
Die Welt ist besser geworden, aber nicht gut
Auf die Vision kommts an. Foto: MZ
Vortrag in Holzkirchen
„Älter werden mit leichtem Gepäck“ nannte Werner Tiki Küstenmacher seinen wie immer inspirierenden und humorvollen Vortrag. Das zahlreiche Publikum verließ trotz Alters mit beschwingtem Schritt und einem Lächeln im Gesicht die Segenskirche Holzkirchen, hatte es doch eine Menge an guten Ideen für ein glückliches Alter mitnehmen dürfen.
Zum fünften Mal bereits konnte Christiane Brunner von Ökumene vor Ort den Bestsellerautor in Holzkirchen begrüßen, der sich sogleich als Experte für sein Thema vorstellte. „Ich bin 72 Jahre alt.“ Eine universelle Antwort auf die Frage, wie man sich auf das Alter vorbereite habe er nicht, aber die im Bild gezeigte Geschichte verdeutliche, dass es auf die Einstellung ankomme.
Christiane Brunner und Werner Tiki Küstenmacher. Foto: MZ
Der erste Arbeiter schuftet und wirkt niedergeschlagen, der zweite ist schon besser drauf, aber der dritte, der strahlt, denn er hat eine Vision, er klopft nicht Steine, sondern er baut eine Kathedrale. „Mit jedem Engagement baut man an einer sozialen und solidarischen Gesellschaft mit“, sagte der evangelische Pfarrer, der wie immer seinen Vortrag mit eigenen Zeichnungen würzte, teils sogar vor Ort gezeichnet.
Zur großen Erheiterung des Publikums las er eine Botschaft von Richard Needham vor: „Wenn du älter wirst, verlierst du das Interesse an Sex, kannst keine weiten Reisen machen, deine Kinder ignorieren dich. – Es gibt noch andere Vorteile aber die hier genannten sind die größten.“
Und er zitierte Maurice Chevalier: „Alt werden ist gar nicht so schlecht, wenn man die Alternative bedenkt.“ Er räumte aber auch den Spruch von Joachim Fuchsberger ein: „Alt werden ist nichts für Feiglinge.“
Im Alter sind die schlimmen Dinge vorbei. Foto: MZ
Dennoch, anhand der Gallup-Studie ist bewiesen, dass Stress, Sorge und Ärger jenseits der 50 rapide abnehmen. Und er wies mit dem Finger darauf hin, dass im Alter die anstrengenden Jahre vorüber seien. „Alte haben es besser, sie werden abenteuerlich, entdecken die reife Liebe und sind in einer aufregenden Lebensphase“, prophezeite Werner Tiki Küstenmacher.
Zudem, so stellte er fest, leben wir in der gesundheitstechnisch großartigsten Zeit der Menschheitsgeschichte. Während unsere Elterngeneration noch ihr tatsächliches Alter aufwiesen, habe ein heutiger Fünfzigjähriger schon das Alter eines 43-Jährigen und unsere Kinder würden das Alter eines 35-Jährigen haben, wenn sie 50 sind.
Im Vortrag gezeichnetes Leerräumen. Foto: MZ
Passend zum Thema empfahl der „Simplify Your Life“-Experte ordentlich zu entrümpeln und somit leichtfüßig ins Alter zu schreiten. Am besten, so empfahl er, den ganzen Schrank leerräumen und sich mit Freude von Dingen trennen, die man zwei Jahre nicht mehr benutzt hat. „Unser emotionales Hirn freut sich über Leerräume“, konstatierte er. Man möge auch im Keller, Speicher oder der Garage anfangen, klotzen, nicht kleckern, ist die Devise.
Werner Tiki Küstenmacher kann begeistern. Foto: MZ
Um gesund alt zu werden hatte der Autor und Zeichner eine Hitparade der fünf besten Tipps dabei, die er sich von Franz Müntefering abgeschaut habe, verriet er. Punkt 1 Bewegung, also jede Treppe benutzen oder „Besser als Essen auf Rädern ist auf Rädern zum Essen“, wobei Essengehen schön langsam unerschwinglich werde.
Zu Punkt 2 Begegnung riet der Vortragende, um nicht zu vereinsamen, sich Gruppen anzuschließen, etwa Kirchengemeinden, Sportvereinen, Wandergruppen oder einem Chor.
Wie wir gesund alt werden. Foto: MZ
Punkt 3, das ausreichende Trinken möge man umsetzen, indem man sich ein großes Glas Wasser hinstelle.
Zu Punkt 4 machte Werner Tiki Küstenmacher eine Umfrage im Publikum mit drei Fragen. Mit den Antworten wies er nach, dass die meisten Menschen eine negativere Sicht auf die Welt haben, als sie tatsächlich ist. So glaubten die meisten Zuhörenden, dass die weltweite Lebenserwartung viel niedriger ist, aber sie beträgt 70 Jahre.
Der von Werner Tiki Küstenmacher kreierte Limbi symbolisiert unser limbisches System: Limbi bewertet Verluste viel größer als Gewinne. Foto: MZ
„Die Welt ist besser geworden, aber nicht gut“, zitierte er Hans Rosling und fuhr mit dem Wirtschafts-Nobelpreisträger Daniel Kahnemann fort, der festgestellt hatte, dass unser emotionales Hirn, also das limbische System, eine Fehlsichtigkeit habe und Verluste viel stärker bewerte als Gewinne. Die Angst vor Verlusten führe dann zu irrationalen Handlungen.
„Wir sind die Nachkommen von Angsthasen“, begründete Werner Tiki Küstenmacher, denn die Mutigen in der Vergangenheit, die sich dem Säbelzahntiger entgegengestellt haben, wurden gefressen und konnten keine Nachkommen zeugen.
Was hilft? Den Negativmeldungen neutrale Statistiken entgegenhalten. So etwa gebe es heute mehr Verkehrstote als Kriegstote, nachzuschauen bei ourworldindata.org.
Der Mensch ist im Grunde gut. Foto: MZ
„Der Mensch ist im Grunde gut“, sagt Rutger Bregman und der Vortragende lieferte die Zeichnung dazu.
Was unsere Zukunft anbelange, die komme nicht einfach auf uns zu, sondern wir machen sie. Und am besten sei es, Pläne zu haben, Wandern zu gehen, Sport zu machen, Reisen zu unternehmen, wobei die Vorfreude nicht zu unterschätzen sei. Die Karotte müsse man sich halt selber vor die Nase halten.
Pläne haben. Foto: MZ
Mit dankbarem anhaltendem Applaus dankte das Publikum dem Mutmacher für seinen Vortrag und plünderte den Büchertisch.
Zum Weiterlesen: Rette Dich selbst!