Wir müssen Stabilität exportieren, sonst werden wir Instabilität importieren
Staatssekretär Markus Ederer und Gerhard Polt. Foto: Monika Ziegler
Podiumsdiskussion in Neuhaus
„Pulverfass Nahost, Flüchtlingskrise, was vermag Diplomatie?“ Zum 2. Podiumsgespräch über Verständigungskultur fanden gestern Gerhard Polt und Markus Ederer das Ergebnis: In dieser verzweifelten Situation muss man an Wunder glauben. Und es gibt sie.
Außenpolitik transparenter und verständlich machen, das sei das Anliegen dieser Veranstaltung des Josefstaler Elefanten, der sich seit 30 Jahren um spannende Themen kümmere, begrüßte Tini Polt die Gäste, die fast den Pfarrsaal in Neuhaus sprengten. Gerhard Polt stellte sich als Befrager vor, der nur Meinungen habe, das Wissen aber verkörpere Ederer, seines Zeichens Staatssekretär im Auswärtigen Amt.
Dieser machte in kurzer und prägnanter Art das schwierige Nahost-Thema mit seinen vielen unterschiedlichen Gruppierungen und Interessenslagen, sowie den historischen Zusammenhängen deutlich. Nach fast fünf Jahren Bürgerkrieg in Syrien bestehe seit der Konferenz im Dezember die Hoffnung, den Konflikt nichtkriegerisch zu beenden. „Wir müssen Stabilität exportieren, sonst werden wir Instabilität importieren“, skizzierte der Politiker die Lage.
Wichtig ist Waffenstillstand
Mit den Flüchtlingen sei nun auch das Thema in Deutschland angekommen und man müsse Verantwortung übernehmen. Die komplizierte Situation mit Sunniten gegen Schiiten, IS gegen Assad, Türkei gegen Kurden, Irak, Syrien, Jemen und andere gegen Iran, dazu Amerikaner und Russen, die ihre Großmachtstellung wieder zeigen wollen, all das ist schwer zu durchschauen. Die zersplitterten Gruppierungen, die gegen Assad antreten, seien doch untereinander spinnefeind, warf Polt ein, mit wem verhandle man denn da. Wichtig sei vor allem der Waffenstillstand, auch wenn er fragil sein, meinte Ederer. Das Ziel sei, dass Assad abtrete und Syrien dann seinen Weg finde.
Zur Diplomatie gehöre auch, dass man den Menschen in der Region eine Zukunft gebe, dass zunächst das Leben in den Lagern erträglich gestaltet werde. 10 Millarden Euro stünden dafür bereit, dass die Flüchtlinge dort bleiben, dass die Infrastruktur hergestellt und Bildung ermöglicht würde. Auch die Golfstaaten würden sich teilweise an den Hilfsaktionen beteiligen. „Das sind aber nicht alles lupenreine Demokraten“, meinte Ederer. Er stellte klar heraus, dass man in der schwierigen Situation auch mit Staaten verhandeln müsse, die unsere Wertvorstellungen nicht teilen.
Rolle der Türkei
Aber auch in der EU sei das Lager gespalten, sagte Polt und Ederer ergänzte, dass Solidarität eine Zweibahnstraße sei und nicht nach dem Floriansprinzip gehandelt werden dürfe. Jetzt gehe es um die Sicherung der Außengrenzen Europas. Eine wichtige Rolle spiele dabei die Türkei, die immerhin 2,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen habe.
Die Zuhörer hatten zahlreiche substantielle Fragen. Zum Thema Waffenlieferungen an nichtdemokratische Staaten musste Ederer einräumen, dass Endverbleibserklärungen das einzige Kontrollsystem sei. Zu Assad sagte er : Ohne Assad gibt es keine Lösung, mit Assad keine Zukunft.“ Zur Türkei äußerte der Staatssekretär, dass das Land als sicheres Drittland anerkannt werden müsse.
Sicherheitskräfte des Irak beim IS
Ein Kardinalfehler der USA nach dem Irakkrieg sei gewesen, dass man alle Sicherheitskräfte des Landes entlassen habe. Diese seine heute beim IS und hätten hohe militärische Kenntnisse. Viel Lob zollte der Politiker Außenminister Kerry, der sich bemühe, sowohl die Russen als auch Iran und die Golfaraber in den Prozess einzubinden.
Aber zum Thema Flüchtlinge gebe es keine moralisch saubere Lösung, weder Grenzen auf, noch Grenzen zu, wichtig sei es, unsere Werte nicht zu verraten. Auch wenn es viel an den diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung zu kritisieren gebe, er sehe keine Alternative. „Wer verhetzt, macht sich strafbar und braucht ein Integrationsverfahren“, sagte Ederer unter dem Beifall der Zuhörer.
Und Gerhard Polt fügte an: „Es gibt Wunder, siehe das Umweltabkommen, wo fast die ganze Welt unterschrieben hat. Auch wenn es keine Hoffnung gibt, nehmen wir sie wahr.“ Zudem habe Bayern ja noch einen Trumpf im Ärmel: „Seehofer war in Moskau und geht jetzt nach Aleppo.“
Text/Foto: Monika Ziegler