
Über Wohnungstausch zu bezahlbarem Wohnraum
Volles Haus beim 1. Holzkirchner Salon zum Thema „Armut“. Foto: Ulrike Henking
Neues Gesprächsformat in Holzkirchen
Der erste Holzkirchner Salon war nicht nur gut besucht, sondern konnte auch mit einigen Ergebnissen abschließen. Das Thema des Abends „Armut in Holzkirchen“ wurde sehr schnell auf das Problem des bezahlbaren Wohnraums fokussiert.
Mit dem neuen Gesprächsformat will das Wir-Quartier der evangelisch-lutherischen Kirche Holzkirchen-Sauerlach unter der Leitung von Ulrike Henking in Kooperation mit KulturVision e.V. brennende Themen aufgreifen. Mit einem Impulsreferat führt ein Experte in das Thema ein, danach wird diskutiert, wobei ich die Moderation übernehmen darf.
Organisatorin Ulrike Henking vom Wir-Quartier. Foto: MZ
Zum ersten Holzkirchner Salon im wohnzimmermäßig eingerichteten Thomasaal waren nicht nur Bürgermeister Christoph Schmid mit seiner Frau, sondern auch Vertreterinnen und Vertreter der sozialen Einrichtungen, wie Caritas, Nachbarschaftshilfe, Tafel sowie der Kirche mit Pfarrerin Ulrike Lorentz gekommen.
Marc Gerster, Vorsitzender von „Holzkirchen hilft e.V.“ konfrontierte in seinem Blitzvortrag das Publikum mit schockierenden Fällen vor der Haustür, die beweisen, dass Armut vor Ort ein Thema ist: Obdachlose auf der Straße, Kinder, die aus dem Fußballclub austreten müssen, der Rentner, der ein Jahr ohne Strom lebt und die Rentnerin, die sich zu Weihnachten ein Paar Socken wünscht.
Lesetipp: Holzkirchen hilft: 25 Jahre Engagement
Im Landkreis Miesbach sei jeder Zehnte von Armut bedroht, das betreffe insbesondere Alleinerziehende, von denen 41 Prozent betroffen seien, sowie Kinder, Migranten und Senioren. Bei der Altersarmut stehe Bayern deutschlandweit auf Platz 1. „Die Betroffenen schämen sich und es herrscht Unwissenheit über mögliche Hilfen“, betonte Marc Gerster.
Gründe gebe es für Armut viele, bei Frauen zumeist Teilzeitarbeit oder Dasein für die Familie, sowie Trennung, aber auch Krankheit, Unfall oder Tod des Partners. Zudem fallen in Oberbayern die hohen Mieten ins Gewicht.
Marc Gerster, Vorsitzender von Holzkirchen hilft hielt den Impulsvortrag. Foto: MZ
„Es gibt Hilfen“, führte der Vortragende aus, erster Anlaufpunkt sei das Sozialamt der Gemeinde. Sein Verein „Holzkirchen hilft“ springe bei akuten Notfällen mit unbürokratischer Hilfe ein, etwa Arztrechnungen, Medikamente, Ausgaben für Bildung, Nebenkosten, Mietrückständen oder ähnlichem.
Darüber hinaus habe der Verein Sonderaktionen ins Leben gerufen, wie die Packerlaktion oder den Wunschzettelbaum zu Weihnachten, an den Kinder und Senioren ihre Weihnachtswünsche hängen können, die von Spendern erfüllt werden. „Wir haben ein offenes Ohr für Notlagen“, erklärte Marc Gerster und freue sich über Spenden.
Gesellschaft muss sich verändern
Die Spendenbereitschaft der Holzkirchner lobte Bürgermeister Christoph Schmid ebenso wie das Engagement der sozialen Initiativen, „die dann greifen, wenn die staatliche Hilfe aufhört“. Dazu machte er deutlich: „Die staatliche Sicherung der Renten steuert auf eine Katastrophe zu.“ Umsetzbare Lösungen gebe es trotz einiger Ideen nicht, die Gesellschaft müsse sich verändern.
Hausherrin und Pfarrerin Ulrike Lorentz in der Diskussion. Foto: Ulrike Henking
Den Knackpunkt bei der Armut nannte Ulrike Lorentz. „Wie können wir das Problem des bezahlbaren Wohnraums strukturell angehen?“ fragte die evangelische Pfarrerin und rief zu einer konzertierten Aktion auf.
Neubauten für Topverdiener
Hintergrundinformationen dazu lieferte der Bürgermeister. Der Durchschnittspreis für Mietwohnungen in Holzkirchen liege etwa bei 12 €/Quadratmeter. Günstige Wohnungen gebe es bei sozial verantwortungsbewussten Vermietern, sowie bei 170 Wohnungen der Marktgemeinde und 219 der Baugenossenschaft.
„Das Problem sind Neubauten, das können sich nur Topverdiener leisten.“ Grund seien die immens gestiegenen Baukosten, die etwa zu einem Quadratmeterpreis von 13,20 € bei dem neuen Projekt einer Genossenschaft führten. Heute koste ein Quadratmeter Neubau 6000 Euro.
Bürgermeister Christoph Schmidt war mit seiner Frau (r.) zur Veranstaltung gekommen. Foto: MZ
In der Diskussion wurden einige Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen, etwa, die Menschen gleichmäßiger über Bayern verteilen, die Wohnfläche pro Person reduzieren, Einfamilienhäuser, die nur noch von einer Person bewohnt werden, für mehrere Parteien umbauen.
Ein Vorschlag von Stefan Dillig von „Holzkirchen hilft“ wurde letztlich als gangbarer Erstinitiative angenommen: eine Möglichkeit für Wohnungstausch über eine Veranstaltung mit potenziellen Tauschpartnern zu organisieren. Dazu werden freiwillige Ehrenamtliche gesucht.
Alters-WG im Entstehen
Auch das Thema Alters-WG kam zur Sprache und ein erstes Match fand bereits statt. Jürgen Hagedorn fand eine Interessentin für eine WG. Ein drittes WG-Mitglied (männlich oder weiblich) wird noch gesucht und kann sich bei dem WG-Initiator melden (Tel.: 01766 4147498).
Zum Vorschlag Mehrgenerationenhaus, wie es in anderen Kommunen erfolgreich umgesetzt wurde, meinte Christoph Schmid, dass ein Neubau wiederum sehr teuer würde, aber wenn ein altes großes Haus zur Verfügung gestellt würde, dann wäre es eine sehr gute Idee. Zudem gebe es bereits Konzepte für ein gemeinsames Wohnprojekt, das durch einen Wettbewerb dann entschieden werde, wenn Grund zur Verfügung stehe.
Runder Tisch der sozialen Initiativen wieder belebt
Letztlich kam das Thema Obdachlosenasyl zur Sprache. Die Marktgemeinde sei verpflichtet, für Obdachlose Wohnraum zur Verfügung zu stellen und werde dieser Pflicht nachkommen, auch wenn das derzeitige Haus abgerissen werde, sagte der Bürgermeister.
Um das Thema „Armut“, das beim Holzkirchner Salon ausschließlich Richtung bezahlbarer Wohnraum diskutiert wurde, sowie weitere Themen gemeinsam weiterzuverfolgen, schlug Marc Gerster vor, den Runden Tisch der sozialen Initiativen wiederzubeleben.