
Verläufe – spannende Werkschau zwischen Bühne und Heimat
Ekaterina Zacharova erhielt den Hauptpreis der NordART 2025 für das monumentale Werk „Tanz der kleinen Schwäne“. Foto: IW
Ausstellung in Gmund
Künstlerin Ekaterina Zacharova ist seit Anfang der 2000er Jahre in Gmund heimisch. Zur 950-Jahr-Feier beschenkte sie ihre Wahlheimat-Gemeinde mit einem Bild fürs Rathaus und nun mit einer Ausstellung im Jagerhaus, die drei unterschiedliche Geschichten erzählt. Sie alle zeugen von Veränderungen und Ereignissen im (Ver)Lauf der Zeit.
„Verläufe“ ist der Titel der Ausstellung, zu deren Eröffnung am vergangenen Freitag etwa 90 Kunstinteressierte, Freunde, Künstlerkollegen sowie Gmunderinnen und Gmunder Bürger kamen. „Verläufe einer Gemeinde im Laufe von 950 Jahren zeugen von Identität“, so Bürgermeister Alfons Besel bei der Eröffnung, während er bewegt die Verdienste Ekaterina Zacharovas für ihre Walheimat würdigte.

Im Jagerhaus Gmund: Ekaterina Zacharova und Bürgermeister Alfons Besel. Foto: IW
Begeistert standen auch die Besucher inmitten des etwa 14 Meter großen Panoramabildes „Tanz der kleinen Schwäne“, dessen Thema eng mit der Biografie der Künstlerin verbunden ist. Die Bühnenwelt war Ekaterina Zacharovas erste Berührung mit der Kunst – in Moskau an der Theaterkunstschule beim Studium der Kostümkunde. Doch diese Bühnenwelt sei längst nicht nur so leicht, wie es auf die Zuschauer wirke, sondern in gewisser Hinsicht auch hart: „Die Karrieren sind sehr kurz, es gibt Konkurrenz und großen Druck, man muss alles aus sich herausholen“, beschreibt sie ihre Erinnerungen, „da spielen sich sowohl Höhenflüge ab als auch menschliche Tragödien“. Förmlich spürbar ist diese energie- und emotionsgeladene Atmosphäre für die Betrachter des begehbaren Bildes, welches Hans Weidinger und Kurt Gmeineder kreisrund im großen Ausstellungsraum des Jagerhauses installiert hatten. Das monumentale, zwölfteilige Werk erhielt in diesem Jahr den begehrten Hauptpreis der renommierten NordART.

Zymbal-Spielerin Valentina Batura. Foto: IW
Und was würde die Präsentation des „Tanz der kleinen Schwäne“ besser musikalisch begleiten als die „Schwanensee“-Preludes von Pjotr Iljitsch Tschaikowski? Ganz eintauchen in Bild und Musik ließ die Gäste der Vernissage das virtuose Spiel der bekannten jungen belarussischen Zymbal-Spielerin Valentina Batura, die sich mit ihrem Instrument in die Szenerie einfügte, als sei sie ein Teil des Balletts.
Stolz und glücklich, die Künstlerin als Bereicherung der Gemeinde „in ihrer Mitte zu wissen“, zeigte sich Bürgermeister Alfons Besel in seiner Laudatio. Obwohl weltweit unterwegs, hielte Ekaterina Zacharova doch immer Gmund die Treue – und ihre Verbundenheit schlage sich in den unzähligen Bildern nieder, in denen sie sich mit dem Tegernseer Tal und seinen Menschen auseinandersetze. Im Alltäglichen poetische Momentaufnahmen zu entdecken und mit ihren schwungvollen, charakteristischen Pinselstrichen auf der Leinwand Geschichten zu erzählen, genau hinzuschauen, hinzuspüren, einen spannungsreichen Dialog zwischen Licht, Menschen und Landschaft herzustellen, gelinge ihr meisterlich immer wieder aufs Neue.

