Die Intensität des Lebens: Filmemacher Walter Steffen
Walter Steffen am Starnberger See. Foto: Petra Kurbjuhn
Porträt Walter Steffen aus der 35. Ausgabe der KulturBegegnungen
Wir führen unser Gespräch auf einem aufgelassenen Friedhof an der Kirche von Seeshaupt, dem Lieblingsplatz von Walter Steffen. Der Friedhof als Zeichen des ewigen Wandels dient als Symbol für das Leben eines Rebellen, eines weithin bekannten und erfolgreichen Filmemachers, der seine Inspiration einer besonderen Begabung verdankt.
Er habe sich schon als Kind viel mit dem Tod befasst, dann aber gemerkt, dass dieser in der Welt der Erwachsenen angstbesetzt sei. Wie viele Kinder habe er Engel, Geister und Gespenster gesehen und habe Traum und Wirklichkeit schwer unterscheiden können. Die Eltern schleppten ihn zu Ärzten und Therapeuten, aber seine Traumwelt, die gebe es heute noch.
„Geschichten erzählen, das ist meine Welt“, sagt der 65-Jährige, „und die müssen sich nicht in der Wirklichkeit manifestieren“. Die Inspiration, das ist für den Filmemacher ganz klar, komme für ihn aus der Verbindung zum Unbewussten und damit zur ganzen Welt im Diesseits und Jenseits. Und diese Inspiration dränge nach draußen, müsse sich Platz verschaffen. „Das ist Fluch und Freude des Künstlers“, konstatiert er.
Sein Weg begann im Kino in Oberstdorf. „Das war der Ort, wo meine zwei Welten Traum und Wirklichkeit zusammenfielen“, sagt er. Nachdem er „Mary Poppins“ gesehen hatte, war klar, „ich will Geschichten erzählen und mit den Menschen teilen“. Mit 13 Jahren begann Walter Steffen zu schreiben, zu fotografieren und zu filmen. Das Jahr 1968 prägte ihn. „Ich wurde zum Rebellen und stellte alles infrage“, sagt er und habe mit „allem was dazugehört an Erfahrungen“ teilgenommen.
Lohnenswerte Utopie
Deshalb schmiss er auch die Schule, denn die mache ja den Menschen zum willfährigen Bürger, habe er gedacht. Er war Hafen- und Fabrikarbeiter, schloss dann aber doch die FOS ab und wurde in einer viel besuchten Hütte am Heilbronner Weg zum jüngsten Hüttenwirt des Alpenvereins. Damals haben ihn die politischen Umbrüche der 68er und die Kultur der Hippies fasziniert, erzählt er. „Dass Menschen erkennen, dass wir alle Brüder und Schwestern sind, ist bis heute eine lohnenswerte Utopie.“
Dann aber habe er wieder das Schreiben und Filmen intensiviert, auch wenn seine Bewerbungen auf der Filmhochschule Berlin fehlschlugen. Ein Volontariat bei Regisseur Michael Verhoeven brachte Walter Steffen die Ausbildung im Filmgeschäft. Er arbeitete als Aufnahmeleiter, Produktionsleiter, Regieassistent, Cutter, Beleuchter, Kameramann. Mit diesem Wissen konnte er ab 1985 sowohl mit einer Anstellung als Autor und Regisseur für Industrie- und Imagefilme sein Geld verdienen als auch dieses immer wieder in eigene erfolgreiche Kurzfilme stecken.
Der Unfalltod seines älteren Bruders war ein tiefer Einschnitt in seinem Leben. Ihm wurde die Endlichkeit des Lebens und die damit verbundene Aufgabe, es nicht zu vergeuden, schmerzlich bewusst. Ihm sei klar geworden, sagt er, dass er Filme über Maschinen und Produkte statt über Menschen machte. Inzwischen hatte er Manfred Birkl kennengelernt. Mit ihm schrieb er in 15 Jahren mehr als 50 erfolgreiche Drehbücher für Filme und TV-Serien. Produzenten und Redaktionen von Film und Fernsehen gaben sich die Klinke in die Hand.
Alphörner im Rucksack
Als aber in der Branche der Umgangston mit Autoren rauer, das Autorenduo letztlich aus der selbst entwickelten TV-Serie herausgekegelt wurde, entschied sich Walter Steffen, „Film“ an den Nagel zu hängen. Er eröffnete mit seiner Frau einen Weinhandel und baute ein Haus mit Lokal in Seeshaupt. Aber seine Ideen wollten sich nach wie vor Luft machen. Er wurde krank und entschied sich, seine eigenen Filme zu produzieren. In den vergangenen 15 Jahren produzierte Walter Steffen 14 überaus erfolgreiche Kino-Dokumentarfilme, meist mit Bezug zum Oberland. Tom Modlinger vom FoolsKino Holzkirchen schwärmt: „Großartige Filme.“ Kürzlich wurde sein Film „Alpgeister“ in Bozen ausgezeichnet. Sein aktueller Film „Auf Tour zu Fuß“ über Matthias Schriefl und Johannes Bär, zwei erfolgreiche Jazzmusiker, die in Coronazeiten über die Berge gehen und in Hütten musizieren, kommt im September in die Kinos. Walter Steffen erzählt: „Die gehen mit Alphörnern im Rucksack und entführen die Zuhörer in die Welt des Jazz.“
Erfolgreiche preisgekrönte Filme von Walter Steffen. Foto: Petra Kurbjuhn
Obwohl seine Filme auf Festivals und in Kinos zu den erfolgreichsten Filmen in Bayern wurden, sind sie im Fernsehen kaum zu sehen. Walter Steffen, immer noch ein Rebell, gründete kurzerhand mit Steffen Mühlstein seinen eigenen Fernsehsender. Seit einem Jahr ist OLAtv.de online und bringt auf das Oberland zugeschnittene Beiträge, auch aus dem Landkreis Miesbach. Als Medienpartner für das Jugendfilmfestival „Flimmern und Rauschen“, will OLAtv.de junge Filmer fördern. Erklärtes Ziel von Walter Steffen ist es, in seinem Sender neben seinen eigenen Filmen Kolleginnen und Kollegen Raum für eine unabhängige Filmszene zu verschaffen. So ist auch der Film der Valleyer Filmemacherin Nani Mahlo „Ignaz Apfelboeck“ präsent.
Lesetipp: OLAtv.de – der TV-Kanal für das bayerische Oberland
Inzwischen ist die Sonne hinter der Kirche von Seeshaupt verschwunden, es wird kühl. Walter Steffen schaut zur Kirche, rutscht von der Steinmauer und sagt: „Es ging und geht mir bis heute um Intensität und diese entsteht durch die Endlichkeit unserer wundervollen Existenz. Doch kommt sie nicht von allein, für ein intensives Leben muss mensch schon etwas tun.“