Marterl

Heimatpflege im Ort

Marterl in Westin. Foto: Leonhard Wöhr

Jubiläum in Weyarn

Seit dem Jahr 2000 gibt es in der Gemeinde Weyarn den „Arbeitskreis Marterl“. Engagierte Bürger kümmern sich um die in der Region reichlich vorhandenen Flurdenkmäler. Sepp Hatzl, Initiator und Sprecher von Anfang an, nahm das Jubiläum nun zum Anlass, um die Erfolgsgeschichte des Bürgerbeteiligungsprojekts zu erzählen.

Wenn Sepp Hatzl zu einem Vortrag, einem Dorfspaziergang oder einer Kulturführung einlädt, kommen die Leute zusammen. So auch jüngst bei der Festveranstaltung im Weyarner Pfarrheim anlässlich des 25-jährigen Bestehens des AK Marterl. Nach der freundlichen Begrüßung durch Bürgermeister Leonhard Wöhr, der das ehrenamtliche Engagement hervorhob, das inzwischen über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt ist, blickte Sepp Hatzl in einem mit zahlreichen Bildern gespickten Vortrag auf die Entstehung und die Tätigkeiten des Arbeitskreises Marterl zurück.

Marterl
Das Marterl in Bruck erinnert an die 391 Pesttoten, die hier in den Jahren 1632-1634 bestattet wurden. Foto: Sepp Hatzl

Initialzündung: ein Marterl zum Gedenken an die Pesttoten

1990 fiel Sepp Hatzl ein historisches Foto eines Anwesens in Bruck in die Hände, auf dem ein Marterl abgebildet war, das damals schon lange nicht mehr stand. Die Sache ließ ihm keine Ruhe, er wollte wissen, was es damit auf sich hatte. Seine Recherchen ergaben, dass das Marterl beim Bau der Kreisstraße 1963 wohl in den Untergrund eingearbeitet worden war. Einige Zeit später, beim traditionellen Bittgang im Gedenken an die Pesttoten am Sebastiantitag, bedauerte Spiritual Ernst Kretschmer aus Holzolling, dass es am Brucker Kircherl St. Rupertus, an dem in den Jahren 1632 bis 1634 allein 391 Pesttote bestattet worden waren, keine Erinnerungstafel gab. Das griff Sepp Hatzl sofort auf. Seine Idee: hier ein Marterl als Andenken an die Zeit, in der die Pest vor Ort wütete, aufzustellen. Der gelernte Schreiner arbeitete sich weiter in das Thema ein und fertigte ein Miniatur-Modell nach dem Vorbild des einstigen Brucker Marterls an. Schnell sprach sich das Vorhaben herum und die ersten Spenden gingen ein. Am Sebastianitag 1996 konnte das steinerne Marterl in Originalgröße in unmittelbarer Nähe des Kircherls dann bereits eingeweiht werden.

Von der Idee zum Bürgerbeteiligungsprojekt

Durch seine Aktion hatte Sepp Hatzl das Thema unter die Leute gebracht. Immer öfter erreichten ihn Anfragen und durch seine Recherchen in Archiven und Bibliotheken entwickelte er ein profundes Wissen über die „steinernen Zeitzeugen“. So stellte er u.a. fest, dass etwa 40 Tuffsäulen und -steine in der heutigen Gemeinde Weyarn stehen, überproportional viele bezogen auf das Landkreisgebiet. Diese Vielzahl ist auf den Tuffabbau im Mühlthal, „vor der Haustür Weyarns“ zu erklären, die dort bis zum Ende des 19. Jahrhunderts betrieben wurde. Als die Gemeinde Weyarn im Jahr 2000 anlässlich der Teilnahme an der EXPO eine Ausstellung zur Gemeindegeschichte organisierte, gab es darin auch einen eigenen Themenbereich „Marterl“.

Weyarn war damals noch mitten in einem Dorferneuerungsprozess und so besuchte auch Rudolf Würzl von der Direktion für ländliche Entwicklung die Ausstellung. Er regte an, einen Arbeitskreis zu bilden und stellte auch finanzielle Mittel aus der Dorferneuerung für das Bürgerbeteiligungsprojekt in Aussicht. Das ließ sich Sepp Hatzl nicht zweimal sagen: Gemeinsam mit einem kleinen Kreis interessierter Bürger wurde im September 2000 ein Arbeitskreis Marterl gegründet. Als dessen Ziel wurde die Erfassung, Erforschung und Erhaltung der Flurdenkmäler formuliert.


