besuchen sollten – es lohnt sich!
Am Samstag, den 17.08.2024 findet um 19.00 Uhr das Kunstkonzert mit MISTER ACT in den Ausstellungsräumen statt.
Schirmherr der Ausstellung ist Landrat Olaf von Löwis of Menar.
Zum Weiterlesen: Kunstausstellung Bayrischzell – Neues von der Jury