Die wunderbar-schwierig-bunte Welt der Kunststoffe

Die Kunstschaffenden Paulo de Brito, Maria Rosina Lamp und Angelika Hubner (v.l.n.r.) erläuterten ihr Projekt, das sich dem Thema „Plastik“ widmet. Foto: Martina Fischer

Ausstellung im Kulturzentrum Waitzinger Keller Miesbach

Sie sind überall – Kunststoffe. In hilfreichen Alltagsgegenständen, praktisch, teils zurückhaltend, teils bunt, leicht zu erwerben. Das Problem: sie sind überall. Und sie sind auch schädlich. Die Ausstellung „Plastic Phantastic?“ im Miesbacher Waitzinger Keller widmet sich der Thematik mit Objekten, Installationen und einem Video von Angelika Hubner, Maria Rosina Lamp und Paulo de Brito.

Eine freundlich aussehende Welt

Bei einer Ausstellung zu Plastik würde man wohl als allererstes erschreckende Szenarien erwarten. Bilder von verschmutzten Stränden, Slums in denen Kinder den Kunststoffmüll der entwickelten Länder noch irgendwie verwenden, Tiere die an Plastikabfall verenden. Das alles ist bei „Plastic Phantastic?“ nicht der Fall. Man betritt das Foyer Ost des Waitzinger Kellers und findet sich in einer freundlich aussehenden Welt. Bunt ist sie. Begrüßt wird man von „Killroy was here“ (Lamp), einem Objekt aus fröhlich gelben Tennisbällen. „Bananarama“ (Hubner) mit Plastikbananen und Blumen verbreitet gute Stimmung. „Pistenflitzer“ (de Brito) aus Skiern, Helmen und Schuheinlagen als Hermesflügeln lädt zum Schmunzeln ein.


Die Besucher waren an der „Plastik-Welt“ interessiert. Foto: Martina Fischer

Unausweichlich Plastik

Doch die locker-leichte Kunststoffwelt bekommt gewisse Risse. Die „Hudson“-Strumpfhosen (Hubner) sind Plastik in Plastik verpackt. „Metex Pen“ (Lamp) reiht Injektoren – natürlich in umfangreicher Kunststoffverpackung – aneinander. Alltag und notwendig, aber eben unausweichlich Plastik. Auch wenn die „Mondrian“-Anleihen (Lamp) aus bunten Kunststoff-Strohhalmen so adrett sind.


„Kilroy was here“ von Maria Rosina Lamp. Foto: Martina Fischer

900 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr

Im Foyer Ost bietet sich ebenso eine Wunderwelt des Kunststoffs. Das „Spiegelkabinett“ (Brito) ist als Sog gestaltet, in dem Barbiepuppen stellvertretend für jedermann weiter durch alle möglichen Plastikartikel nach unten gezogen werden, bis zum Spiegel, in dem man sich selbst wiederfindet. Die „Venus der Tüten“ (Lamp) nimmt Anleihen bei Michelangelo Pistolettos „Venus der Lumpen“ – allerdings mit einem riesigen Haufen prall gefüllter gelber Müllsäcke. Der „Kunststoff-Hahn“ (Brito) erinnert daran, dass 900 Millionen Tonnen des Materials pro Jahr produziert werden, 50 Prozent davon für die einmalige Verwendung.

Lesetipp: Aus der Sicht einer Plastiktüte

Nachhaltige Nutzung

Dass Plastik jedoch nicht einfach nur ein Wegwerfartikel sein muss, sondern auch nachhaltig genutzt werden kann, zeigt Hubner mit ihren Schmuckstücken. Man kann dem Einwegplastik sinnvolles und ansprechendes, dauerhaftes Leben geben. Etwa in Form eines Armbandes aus Filzstiftkappen oder eines Pektorals aus orangenen Plastikverschlüssen. Oder als Kostüm „Ocean Tang-O“.


„Spiegelkabinett“ von Paulo de Brito. Foto: Martina Fischer

Bewusstsein statt Zeigefinger

Die Ausstellung konfrontiert nicht mit Negativszenarien, die allbekannt sind. Es gibt keinen erhobenen Zeigefinger. Stattdessen will sie zur Bewusstwerdung der Plastikthematik – durchaus auch humorvoll – einladen und Alternativen aufzeigen. Langfristige Nutzung der Gegenstände und Upcycling statt Wegwerfartikel. Bewusster Konsum, um nicht in den Sog zu geraten. Der Waitzinger Keller erhielt überdies für seinen Start in die neue Spielsaison einen anderen Bühnenhintergrund, die „SOS Installation“ (Hubner, 50 Quadratmeter), gefertigt aus Plastiktüten. Zu finden: Unternehmen aus den Bereichen Drogerie, Möbel oder Bekleidung – bekannt und ebenso befremdlich in der Menge.


„3 Puppen“ von Angelika Hubner. Foto: Martina Fischer

Zum Handeln anregen

Die Künstlerinnen beschäftigt das Thema schon länger, wie Hubner bei der Vernissage erklärte. Sie haben bereits 2022 eine Ausstellung dazu gemacht. „Wir machen das Projekt weiter. Leider wird Plastik nicht weniger.“ De Brito hoffte, dass die Politik endlich aktiv werde, denn häufig gebe es zu Plastik nicht einmal Alternativen. Arktisexpertin und Autorin Birgit Lutz berichtete bildreich von Erfahrungen im hohen Norden – dünn besiedelt, aber Plastik aus anderen Ländern würde einfach angeschwemmt und vermülle die Strände, töte Tiere. „Unsere Welt ist ein Kreislauf. Was wir in die Umwelt hineingeben kommt wieder zurück.“ Deutschland trenne zwar eifrig Müll, stehe im europäischen Vergleich beim Konsum jedoch nicht gut da. Die Folgen von Kunststoffen seien gravierend, nicht nur für die Umwelt, sondern für den eigenen Körper. Bereits in den Organen von Babys würde sich Mikroplastik finden. „Ich bin nicht gegen Plastik. Aber man muss es für die langfristige Nutzung einsetzen. Nicht nur für zehn Minuten,“ kritisierte sie die allgegenwärtigen Einwegverpackungen. Ihre Empfehlung: sich gegen Plastik gemeinsam engagieren und bewusst einkaufen. Auf eben jenes Bewusstsein hoffte auch Miesbachs Bürgermeister Gerhard Braunmiller. Er wünschte Überraschungsmomente durch die Werke und ein Umdenken in Sachen Plastik.

Zu sehen ist die Ausstellung „Plastic Phantastic?“ im Waitzinger Keller noch bis Samstag, 25. Oktober, Montag bis Freitag von 9.00 bis 13.00 Uhr und Donnerstag von 14.00 bis 16.00 Uhr sowie während Saalveranstaltungen im Waitzinger Saal. Nicht geöffnet ist vom Freitag, 10. Oktober, bis Sonntag, 12. Oktober. Eine Führung findet am Samstag, 4. Oktober, um 14.00 Uhr statt. Der Eintritt ist frei. Das Oberland Kinocenter zeigt begleitend zur Ausstellung den Dokumentarfilm „Plastic fantastic“ an vier Spielterminen. Weitere Infos gibt es auf der Website des Oberland Kinocenters.

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