Beim Festvortrag von Bürgermeister Leonhard Wöhr im voll besetzten Bürgergewölbe. Foto: KK

Was heute unproblematisch klingt, dass nämlich „Marterl und Feldkreuze Denkmäler des ländlichen Raums“ seien, hat in der Vergangenheit auch schon einmal einen wahren Bildersturm ausgelöst: Im Zuge der Säkularisation wurden Marterl regelrecht niedergerissen, da die Bitten, Gelübde und frommen Versprechen, die sie in Text und Bild transportierten, nicht in die Vorstellung des modernen Staates passten. Einige von ihnen konnten durch die Recherchen des Arbeitskreises wieder entdeckt werden, andere sind über die Jahre verwittert, unsachgemäß renoviert, zweckentfremdet oder sogar zerstört worden. Sepp Hatzl kann hier einige Geschichten erzählen, z.B. die von der bei der Errichtung der Friedhofsmauer in Neukirchen 1899 eingearbeitetens Säule oder jene, bei der eine ganze Säule vom Sockel bis zur Laterne in eine Stallmauer eingemauert wurde.

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Beim Bau der Friedhofsmauer in Neukirchen 1899 wurde ein Teilstück einer Marterlsäule verwendet. Foto: Sepp Hatzl

Auch um die sachgemäße Restaurierung der Flurdenkmale kümmert sich der Arbeitskreis. Es ist ein Glücksfall, dass der Valleyer Bildhauer TOBEL, der große Erfahrung in der Steinmetzkunst hat und für das Thema Feuer fing, zum Arbeitskreis dazustieß. Nachdem das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege vor Ort die Tätigkeit des AK begutachtet und grünes Licht für die Restaurierungen gegeben hate, können bis heute in Abstimmung mit der Unteren Denkmalschutzbehörde die Restaurierungen durch den AK durchgeführt werden. Die finanzielle Unterstützung erfolgt hauptsächlich durch die Gemeinde Weyarn, die entsprechend der Bürgerbeteiligungssatzung ein jährliches Budget für den Arbeitskreis zur Verfügung stellt.


Bildhauer TOBEL bei der Marterl-Restaurierung in seiner Werkstatt. Foto: Sepp Hatzl

Schließlich versucht der Arbeitskreis immer auch die Geschichte zum jeweiligen Marterl herauszufinden. So zeugt ein Marterl in Neukirchen von einem grausamen Doppelmord anno 1913. Dessen genauere Umstände konnten durch Recherchen in der zeitgenössischen Presse detailliert nachgezeichnet werden.

Einige Geschichten zu den Marterln flossen in den Wander- und Radlführer „Von Marterl zu Marterl“ mit 10 Touren für Wanderer oder Radler zwischen Mangfall und Leitzach rund um den Taubenberg ein, den der AK 2014 herausgab. Ein passionierter Radler im AK hat die Touren ausgekundschaftet und Sepp Hatzl die Bilder und Geschichten dazu geliefert. Das kleine Bändchen fand guten Absatz, der AK hat wieder einmal das richtige Gespür gehabt, was die Menschen interessiert.

Würdigung des Ehrenamts

Die intensive und erfolgreiche Heimatpflege vor Ort wurde mittlerweile auch in der Region bekannt und anerkannt: Im November 2023 erhielt Sepp Hatzl den Denkmalschutzpreis des Landkreises Miesbach „für die Pflege und Sanierung von Bildstöcken und Marterl im gesamten Gemeindegebiet Weyarn“.


Verleihung des Denkmalschutzpreises des Landkreises Miesbach an Sepp Hatzl am 11. November 2023. Foto: Sophie Jörg

Dass es immer noch etwas zu entdecken gibt, das steht für Sepp Hatzl und seine Mannschaft fest: Gerade wird ein Marterl in Gotzing restauriert, für das eine besonders aufwändig gestaltete Holztafel geschnitzt werden muss. Als nächstes Projekt hat man sich die Restaurierung des Luitpoldbrunnens vor dem Gasthaus „Gotzinger Trommel“ vorgenommen, der 1901 anlässlich des 80. Geburtstags Seiner Königlichen Hoheit errichtet worden war. Das ehrenamtliche Engagement des Arbeitskreises wird diesmal von den Grundeigentümern, den Stadtwerken München, finanziell unterstützt – zum 125-jährigen Bestehen im nächsten Jahr soll der Erinnerungsstein wieder in ursprünglicher Gestalt zu sehen sein. Viel Erfolg!

Zum Weiterlesen: In die „Himmelsspuren“ einschwenken

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