Kann auch Kühe: Ekaterina Zacharova – „Frühlingsgewitter“, 2025 in der Serie „Jahreszeiten“. Repro: IW
Sein herzliches „Vergelt’s Gott“ galt daher noch einmal dem Geschenk der Künstlerin an die Gemeinde zum 950-jährigen Jubiläum: Das Bild, das nun im Rathaus hängt und von Kirchbichl über den Bergfriedhof und den See auf die Berge blicken lässt, erzähle von Gmunder Lebenslust, Geschichte und Identität – und von tief empfundener Verbundenheit.
Sie habe sich zuerst mit der Anatomie von Kühen beschäftigen müssen, so Ekaterina Zacharova lachend, denn ihr eigentliches Sujet ist der Mensch – einsam oder in Gruppen, in aller Verletzlichkeit, mit seinen Sehnsüchten, Wünschen, zwischenmenschlichen Beziehungen, Geheimnissen, die sich niederschlagen in Mimik, Gestik und Haltung.

Ekaterina Zacharova: Aus der Serie „Glücklicher Tag“ – Mittagspause im Malerwinkel, 2025. Repro: IW
Die spannungsvolle Wechselbeziehung zwischen Menschen und Landschaft lässt sich – an einem einzigen Sommertag, einmal um den See – durch drei Räume hinweg bei der Serie „Glücklicher Tag“ nachverfolgen. Los geht’s früh am Morgen um sieben Uhr dreißig in Kaltenbrunn, wenn böiger Morgenwind aus den Bergen die ersten Frühaufsteher munter werden lässt. Mittagspause wird am Malerwinkel gemacht, ein „Nachmittag am Yachtclub“ beobachtet, einem lässigen „Dolce far niente“ und dem „Abendlicht am Tegernsee“ nachgespürt. Lebenslust, flirrende Sommerhitze, entspanntes Miteinander am Seeufer und Gaumenfreuden der Region – die Betrachtenden lassen sich im Anblick der Bilder vom Zauber erfassen, den der Tegernsee an einem prachtvollen Sommertag seit Jahrhunderten auf Einheimische wie Sommerfrischler ausübt.

Sich der Landschaft annähernd: Ekaterina Zacharova. Herbst in Gmund 2002. Repro: IW
Ekaterina Zacharovas Serie „Jahreszeiten“ indes reflektiert die Landschaft rund um den See im Wechsel von Licht und Farben hinweg durch Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Die ersten Bilder der Reihe widerspiegeln frühe Aufenthalte der Künstlerin in Gmund, etwa im Jahr 2001, eine Vielzahl entstand ganz aktuell in diesem Jahr. Das Licht, das „breite Lächeln der Natur“, verrate dem Betrachtenden, in welcher Jahreszeit ein Bild entstanden sei. Für Ekaterina Zacharova ist das „größte Wunder der Pleinair Malerei“: Jeder Augenblick allgegenwärtig. Reine Landschaftsmalerei hat man bislang nicht so häufig gesehen bei Ekaterina Zacharova. Umso mächtiger und überraschender erzählen die leuchtenden Blumen auf dem Bild „Sommer in Holz“ von der puren Lebenslust am Tegernsee und die Holzboote auf dem gefrorenen See im „Eisigen Januar“ am Seeglas von der Stille des Winters. „Jeder Augenblick ist absolut gegenwärtig“, so die Künstlerin.
Versteigerung zugunsten der gmundart
Auch im Flur zieren „Verläufe“ die Wand – in Form der Farbpaletten, auf denen Ekaterina Zacharova ihre unterschiedlichen Zyklen und Serien über die Jahre angemischt hat. Diese sind eine Aufforderung zu einer stillen Auktion. Sie sollen meistbietend den Besitzer wechseln und aus dem Erlös die jährliche gmundart unterstützen. Gemeinsam mit Pia von Miller und Irene Weidinger hat die Künstlerin ab diesem Jahr die Organisation der Gmunder Frühjahrsausstellung übernommen.
Weiterlesen: Ekaterina Zacharova – Mysterium Bühne